Ankunft und Akrobatik
BRIEF AUS OSTTIMOR
Ob ich denn in Dili abgeholt würde, wurde ich in Bali am Flughafen gleich zweimal gefragt. Während ich es beim Herrn in der Warteschlange vor mir zuerst als Türöffner für ein Gespräch abtat, wunderte ich mich dann doch, als die Dame am Gepäckschalter ebenfalls nachhakte. Im Flugzeug erkannte ich dann den Grund: In den Tropen bin ich als alleinreisende Europäerin eine Exotin, denn neben einigen Nonnen und Militärs waren es vor allem Timoreser und Timoreserinnen, die mit Sack und Pack nach Dili flogen.
Nach einem Flug über die kleinen Sundainseln Indonesiens erblickte ich inmitten von schier endlosem Blau des Wassers und Grün des Archipels die Bucht von Dili. Nach der Landung – es war die einzige an diesem Tag – und dem Überqueren des Rollfeldes zu Fuss gab es bei brütender Hitze eine Reihe von Dokumenten auszufüllen. Diese landeten anschliessend unbesehen auf einem Stapel und ich wurde von einem UNO-Mitarbeitenden und einem offiziellen Fahrer der Weltbank abgeholt. In diesen offiziellen Fahrzeugen werde ich nun auch während der Arbeit chauffiert. In meiner Freizeit bewege ich mich bisher meist mit Taxi oder Minibus fort. Haltestellen für Letztere sucht man vergebens. Ich stelle mich an den Strassenrand und versuche, im Verkehr die Farbe der jeweiligen Busnummer zu erspähen und winke dann dem Fahrer. Einmal aufgegabelt, sorgen meine Akrobatikkünste beim Versuch, meine Beine im Minibus irgendwo unterzubringen, zuweilen für heiteres Gelächter. Deshalb nehme ich am liebsten auf der Treppe Platz, dem einzigen Ort, an dem ich mit meinen knapp 180 Zentimetern Körpergrösse aufrecht sit-zen kann und der Fahrtwind für etwas Erfrischung sorgt. Zum Aussteigen gibt es keinen roten Knopf wie im Einsiedler Ortsbus. Wie alle anderen klopfe ich einfach mit einer Münze kräftig an eine Metallstange im Bus und dieser erfindet dann passgenau eine Haltestelle. Ein Prinzip, das man sich für den Ortsbus ja auch überlegen könnte… Junia Landtwing
* Die Einsiedlerin Junia Landtwing (*1995) ist seit Mitte März 2023 während zwölf Monaten für die Weltbank in Dili, Osttimor, stationiert. Dabei ist sie in Entwicklungs- und Aufbauprojekte in den Bereichen Gesundheit und Bildung involviert. Von ihrer Arbeit und ihren persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen berichtet sie in regelmässigen Abständen.