«Da hörte ich mitten im Wald dieses riesige Gewumsel …»
Fredi Trütsch ist kein Jäger. Aber dennoch brachte er von der diesjährigen Schwyzer Hochwildjagd eine der grössten Trophäen nach Hause.
VICTOR KÄLIN
Er ist zwar ein guter Erzähler und an der Stiftsschule unterrichtet er zudem als Lehrer: Doch die Geschichte, die Fredi Trütsch auftischt, hat nichts mit Jägerlatein zu tun. So unglaublich sie auch klingt. Als Treiber mit auf der Jagd
Angefangen hat alles mit der Einladung einer befreundeten Muotataler Jagdgruppe. Diese fragte ihn, ob er bei der Hochwildjagd als Treiber mithelfen wolle. Der EA-Smalltalker des Jahres 2018 ist zwar ein Tausendsassa, aber Jäger ist er doch nicht. «Aber viel draussen, in den Bergen und den Alpen », fügt der 59-jährige Einsiedler an. Und gut auf den Beinen. Gejagt wurde im Bödmerenwald, abseits geteerter Strassen und gekiester Wege. Er weiss, was es heisst, Treiber zu sein: mit allen Sinnen wach zu bleiben. Trütsch war schon öfters mit auf der Pirsch.
Die Muotataler sahen sich an diesem Tag Mitte September nach Hirschkühen und Hirschkälbern um. Stiere durften an diesem Datum keine geschossen werden. Sie standen unter Schutz. Die Königsdisziplin war gesperrt.
Achtung Karstlöcher!
Ausgestattet mit einer Leuchtjacke, einem Ortungshandy sowie einem langen Stab stapfte Trütsch durch den Wald, als er plötzlich «ein riesiges Gewumsel » hörte. Beim Nähertreten nahm er nicht nur Hunderte von Fliegen wahr, sondern auch den Verwesungsgeruch eines toten Tieres. Und dann stand er vor einem Hirsch, dem König der Wälder. Besser gesagt: Er kniete davor. Denn im Gestrüpp waren nur das imposante Geweih und der Kopf zu sehen. Der Rest steckte in einem der für das Muotatal typischen Karstlöcher, das dem Tier zum Verhängnis wurde: «Diese Löcher», weiss Trütsch, «sind manchmal mehrere Meter tief. Das Laufen im Wald ist heikel. Deshalb auch der lange Stab.» Erst einmal drin, konnte sich der Hirsch nicht mehr aus dem Loch befreien. «Wahrscheinlich ist er verdurstet», mutmasst Fredi Trütsch. «Als ich ihn fand, dürfte das vier bis sieben Tage zurückgelegen sein.» Es sei «ein Elend, so zu verenden», bedauert er. «Es war ein grosses, kräftiges Tier.» Und mit seinem Geweih auch ein imposantes: Es war ein 16-Ender! Von einem solchen Exemplar träumt jeder Jäger. Und Trütsch der Treiber hat ihn gefunden. Die Trophäe gehört dem Finder
Der herbeigerufene Wildhüter hat das Tier untersucht und bestätigt, dass nicht gewildert wurde. Der 16-Ender wurde als Fallwild registriert – als eines der grössten Exemplare der diesjährigen Schwyzer Hochwildjagd. Die Trophäe wurde dem Finder überlassen. «Ich scherzte mit den Jägern: Da man heute keine Stiere schiessen darf, muss man halt einen finden!» Keiner seiner Kollegen aus dem Muotatal hat eine so prächtige Trophäe zu Hause. Und ausgerechnet «ein Anfänger muss sie finden», schmunzelt Trütsch.
Doch vielleicht findet das Geweih doch noch zurück ins Tal. Sein Vorschlag, Geweih und Schädel zu Hause in der Stube aufzuhängen, stiess höchstens auf geteilte Freude. Und einen geeigneten Platz lässt sich auch nicht so einfach finden. So will Fredi Trütsch nicht ausschliessen, dass das Geweih dorthin zurückkehrt, woher es stammt.
Übrigens: Der Muotataler Jagdgruppe war an diesem Tag kein Glück beschieden. Es wurde weder eine Kuh noch ein Kalb geschossen. Dafür ein mehrendiger Stier gefilmt, wie er an der Jagdgruppe vorbeispazierte, als kenne er die Abschusstermine auswendig.
In einem Karstloch verendet. Das stolze Tier hatte nach Einschätzung von Fredi Trütsch keine Chance, sich zu befreien. Foto: zvg