«Die Landwirtschaft ist hierzulande auf gutem Weg unterwegs»
Der 54-jährige Euthaler Landwirt Albin Fuchs, Präsident der Schwyzer Bauernvereinigung, steht Red und Antwort zum Gedeihen der Landwirtschaft in diesen turbulenten Zeiten: «Die weltweite Entwicklung ist auch an der Schwyzer Landwirtschaft nicht spurlos vorbeigegangen.»
Welches ist Ihr grösstes Sorgenkind?
Das Wetter. Es war in den vergangenen Wochen viel zu trocken. Auf den Alpen wurde das Wasser knapp. So musste auf einige Alpen Wasser transportiert werden. Es werden Erinnerungen wach an die heissen, trockenen Sommer in den Jahren 2018 und 2022. Zum Glück hat es jetzt wieder Regen gegeben. Mit welchen Schwierigkeiten hat die Landwirtschaft derzeit zu kämpfen? Das grösste Problem für die Landwirtschaft stellen derzeit die Biodiversitätsförderflächen dar: Der Bund möchte diese Flächen bis im Jahr 2030 auf dreissig Prozent erhöhen. Das ist gut für die Natur, aber schlecht für die Nahrungsmittelproduktion. Die Landwirtschaft wehrt sich gegen diese Vorgabe. Abgesehen davon haben wir im Kanton Schwyz bereits 24 Prozent Biodiversitätsförderflächen.
Wie wirkt sich der Krieg gegen die Ukraine auf die Landwirtschaft aus?
Der Krieg hat nicht allzu grosse Auswirkungen. In der Schweiz haben die Produktionskosten bereits vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine angezogen. Nun sind es vor allem die Kosten der Energieträger, die zu einer Verteuerung führen. In diesem Jahr wird es weltweit zu einer Verknappung von Getreide und Ölsaaten kommen, da in der Ukraine die Aussaaten nur teilweise gemacht werden konnten und ein erheblicher Teil des Weltmarktes aus diesem Land stammt. Dabei fehlte es nicht zuletzt an Treibstoff zur Bestellung der Äcker, da die-ser von der Armee eingezogen wurde. Die globale Versorgung mit Lebensmitteln dürfte prekär werden. Die Schweiz ist hingegen kaum von dieser Krise betroffen, weil unser Land wenig Weizen aus der Ukraine bezieht. Profitiert die Landwirtschaft vom Ukraine-Krieg? Als der Krieg begann, hoffte ich auf ein Umdenken im Umgang mit Nahrungsmitteln. Die Enttäuschung ist allerdings gross, denn obwohl die Bevölkerung in der Schweiz stetig wächst, will die Politik die Nahrungsmittelproduktion hierzulande runterfahren und die fehlenden Kalorien im Ausland beschaffen. Das alles ist der hohen Finanzkraft geschuldet. Wie kommen Landwirte zum Pflanzendünger, der bis anhin aus Russland importiert worden ist?
Der Krieg führt zu einem Preisanstieg beim Dünger. Für dieses Jahr haben wir aber sicher noch genügend Düngemittel zur Verfügung. Theoretisch könnte die Schweiz Stickstoff-Dünger auch selber herstellen. Allerdings ist deren Produktion sehr teuer, weil dafür fossile Brennstoffe benötigt werden. Anders sieht es beim Phosphor aus, bei dem wir keine Vorkommnisse haben. Eine grössere Bedeutung erhalten deshalb unsere Hofdünger, Mist und Gülle. Diese gilt es ideal einzusetzen, um die Nährstoffe den Pflanzen bedarfsgerecht zur Verfügung stellen zu können. Können Landwirte den Weizen aus der Ukraine mit eigenem Anbau ersetzen? Wie gesagt bezieht die Schweiz kaum Weizen aus der Ukraine. Unser Land kauft Weizen und Soja vorwiegend aus dem EU-Raum. Grundsätzlich ist es möglich, im Talgebiet die Weizenfläche noch weiter auszudehnen. Sollten die Preise steigen, wird der Anbau für die Produzenten wieder interessanter. Allerdings gilt es natürlich die Fruchtfolge zu beachten, um nicht Getreidekrankheiten zu provozieren. In unserer Region sehe ich jedoch nur wenig Potenzial für den Ackerbau. Dinkel könnte noch vermehrt angepflanzt werden, da dieser recht robust ist. Allerdings begünstigen die vielen Niederschläge ganz klar das Graswachstum und damit die Lebensmittelproduktion aus der Viehwirtschaft. Wird nun vermehrt Dinkel angebaut in Einsiedeln? Das ist in der Tat so: In Egg und in Trachslau gibt es Landwirte, die Dinkel anbauen. Diese Getreideart passt bestens zum Klima in der Region Einsiedeln, weil Dinkel im Gegensatz zum Weizen tiefere Temperaturen und höhere Niederschläge gut wegstecken mag. Fehlt es der Landwirtschaft angesichts des Ukraine-Krieges bereits an Futterkomponenten wie Getreide oder Soja? Die Futterkomponenten sind noch in ausreichenden Mengen vorhanden. Allerdings steigen deren Preise an und führen ebenfalls zu einer Verteuerung der Produktionskosten. Wird dank der Krise die lokale Lebensmittelproduktion angetrieben?
Ich hoffe es! Während der Corona- Pandemie haben Hofläden einen eigentlichen Hype erlebt, der unterdessen wieder etwas abgeflaut ist. Weltweit bestehen noch grosse Lagerbestände an Reis und Getreide. Auch in der Schweiz müssen die Pflichtlager aktuell noch nicht geöffnet werden. Sollte der Krieg andauern, könnte ich mir persönlich eine Intensivierung der Landwirtschaft aber durchaus vorstellen. Ökologisieren und dafür mehr importieren – das geht nicht. Auch wir in der Schweiz sind verpflichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten. Wäre denkbar, zukünftig Weizen im Unterland anzubauen? Die Aussaaten bei Getreide und Ölsaaten sind bereits erfolgt. Bei den Hackfrüchten können Flächen noch erhöht werden. Allerdings ist für mich weniger zentral, was produziert wird. Wichtig scheint mir, dass das produziert wird, was der Markt verlangt. Es macht beispielsweise keinen Sinn, weniger tierische Lebensmittel in der Schweiz herzustellen und dafür mehr zu importieren. Den Nutztieren ist damit nicht geholfen, da wir im Tierwohlbereich führend sind und unser Tierschutzgesetz auf dem höchsten Stand ist. Wie können sich Landwirte gegen den Verlust von Kulturland wehren? Noch immer verlieren wir pro Sekunde gegen einen Quadratmeter Kulturland an Bautätigkeiten und zusätzlich an ökologische Forderungen. Die Bauernvereinigung selber wehrt sich gegen den Kulturlandverlust auf politischer Ebene, verlangt eine verdichtete Bauweise und unterstützt die betroffenen Landwirte bei Einsprachen gegenüber überdimensionierten Gewässerräumen oder Pufferzonen. Bezüglich den Biodiversitätsflächen vertreten wir die Haltung, dass diese quantitativ ausreichend sind, aber teilweise deren Qualität noch erhöht werden kann. Welche Rolle spielt der Gewässerschutz in dieser Frage? Sorgen bereitet uns die Revitalisierungsplanung des Kantons Schwyz bei Bächen, im Speziellen bei der Minster und bei der Sihl. Die Verbauung ist teils bereits über achtzig Jahre alt und muss erneuert werden. Wenn infolge dieser Erneuerung wegen einer Revitalisierung ein Streifen entlang des Baches verdoppelt wird, von dreissig auf sechzig Meter, verliert die Landwirtschaft viel kostbares Kulturland. Ist die Landwirtschaft bereit, auf emissionsfreie, erneuerbare Energieträger umzusteigen? Ja, das ist sie in der Tat. Aktuell hätte die Landwirtschaft aufgrund der grossflächigen Scheunendächer noch Potenzial für Photovoltaikanlagen. Allerdings war der Betrieb in den vergangenen Jahren nur bei einem ho-hen Eigenbedarf rentabel. Bei Biogasanlagen wäre das Potenzial ebenfalls vorhanden. Aller-dings fehlt es hier ebenfalls an der Wirtschaftlichkeit. In Trachslau gibt es bereits eine Biogas-anlage. Steigen die Energiepreise, könnte dies zu einem Anschub dieser Technologien in der Landwirtschaft führen. Und nicht zuletzt sind bereits elektrische Traktoren im Einsatz.
Bedeuten überhandnehmende Krankheiten eine Gefahr für die Landwirtschaft? Die Globalisierung führt dazu, dass vermehrt Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge wie etwa die Kirschessigfliege in die Schweiz eingeführt werden. Auch der Maiszünsler und der Kartoffelkäfer bereiten Sorgen. Und erst recht der Japankäfer: In der Landwirtschaft drohen Ernteausfälle wegen des Japankäfers. Werden jetzt keine Massnahmen ergriffen, wird sich die Käferpopulation vervielfachen und grosse Schäden an den Landwirtschaftskulturen verursachen. Aber auch Tierseuchen wie die Afrikanische Schweinepest werden schneller verbreitet. Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Schwyzer Landwirtschaft aus? Was wir vermehrt erkennen, sind Wetterkapriolen, einhergehend mit Starkniederschlägen und heftigen Stürmen. Feuchte oder trockene Jahre gab es jedoch schon immer. Für die Schwyzer Landwirtschaft sind trockene Jahre meist weniger einschneidend als sehr nasse Jahre: Just im Bezirk Einsiedeln mit seinen feuchten Molassenböden können Pflanzen in Trockenphasen auf Feuchtigkeit im Boden zurückgreifen. In nassen Jahren verlieren wir viel Futter, das auf den Weiden in den Boden zertrampelt wird. Was wir jedoch noch nicht erkennen können, sind höhere Erträge aufgrund der wärmeren Temperaturen. Wäre es denkbar, für den Klimaschutz die Anzahl Kühe im Kanton Schwyz zu reduzieren, um den Methangas-Ausstoss zu senken? Nein, Kühe schlachten gegen den Klimawandel ist kein Thema – diese Massnahme würde keinen Sinn ergeben: Weil Kühe Methan ausstossen, stehen sie am Klima-Pranger. Aber die Kuh ist nicht die Klimakillerin – für den Klimawandel sind das CO2 und die Vielfliegerei verantwortlich. Was sich positiv auf das Klima auswirkt, ist die Weidehaltung, weil die Kühe ausserhalb des Stalls weniger Ammoniak produzieren. Ebenso spielt das richtige Futtermittel eine Rolle. Wie schätzen Sie das Bauernsterben im Kanton Schwyz ein? Im Kanton Schwyz ist die Situation nicht dramatisch: In unserem Kanton ist die Tradition lebendig, dass die Landwirte an ihrem Hof festhalten und nicht bereit sind, ihren Betrieb aufzugeben.
Wie entwickelt sich die Landwirtschaft in der Region Einsiedeln, im Ybrig und in Rothenthurm?
Die Landwirtschaft ist hierzulande auf gutem Weg unterwegs: Sie hat einen hohen Nutzen, arbeitet nachhaltig und integriert Biodiversitätsflächen. So werden sich die Hauptbetriebszweige mittelfristig kaum ändern. Die Viehwirtschaft ist dominie-rend und dürfte dies auch bleiben. Auch im Bereich des Strukturwandels sehe ich keine Verschärfungen.
Wie ist heuer die Heuernte ausgefallen?
Sie ist prima ausgefallen, vor allem im Oberland: So können sich die Tiere von Bergbauern über mehr und besseres Heu freuen. Nasser Frühling, trockener Sommer: Während man in den Bergen nicht mehr weiss, wohin mit dem vielen Heu, fällt die Zwischenbilanz in den tieferen Regionen durchzogen aus.