«Der Klimawandel ist nicht an jedem Unwetter schuld»
Der Meteorologe Thomas Bucheli referierte in Einsiedeln über «Wetter, Unwetter oder Klimawandel – wie weiter?» In einer Podiumsdiskussion erörterten Ökonominnen, Wissenschaftlerinnen und Politiker, wie sich die Schweiz an den Klimawandel anpassen könnte.
Die Mitte Schwyz lud am Mittwochabend in das Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben in Einsiedeln zu einem Thema ein, das den Menschen offensichtlich unter den Nägeln brennt – rund 160 Leute haben die Veranstaltung besucht: Was ist mit dem Wetter los? Und was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun?
Hagelgewitter, Hochwasser, Hitzesommer: Die globale Erwärmung erklärt alles. Oder doch nicht? SRF-Meteorologe Thomas Bucheli stellte in seinen Betrachtungen klar: «Es ist nicht ganz so einfach. Gerne verkünden die Medien, dass der Klimawandel schuld sei an allem.» 30 Jahre lang Wetter messen – Norm-Perioden im Fokus Als ob das Klima das Wetter mache. «Dabei ist es gerade umgekehrt », betonte Bucheli: «Zuerst gibt es das Wetter. Und dieses darf – mit Verlaub – machen, was es will.» Das Klima komme erst nachher. Nach einer Zeitspanne von dreissig Jahren Wettermessung werde abgerechnet, werde Statistik gemacht. Im Fokus stünden Norm-Perioden: Eine erste Periode (1961-1990) sei kürzlich von einer zweiten Normperiode (1991-2020) abgelöst worden. Die Frage, welches Wetter «normal» sei, werde im Vergleich zu dieser Norm-Periode beantwortet.
Typische Klimagrössen sind Mittelwerte, Häufigkeiten, Rekorde des Wetters: Sie beschreiben die Vergangenheit und sagen nichts über die Zukunft aus. «Das aktuelle Wetter ist hier und jetzt – und hat sich um diese Statistik nicht zu kümmern», konstatierte Bucheli.
Fakt sei, dass die Sommer immer wärmer würden: Der Sommer im vergangenen Jahr, in dem Rekordwerte gemessen worden sind, war ein gutes Beispiel dafür. Davor zog allerdings ein sehr feuchter Sommer im Jahr 2021 über das Land. Und nun ist ein Winter ohne Schnee in die Geschichte eingegangen.
«Der Vollmond spielt keine Rolle beim Wetterwechsel» Tatsache sei überdies, dass die Sonne das Klima beeinflusse und dass das Wetter versuche, ein energetisches Ungleichgewicht irgendwo auf der Erde auszugleichen. Dass der Vollmond für einen Wechsel des Wetters sorgen würde, sei allerdings ein Mythos und könne leicht widerlegt werden.
Dann fragte Bucheli das Publikum ketzerisch: «Was spürt eine Ameise im Muotathal von all den globalen Prozessen in Sachen Wetter?» Wohl nicht wirklich viel. Hingegen sei an den Bauernregeln des Öftern durchaus etwas dran: Schliesslich würden diese Regeln jahrhundertelange Erfahrungen unserer Vorfahren mit dem Wetter widerspiegeln.
«Auf unserer Erde spielt das Wetter immer irgendwo verrückt », sagt der Meteorologe: «Das daraus abgeleitete Klima blieb über die vergangenen Jahrhunderte, Zehntausende oder gar Millionen von Jahren aber nirgendwo stabil.» Verantwortlich für Klimaschwankungen sind: Kontinentalverschiebung, Änderung der Sonneneinstrahlung, Vulkanausbrüche – und eine veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre. «Ohne natürlichen Treibhauseffekt wären wir alle nicht da» So bestehe die Luft unter anderem aus Kohlendioxid, Methan, Lachgas und Wasserdampf. Diese Gase hätten grosse Durchlässigkeit für das einfallende Sonnenlicht. Anderseits bilden sie eine wirksame Barriere für die austretende Wärmestrahlung. Diese Eigenschaft macht sie zu den so genannten Treibhausgasen. «Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt wäre es auf unserer Erde massiv kälter – wir wären alle nicht da», stellt Bucheli klar.
Kohlenstoff ist der wichtigste Rohstoff für die Existenz des Menschen. «Davon gab es genügend in unserer Atmosphäre – und zwar in Form von viel Kohlendioxid », weiss Bucheli: «Es war damals entsprechend heiss. Die ersten Mikroorganismen und späteren Pflanzen – das beginnende Leben auf unserer Erde – labten sich von diesem Gas.» Die Folgen: Es wird wärmer. Wärmer heisst mehr Energie. Heisst das auch mehr Unwetter, mehr Rekorde? «Natürlich », meint Bucheli: «Denn Wärme ist Doping für gewisse Arten von Wetter. Andere Extreme werden dafür seltener: Das Klima ändert sich.» Dieser Wandel bedeute Stress nicht nur für die Menschen, sondern für die gesamte Natur und Umwelt. Und da die Welt ohnehin nicht im Lot sei, verstärke der Wetterstress die Not. Entwicklung der Niederschläge lässt Fragen offen Bucheli spricht lieber von einer globalen Erwärmung statt vom Klimawandel: «Der Klimawandel ist nicht an jedem Unwetter schuld.» Währenddem der globale Anstieg der Temperatur gut verstanden sei, verhalte es sich bei den Niederschlägen anders: «Damit Regen fällt, braucht es mehrere Faktoren. Das Wetter ist sehr dynamisch.» Dementsprechend seien Klimaforscher uneins darüber, wie die Entwicklung der Niederschläge verlaufe und zu deuten sei.
An der anschliessenden Podiumsdiskussion, die von Claudia Hiestand moderiert wurde, sagte Ständerat Othmar Reichmuth, dass es an der Zeit sei, Verantwortung zu übernehmen, um den Klimawandel einzudämmen: Schliesslich seien in der Schweiz die dazu benötigten Mittel vorhanden.
Regierungsrat Sandro Patierno betonte, dass die Auswirkungen des Klimawandels nicht nur Risiken, sondern auch Chancen bergen – etwa für den Tourismus im Kanton Schwyz. Alleine oder zu zweit duschen?
Gianna Battaglia, BAFU Sektion Klimaanpassung, meinte, der Klimawandel liesse sich nicht mehr aus der Welt schaffen: Das Ziel müsse sein, sich dem Klimawandel auf verschiedene Art und Weise anzupassen.
Denise Fussen, Umweltmanagerin und Ökonomin, führte ins Feld, dass jeder seinen Teil dazu beitragen könne und müsse, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und damit den Treibhauseffekt, der eine globale Erwärmung verursacht, zu bekämpfen.
Zum Schluss der Veranstaltung fragte Claudia Hiestand die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion, was sie selber dazu beitragen würden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken: Bewusster leben, weniger Fleisch essen, den ÖV benutzen, auf Ferien im Ausland verzichten, regionale Produkte kaufen und Solaranlagen bauen, lauteten die Antworten. «Weniger Licht, Wasser und Strom verbrauchen», sagte Patierno: Allerdings werde er auch zukünftig nicht zu zweit duschen – auch wenn damit naturgemäss eine Menge Wasser und Energie gespart werden könnte.