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«Wer ein Talent hat, darf nicht hinter dem Ofen sitzen»

«Wer ein Talent hat, darf nicht  hinter dem Ofen sitzen» «Wer ein Talent hat, darf nicht  hinter dem Ofen sitzen»

Nach der Vernissage der Ausstellung «Theaterpionier aus Leidenschaft. Oskar Eberle (1902– 1956)» vorletzte Woche lädt der Fram-Club auf diesen Donnerstag, 11. Juli, um 20 Uhr, zu einer musikalisch-szenischen Lesung ins Museum Fram ein.

wkä. Das Motto des Abends stammt von Oskar Eberle, und er selbst ist der Aufforderung, die eigenen Begabungen auszuschöpfen, ein Leben lang nachgekommen. Nur hatte er nicht bloss ein Talent, sondern gleich mehrere davon. Das erschwerte seinen Alltag als Autor, Regisseur, Theaterwissenschaftler, Organisator, Anreger und Anreisser beträchtlich. Vielleicht hat das die Gesellschaft der Geist-lichen Spiele richtig erkannt, als sie 1934 plante, ihn im Jahr darauf «Das grosse Welttheater» inszenieren zu lassen.

Grosser Erfolg 1935

«Infolge seines ausgeprägten künstlerischen Willens» wäre Oskar Eberle in der Lage, «das Welttheater auf den Kopf zu stellen ». Diese Befürchtung wird an einer Sitzung der Organisationskommission im November 1934 protokolliert. Obwohl das Leitungsgremium der Auffassung ist, «dass die Erweiterung oder der Ausbau des Stückes nach der künstlerischen Seite kaum mehr grosse Schritte verträgt», wird Eberle zwei Monate später einstimmig zum neuen Regisseur für das Jahr 1935 gewählt. Er konnte die Verantwortlichen offenbar davon überzeugen, dass er das Welttheater nicht auf den Kopf stellen würde.

Nach Abschluss der Spielzeit muss Franz Kälin, der Präsident der Gesellschaft der Geistlichen Spiele, feststellen, dass der neue künstlerische Leiter das Welttheater «entgegen seinen anfänglichen Versicherungen» doch auf den Kopf gestellt habe, «aber im guten Sinne; denn die Presse hat ihm das glänzendste Zeugnis ausgestellt; das Welt-theater hat Herrn Eberle zu einem Regisseur von europäischem Format gemacht».

Affären und Übergriffe

In der musikalisch-szenischen Lesung mit Walter Sigi Arnold, Franziska Senn, Peter Hottinger und Tiziana Greco erhält das Publikum nicht nur einen Einblick in die künstlerische und wissenschaftliche Laufbahn Eberles, es erfährt auch, mit welchen charakterlichen Schwächen seine Umwelt und er selbst zu kämpfen hatten. Aussereheliche Affären strapazierten die Ehe mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Hedwig Eberle-Giger, Übergriffe belasteten die Zusammenarbeit mit Laienschauspielerinnen. Heidy Greco-Kaufmann, die den Querschnitt durch Leben und Werk Eberles konzipiert hat, stellt denn auch eine «emotionale Achterbahn» in Aussicht.

Die Luzerner Theaterwissenschaftlerin, die an der Universität Bern als Privatdozentin ein Forschungsprojekt zu Oskar Eberle leitete, konnte sich bei ihrer Arbeit nicht nur auf Dokumente stützen, die seit Jahrzehnten zugänglich sind, sondern auch auf den Nachlass, den ihr Eberles Söhne Ambros und Meinrad zur Verfügung gestellt hatten. Von grosser Bedeutung sind neben Briefen und Terminkalendern vor allem die Tagebücher, die Oskar Eberle über Jahrzehnte führte. Aus all die-sen Zeitzeugnissen wird in der Lesung ausgiebig zitiert. Ergänzt werden sie durch Fotos und Illustrationen.

Wer etwas über die Lebensumstände dieses Künstlers und Wissenschaftlers mit Einsiedler Wurzeln erfahren möchte, darf am nächsten Donnerstag also nicht hinter dem Ofen sitzen.

«Wer ein Talent hat, darf nicht hinter dem Ofen sitzen.» Donnerstag, 11. Juli, 20 Uhr, Museum Fram, Eisenbahnstrasse 19, Einsiedeln. Eintritt: 30 Franken, für Mitglieder des Fram-Clubs gratis.

Foto: zvg

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