«Ich bin einfach froh, dass ich hier bin»
Interview mit Doppel-Biathlon-Juniorinnen-Weltmeisterin Amy Baserga aus Einsiedeln
Zweimal Gold an zwei Tagen bei den Biathlon-Juniorenweltmeisterschaften im osttirolischen Obertilliach. Das hatte die Einsiedlerin Amy Baserga selbst nicht erwartet – wie sie im Interview zugibt. Ein Gläschen Champagner darfs auf jeden Fall sein – zur Feier des Tages.
WOLFGANG HOLZ
Frau Baserga, herzlichen Glückwunsch zu Ihren Erfolgen. Wie fühlen Sie sich mit zwei Goldmedaillen um den Hals? Es ist ein unglaubliches Gefühl. Ich bin absolut glücklich. Erwartet habe ich diesen Erfolg so aber nicht. Ich wollte einfach ein gutes Rennen laufen und zeigen, wofür ich den ganzen Sommer trainiert habe. Das ist mein Ziel gewesen. Erwartungen hatte ich wirklich keine gehabt. Man darf keine Erwartungen haben.
Warum?
Wer Erwartungen an den Tag legt, baut sich selbst zu viel Druck auf. Man darf sich einfach nicht zu sehr nur am Podestplatz orientieren, sondern die Leistung zeigen, die man abrufen kann. Hatten Sie mit dem Sieg gerechnet oder sind Sie völlig überrascht von Ihrer Leistung? Ich bin sicher megastolz auf meine Leistung und darauf, dass ich diese genau auf den heutigen Tag abrufen konnte. Am Tag X genau meine Leistung zeigen zu können, ist schon sehr schön und fast unvorstellbar. Haben Sie am Diestag mit dem Gewinn Ihrer ersten Goldmedaille bereits das nötige Selbstvertrauen getankt, um heute wieder gewinnen zu können? Ich bin heute sicher mit einer grossen Lockerheit an den Start gegangen und habe mich auf den Wettkampf gefreut. Ich habe gestern meine Medaille schon geholt, und es war schön zu erleben, was nun noch dazu kommen würde. Ich wollte einfach mein Rennen laufen und mein Ding durchziehen. Dass ich jetzt nochmals eine Goldmedaille gewinnen konnte, ist unglaublich. Ich hatte Spass beim Laufen, und das war das Wichtigste. Ich konnte den Wettbewerb geniessen. Wenn man die Bilder vom Rennen aus Osttirol im Fernsehen sieht, das schöne Wetter, muss es wirklich ein grosser Genuss gewesen sein, hier zu laufen … … auf jeden Fall. Wir sind jetzt schon seit einer Woche hier. Das Wetter ist wunderschön, und das gibt einem auch viel Energie zurück. Es ist zwar megaheiss zum Laufen, und man muss sich nach dem Rennen sehr gut regenerieren. Doch die Atmosphäre hier ist toll und der Schnee herrlich – es ist wirklich cool hier. Sie waren plötzlich so gut wie fehlerfrei im Schiessen. Wie kommts? Das kann ich mir jetzt auch nicht erklären, warum meine Schussleistung so gut gewesen ist. Ich habe mich sehr locker gefühlt beim Schiessen und das gemacht, was ich den ganzen Sommer trainiert habe. Ich habe richtig Freude gehabt beim Schiessen. Ich bin mit einem sehr guten Rhythmus durchs Rennen gekommen und habe mich auch gut eingeschossen. Ich habe mich sehr gut gefühlt. Man hatte beim Zuschauen den Eindruck, dass Sie heute so harmonisch unterwegs waren, kaum ausser Atem gerieten, Ihr Rennen wirkte wie aus einem Guss … … danke, ich habe mich auch so gefühlt. Was bedeutet diese Goldmedaille für Sie persönlich – nach der schwierigen Vorbereitung und dem tragischen Schicksal Ihres Freunds? Die Goldmedaillen bedeuten mir sehr viel. Am Dienstag war es sehr emotional für mich. Es war überwältigend für mich zu spüren, dass man sich nach so einer Belastung wieder zurückkämpfen kann. Es hat so viel Energie gebraucht, dass ich wieder da stehe, wo ich mich jetzt befinde. Es hat auch viel Zeit gebraucht, damit ich wieder einen Wettkampf laufen kann. Dass man sich dann nach so einem Schicksal eine Goldmedaille um den Hals hängen kann, ist wirklich unvorstellbar, und deshalb ist es für mich auch so emotional gewesen. Und dann habe ich heute nochmals eine Goldmedaille bekommen. Dafür braucht es so viel. Ohne meine Trainer und ohne meine Familie und Freunde wäre das alles sicher nicht möglich gewesen. Die Goldmedaille gehört deshalb nicht nur mir, sondern dem ganzen Team.
Sind diese zwei Goldmedaillen fast so eine Art Wiedergeburt für Sie? Nein, man fühlt sich nicht viel anders als sonst. Man hat für diesen Augenblick ja so hart trainiert. Es ist einfach megaschön, dass man dafür belohnt wird. Ich glaube, ich wäre mit jedem Platz an dieser WM zufrieden gewesen. Ich bin einfach froh, dass ich hier bin. Dass wir trotz Corona einen Wettkampf machen können. Was sind jetzt noch Ihre weiteren Ziele an der WM? Gehen Sie mit der Staffel am Samstag an den Start? Ja, sicher. Es ist schön, mit dem Team ein Rennen zu bestreiten. Wir trainieren ja den ganzen Sommer zusammen, da freut es mich, nun auch mit dem Team in der Staffel an den Start gehen zu können. Wir werden versuchen, einen super Wettkampf zu laufen. Man kann aber jetzt nicht sagen, dass wir Favoriten wären. In der Staffel kann immer alles passieren. Wir freuen uns auf alle Fälle. Das ist die Hauptsache. Gönnen Sie sich heute ein Gläschen Sekt oder wird erst nach der WM gefeiert? Wir haben jetzt zwei Tage Pause. Wir werden sicher anstossen, das haben wir auch am Dienstag schon gemacht. Wir sind ein super Team – darauf muss man anstossen. Das haben alle verdient. Nicht nur ich mit der Medaille. Wahrscheinlich wird es Champagner geben.
Der zweite Goldstreich von Amy Baserga am Mitwoch in der Verfolgung. Fotos: Björn Reichert/IBU
Die 20-jährige Einsiedlerin auf der Strecke in Obertilliach.
Über die Ziellinie: grosse Freude im Moment des Triumphs.