«Personalmangel an Schulen ist kein neues Phänomen»
Raffael Bosshard, Rektor Schulen Einsiedeln, steht Red und Antwort zum Thema des Lehrpersonenmangels: «Der pragmatische Ansatz, dass einfach alle Teilzeitlehrpersonen mehr arbeiten sollen, erachte ich nicht als zielführend.»
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie ist der Stand der Dinge bei der Lehrerstellenbesetzung im kommenden Schuljahr? Ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden bin, wie wir die Stellen besetzen konnten. So konnten alle Stellen der Klassen- und Fachlehrpersonen besetzt werden, was grundsätzlich schon eine sehr positive Mitteilung ist, und in der aktuellen Situation auch nicht als selbstverständlich angesehen werden kann. Einzig im Bereich der integrativen Förderung ist noch ein Teil-pensum offen.
Müssen in den Schulen des Bezirks Einsiedeln Klassen zusammengelegt werden? Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir keine Klassen zusammenlegen mussten. Müssen Sie auf Personen zurückgreifen, die nicht adäquat ausgebildet worden sind, um alle Stellen besetzen zu können?
Es ist tatsächlich so, dass im sonderpädagogischen Bereich nicht alle Lehrpersonen eine adäquate Ausbildung haben. All diese Personen sind zwar ausgebildete Lehrpersonen, nicht alle sind jedoch im Besitz einer vollständigen Zusatzausbildung zur integrativen Förderung. Dies ist allerdings ein Aspekt, der schon vor der jetzigen Situation ein Thema war.
Wieso fällt es den Schulen so schwer, ausreichend Lehrer anstellen zu können? Der Personalmangel an Schulen ist definitiv kein neues Phänomen. Einfach ausgedrückt lässt sich festhalten, dass schon länger die Nachfrage das Angebot übersteigt.
Wie sieht es grundsätzlich beim Lehrernachwuchs aus?
Die pädagogischen Hochschulen verzeichnen grundsätzlich eine Zunahme von Studierenden über alle Zyklen hinweg. Das ist positiv und sagt auch aus, dass die Vielseitigkeit des Lehrerberufs durchaus auch wahrgenommen wird. Letztlich haben aber viele Faktoren zur jetzigen Situation beigetragen. Der Lehrermangel in der Schweiz ist unter anderem auch auf die vielen Pensionierungen zurückzuführen. Der Höhepunkt der Pensionierungswelle war laut Bundesamt für Statistik genau auf dieses Jahr terminiert. Für die freiwerdenden Stellen gibt es trotz der steigenden Ausbildungszahlen an den Pädagogischen Hochschulen zu wenig Bewerberinnen und Bewerber. Hinzu kommt, dass schweizweit die Zahl der Kinder parallel zum generellen Wachstum der Bevölkerung zunimmt, was die Situation natürlich nicht vereinfacht. Wie gehen Sie bei der Personalsuche vor?
Natürlich werden die Stellen auf den einschlägigen Jobportalen für Lehrpersonen publiziert. Wie dieses Jahr aber auch aufgezeigt hat, werden immer wieder auch neue Wege eingeschlagen, um Lehrpersonen zu erreichen.
Was wünschen Sie sich seitens des Kantons? Einen Wunschzettel an den Kanton zu richten, wäre in meinen Augen eine zu simple Betrachtungsweise. Dennoch stelle ich fest, dass trotz der schon langjährigen Kenntnis um die Situation an den Schulen kaum etwas dagegen unternommen worden ist. Gerade auch die pädagogischen Hochschulen haben in diesem Kontext sicherlich eine konkrete Aufgabe. Gemäss LCH (Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer) sind je nach Fachrichtung und Beobachtungszeitpunkt zwischen 5 bis 23 Prozent der Absolventinnen und Absolventen nicht als Lehrpersonen tätig. Das stimmt einerseits nachdenklich, verweist gleichzeitig aber auch auf ein gewisses Potenzial. Wo sollte man den Hebel ansetzen, um den Lehrermangel in den Griff zu bekommen? In den Berufsverbänden werden unter anderem Aspekte wie attraktive Lohnstrukturen, adäquate Klassengrössen sowie auch eine tiefere Lektionenverpflichtung diskutiert. Der pragmatische Ansatz, dass einfach alle Teilzeitlehrpersonen mehr arbeiten sollen, erachte ich nicht als zielführend. Viele dieser Personen arbeiten schon zum jetzigen Zeitpunkt so viel, es ihnen möglich ist. Auf Seiten der Schulen achten wir darauf, dass wir die jungen, neueintretenden Lehrpersonen auch möglichst gut begleiten können. Neben der Schulleitung werden die Personen auch von Mentoren begleitet, die bei persönlichen und arbeitsspezifischen Fragestellungen individuell und gezielt unterstützen. Diese Möglichkeit wird sehr geschätzt.
Wäre eine Lohnanpassung ein probates Mittel? Wie gesagt, kann dies ebenfalls eine Wirkung haben. Was beschäftigt Sie auch noch?
Das ist eine sehr offene Frage. Ganz grundsätzlich hoffe ich, dass das Thema des Lehrpersonenmangels auch auf der politischen Ebene wahr- und ernstgenommen wird. Die aktuelle Situation ist für alle Schulbeteiligten sehr herausfordernd. Auf kantonaler Ebene wurde nun eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich konzeptionell um das Thema kümmern und entsprechende Massnahmen erarbeiten soll. Ich schätze diesen Schritt sehr, und hoffe gleichzeitig, dass die Arbeit nun unmittelbar aufgenommen wird, denn Lösungen sind überfällig.
«Nicht alle Lehrer im sonderpädagogischen Bereich haben eine adäquate Ausbildung.» «Der Lehrermangel in der Schweiz ist auch auf die vielen Pensionierungen zurückzuführen.» «Trotz der Kenntnis um die Situation an den Schulen wurde kaum etwas dagegen unternommen.» «Ich hoffe, dass der Lehrermangel auch auf der politischen Ebene ernstgenommen wird.»
In den Lehrerberufsverbänden werden Aspekte wie attraktive Lohnstrukturen, adäquate Klassengrössen und eine tiefere Lektionenverpflichtung diskutiert.
Fotos: Magnus Leibundgut
Raffael Bosshard, Leiter Bildung und Kultur beim Bezirk Einsiedeln: «Die aktuelle Situation ist für alle Schulbeteiligten sehr herausfordernd.»