«Heute haben Frauen den Mut, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen»
Ilona Nydegger, Präsidentin des kantonalen Frauenbunds Schwyz, spricht über Gratwanderungen in politischen Themen, wie sich der Stellenwert der katholischen Ausprägung in der Gemeinschaft verändert hat und über die Schwierigkeit, neue Vorstandsmitglieder zu finden.
ERIKA UNTERNÄHRER
Sie sind Präsidentin des Kantonalen Frauenbunds. Seit wann üben Sie dieses Amt aus und was sind Ihre Aufgaben? Das Amt habe ich vor fünf Jahren übernommen. Zusammen mit den anderen Vorstandsfrauen fokussiere ich mich darauf, dass der kantonale Frauenbund als Verbindungsglied zwischen dem Dachverband und den Ortsvereinen agiert und so eine Vernetzung ermöglicht. Vor drei Jahren hat unser Verein damit begonnen, mit dem Frauennetz zusammenzuarbeiten. Eine Vernetzung mit den Land- und KMU-Frauen ist ebenfalls ein Vorhaben, das wir bald angehen möchten. Neben der Organisation von diversen Vernetzungsanlässen und kulturellen Ausflügen übernimmt der kantonale Frauenbund auch die Organisation und Durchführung von Tageskursen, in denen sich unsere Vereinsmitglieder, aber auch andere interessierte Frauen, weiterbilden können. Zum Beispiel bieten wir Kurse in Führungskompetenz, Vorstands- und Aktuarinnenarbeit an. Wenn sich der Frauenbund politisch engagiert hätte, wären Frauenrechte weiter fortgeschritten und es wären mehr Frauen im Schwyzer Kantonsrat. Was halten Sie von dieser Behauptung? Anders als der Dachverband, der übrigens auch in der Gleichstellungskommission des Bundes vertreten ist, ist unser Verein hier im Kanton politisch sehr zurückhaltend. Vor zwei Jahren gab es einen Fall, in dem wir uns für ein Anliegen eingesetzt und dadurch eine politische Position vertreten haben, obwohl wir als parteipolitisch unabhängiger Verein auftreten. Die neutrale Haltung des Frauenbundes ist einigen Frauen in den Ortsvereinen sehr wichtig, weshalb die damalige Positionierung Kritik bei einigen Mitgliedern ausgelöst hat. Insofern ist es schon möglich, dass mehr Frauen im Schwyzer Kantonsrat wären, wenn sich der kantonale Frauenbund politisch mehr engagiert hätte. Es ist definitiv ein Thema, über das wir immer wieder diskutieren und in dem wir herausfinden müssen, inwiefern man sich bei gewissen Themen überhaupt neutral respektive parteipolitisch unabhängig verhalten kann und dies als Verein noch will …
Hand aufs Herz: Was halten Sie von der Forderung, dass Care-Arbeit bezahlt werden sollte? Ich frage mich, wie das finanziert und organisiert werden sollte – aber abgesehen davon, finde ich die Forderung durchaus legitim. Viele Frauen tauschen ihren Job in der Wirtschaft gegen ihren Job zu Hause ein, um Care-Arbeit zu leisten. Würde die Care-Arbeit bezahlt werden, würde der Job wohl auch für Männer interessanter werden und nicht länger, wie es der weit verbreitete Gedanken noch ist, «Frauensache» bleiben. Welche Frau gehört heute dem Frauenbund an? In der Vergangenheit war der Pfarrer der Präses des Vereins. In seinem Interesse lag es, dass die Frauen mit ihren Familien in die Kirche kamen und ehrenamtlich Arbeiten für die Kirche ausführten. Für nichtkatholische Frauen war der Frauenbund tabu. Der Stellenwert der Religion ist heute nicht mehr der Gleiche. Eine viel bedeutendere Rolle spielt heute die Vernetzung: Frau-en, die von ausserhalb herziehen, treten dem Frauenbund bei, um Anschluss im Dorf zu finden. Auch befinden sich unter unseren Mitgliedern berufstätige Frauen, mit oder ohne Kind, ledig, geschieden oder verheiratet – unsere Mitglieder sind liberaler und vor allem selbstbestimmter geworden. Nach wie vor ist der Frauenbund aber christlich orientiert. Ist die Konfession heute noch ein Kriterium, das für die Mitgliedschaft eine Rolle spielt? Heute ist unser Verein für alle Frauen offen – Konfession und Nationalität spielen ebenso wenig eine Rolle wie der Zivilstand der Frau. Auch sind nicht alle unsere Mitglieder katholisch. Viele Ortsvereine und auch der kantonale Verband haben den Begriff «katholisch» inzwischen aus dem Namen gestrichen. Nach all den schlechten Nachrichten, die man von der katholischen Kirche hört, kann diese Bezeichnung zudem abschrecken. Wir setzen uns auch dafür ein, gegen das schlechte Bild der katholischen Kirche zu kämpfen. Wir vertreten die christlichen Werte und unterstützen als Frauengemeinschaft alle Frauen. Sie sagen «offen für alle Frau-en » – also auch für Transfrauen? Ich wüsste nicht, warum Transfrauen unserem Verein nicht beitreten sollen dürften. Die sexuelle Orientierung und Identität sollte meiner Meinung nach kein Hindernis darstellen. Die katholische Kirche ist gegen die Abtreibung: Wie steht Ihr Verein dieser Haltung gegenüber?
Wir als Kantonalverband nehmen hierzu keine Stellung. Der SKF macht zu diesem Thema Meinungsfindungsdokumente, in denen Pro und Kontra aufgeführt werden. Dies aber nicht, um die Frau dafür zu überzeugen, das Kind zu behalten oder nicht. Vielmehr sollen die Unterlagen dabei helfen, sich zu informieren, um seine eigene Meinung bilden zu können. Was halten Sie davon, dass das kirchliche Oberhaupt bis heute ausschliesslich männlich sein darf? Ist es nicht endlich Zeit für Pfarrerinnen, Bischöfinnen oder sogar eine Päpstin? Unbedingt müssen Frauen auch Pfarrerin, Bischöfin oder Päpstin werden dürfen. Katholisch heisst ja auch «weltumfassend» – und indem Frauen verboten wird, diese Ämter auszuüben, widerspricht sich die katholische Kirche total.
Gibt es im Frauenbund heute noch eine geistliche Begleitung?
Ja, aber nicht mehr in allen Vereinen. Es wird auch darüber diskutiert, ob die Begleitung statt «geistlich» eher «spirituell» genannt werden soll – auch da-rum, weil der Frauenbund ja of-fen ist für Frauen diverser Religionsgemeinschaften. Dennoch ist die geistliche oder spirituelle Begleitung bis heute christ-lich ausgerichtet. Die beratende Funktion übernimmt aber nicht mehr überall der Pfarrer, sondern durchaus auch Frauen. So wird dieses Amt in einigen Vereinen von einer Theologin oder eine Katechetin ausgeübt. Der kantonale Frauenbund hat-te zuletzt Mühe, neue Mitglieder zu finden. Hat sich das inzwischen geändert? Nein, leider nicht. Insbesondere schwierig ist es, neue Vorstandsmitglieder zu finden. Wir sind ständig auf der Suche.
Woran liegt das?
Neue Mitglieder für den Verein zu finden ist generell schwierig – dieses Problem hat nicht nur der kantonale Frauenbund, sondern haben auch diverse Ortsvereine. Ich denke, das liegt an der fehlenden Zeit und auch daran, dass die Frauen heute vermehrt berufstätig sind. In der Vergangenheit trat man einem Frauenverein bei, weil man so zum Beispiel die Gelegenheit bekam, einen Weiterbildungskurs zu besuchen. Heute aber können Frauen dies tun, ohne zu einem Verein zu gehören. Man hat den Mut, das Selbstbewusstsein und die Gelegenheit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein weiterer Grund, warum es schwierig ist, neue Mitglieder zu fin-den, ist auch der: Anders als im Musik- oder Turnverein geht man im Frauenverein keinem gemeinsamen Hobby nach – es wird nicht auf ein Konzert oder ein Kränzli geprobt. Die Teilnahme an Veranstaltungen ist freiwillig und unverbindlich. Was die fehlenden Kräfte im Vorstand betrifft, so hat dies sicher damit zu tun, dass diese Ämter mit viel Arbeit verbunden sind. Arbeit, die nur symbolisch bezahlt wird und in der Freizeit gemacht werden muss. Und auch wenn sich punkto Selbstsicherheit der Frau viel getan hat, höre ich noch immer den Satz: «Ich traue mir ein Amt im Vorstand nicht zu.» Dennoch nehmen Sie die zusätzliche Arbeit seit fünf Jahren auf sich. Warum? Als Präsidentin übernehme ich eine Vorbildfunktion und kann aktiv werden. Unser Team im Vorstand denkt nicht nur darüber nach, was man ändern müsste, sondern wir packen es auch an. Die Vorstandsarbeit braucht Zeit, doch ist das Amt auch für Mütter gut zu bewältigen. Dies, indem man sich mit seiner Familie organisiert und die Care-Arbeit aufteilt. Und auch wir im Vorstand helfen uns gegenseitig, die Aufgaben zu bewältigen und gut zu meis-tern. Fehler können passieren – wichtig ist, sich diese auch zu erlauben. Ein Amt zu übernehmen bedeutet nicht, alles immer perfekt machen zu müssen. Viel wichtiger ist es, den Mut zu haben, etwas Neues zu lernen und darauf zu vertrauen, dass man es packen wird – die Unterstützung dazu ist garantiert, man muss nur danach fragen.
Ilona Nydegger ist seit fünf Jahren Präsidentin des kantonalen Frauenbunds Schwyz. Foto: Erika Unternährer