«Einmal verletzungsfrei durch die Saison kommen»
Urs Kryenbühl hat sich nach seiner emotionalen letzten Saison und dem direkten Aufstieg vom B-Kader in die Nationalmannschaft in den letzten vier Monaten gezielt auf den nächsten Winter vorbereitet.
KONRAD SCHULER
Vom letzten Winter sind den Skisportfans vor allem zwei Ereignisse im Kopf hängen geblieben. Am 28. Dezember 2019 fuhr Urs Kryenbühl in der Abfahrt von Bormio mit einer beherzten Fahrt auf den sensationellen zweiten Platz. Am 14. Januar 2020 stürzte er im Abfahrtstraining auf der Lauberhornpiste im Berner Oberland und zog sich einen Anriss des Syndesmosebands am rechten Sprunggelenk zu.
Emotionale Momente in Worten Zu Bormio führte er mit einigen Wochen Distanz selber aus: «Eine angriffige wie auch sehr saubere Fahrt katapultierte mich auf den unglaublichen zweiten Schlussrang. Wow! Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Anzeigetafel im Zielraum betrachtete. Perplex starrte ich in die tobende Zuschauermenge und wieder zurück auf die Anzeigetafel. Die Zeit schien stillzustehen. Nach einem intensiven Interviewmarathon, Ski- und Rennanzugkontrolle durfte ich dann auf das Podest steigen. Dies mit den momentan besten Abfahrern der Welt, namentlich Dominik Paris und Beat Feuz. Eindrücke, die mir für immer in Erinnerung bleiben werden.» Zum Geschehen am Lauberhorn meinte er: «Im ersten Training zur Abfahrt am Lauberhorn kam ich früh zu Fall. Wobei sich mein Fuss beim Aufprall in die Absperrzäune um 180 Grad drehte. Bei dieser nicht ganz natürlichen Bewegung kam mein Fuss leicht zu Schaden. Letztendlich war ich aber froh und dankbar, dass nichts Weiteres dabei passiert ist. Ich hatte Glück im Unglück! » Nach einer achtwöchigen Rennpause konnte Urs Kryenbühl dann in der letzten Abfahrt der Saison in Kvitfjell mit der Startnummer 2 auf die Piste und holte mit Rang 19 das drittbeste Ergebnis seiner Karriere.
Oft zu Hause trainiert
Bereits sind seit dem letzten Rennen wieder vier Monate vergangen, die auch bei den Spitzensportlern wegen der Corona-Pandemie ihre Spuren hinterliessen.
So trainierte Urs Kryenbühl mehrheitlich zu Hause. Praktisch täglich war er im eigenen Kraftkeller im Mehrzweckhaus Baumeli in Unteriberg anzutreffen, meist mit dem Trachslauer Cédric Ochsner, der dank seines 23. Rang in Kvitfjell ins B-Kader aufgestiegen ist.
«Ich habe nach dem Sturz auf der Lauberhornpiste schon relativ früh in der achtwöchigen Regenerationsphase eigentlich nur Schmerzen verspürt im Skischuh. Während des Trainings im Frühjahr und Sommer verspürte ich keine Schmerzen, alles ist nach Plan gelaufen», blickt Urs Kryenbühl zufrieden auf die letzten Monate zurück.
«Befinden im Skischuh abwarten» Eine Einschränkung fügt er aber postwendend an: «Es bleibt abzuwarten, wie es aussieht, sobald die Belastung im Skischuh kommt.» Er habe eigentlich nach der Saison keine Ferien oder Trainingsunterbrüche gehabt. «Ich war ja ein wenig erholt von der langen Wettkampfpause her», so die realistische Einschätzung des Unteriberger Spitzenathleten. Neben der harten Arbeit im Kraftkeller, während der es einen drei- bis vierwöchigen Kraftausdauerblock zu bestreiten galt, trainierte Urs Kryenbühl vor allem auf dem Rennvelo und dem Bike und ging öfters joggen.
«Ich beurteile diese Trainingsphase im April und Mai als gut gelungen. Es war schön, dass Cédric und ich oft zu zweit trainieren konnten», lobt er das gute Einvernehmen mit dem Trachslauer.
Ab Mai ging es dann etwa jede zweite Woche auf den Kerenzerberg, wo das Training ähnlich gelagert gewesen sei wie vorher und dazwischen zu Hause. «Die Muskelaufbauphase stand im Fokus in dieser Zeit vom Mai und Juni und bis heute », so Kryenbühl.
Letzte Woche stand dann eine Woche Bikeferien mit Partnerin Nadine Marty plus weiteren Bekannten im Vinschgau im Südtirol auf dem Programm. «Wir führten Spasstouren aus. Es galt den Kopf zu lüften. Für mich war es ein lockeres Training. Talwärtsfahren stand im Vordergrund», so Kryenbühls Fazit zu dieser Woche.
«Achte auf persönliche Fortschritte» Auf die Frage nach seinem konditionellen Formstand angesprochen, führte Urs Kryenbühl diese Woche aus: «Ich fühle mich gut. Vom Gefühl her bin ich fit. Das häufige Krafttraining hat sich positiv ausgewirkt. Ich konnte die Gewichte kontinuierlich erhöhen. Im Frühjahr gab es einen Test. Aber eigentlich habe ich keine Vergleiche mit Kollegen. So oder so achte ich vor allem auf persönliche Fortschritte. Ich bin gut unterwegs.» Bald erste Schneetrainings
Nach den vielen Wochen der harten Konditionsarbeit einerseits im Kraftkeller und anderseits auf dem Velo, dem Bike oder zu Fuss geht es nun Anfang August in Zermatt zum ersten Mal auf den Schnee. Geplant sind zehn Tage, von denen je nach Witterung und Voraussetzungen her etwa eine Woche Skitraining angesagt ist. Danach folgen abwechslungsweise etwa einwöchige Schneetrainings in Saas Fee oder Zermatt und einwöchige Trainings zu Hause. Etwa im Oktober ist ein Schneetraining auf der Diavolezza vorgesehen. «Es ist noch so vieles offen wegen der Corona-Pandemie», so der Spitzenathlet. Er hoffe, dass im August nähere Planungen bekannt gegeben werden.
Konkurrenz immens gross
Im Material- und Servicebereich bleibe bei ihm alles beim Alten. Sein Konditionstrainer ist Jürgen Loacker, sein Gruppentrainer auf dem Schnee Reto Nydegger. Willy Dettling amtet als Assistenztrainer der Speedgruppe. Manfred Gahr von Fischer-Ski wird im Servicebereich dafür sorgen, dass Urs Kryenbühl beste Voraussetzungen hat.
Kryenbühl weist im Gespräch auf die immense Konkurrenz hin, die in der Schweizer Mannschaft in den schnellen Disziplinen Tatsache ist. Auf den Skiern werde er vor allem mit Beat Feuz, Carlo Janka, Niels Hintermann, Mauro Caviezel und Marc Gisin trainieren können. Oft würden aber auch Ralph Weber, Stefan Rogentin und Cédric Ochsner dazustossen. Weitere sehr starke Fahrer wie Nils Mani, Lars Rösti, Gilles Roulin plus Riesenslalomfahrer wie Marco Odermatt sorgten für eine qualitativ wie quantitativ immens starke Konkurrenz, so Kryenbühls Einschätzung für die kommende Saison.
Ab November werde ihm dank dem Aufstieg in die Nationalmannschaft ein Audi quattro für ein Jahr lang zur Verfügung gestellt.
«In jedem Training Leistung zeigen» «Ich konzentriere mich in erster Linie auf die Abfahrt, in der ich dank dem 15. Rang in der Weltcupstartliste einen fixen Startplatz habe. Es gilt aber sowohl in der Abfahrt als auch im Super-G in jedem Training eine gute Leistung zu zeigen. Der Konkurrenzkampf ist teamintern sehr hart. Das Wichtigste für mich aber ist, mal verletzungsfrei durch einen ganzen Winter zu kommen», so Kryenbühls Aussichten.
Auf die vegane Ernährung angesprochen, führt er aus, dass er sich nach wie vor etwa zu 95 Prozent vegan ernähre und er sich dabei wohl fühle. Unterwegs in den Hotels sei es manchmal schwierig, da stelle er auf vegetarische Ernährung um. Da es mehrere Athleten gebe im Team, die sich vegetarisch ernähren, sei dies in verschiedenen Hotels dann einfacher.
«Es bleibt abzuwarten, wie es aussieht, sobald die Belastung im Skischuh kommt.»
Urs Kryenbühl ist durchaus auch ein Freund der leisen Töne, so wenn er beispielsweise mal nach Lust und Laune auf dem Schwyzerörgeli, auf der Ukulele oder auf der Gitarre spielt. Foto: Konrad Schuler