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5 Minuten Himmel

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CYRIAC ON EM-TOUR

Lange nach dem Spiel sind wir im Tram Richtung Düsseldorf auf dem Nachhauseweg. Auch im Tram sind Engländer, die ihren Sieg ausgiebig mit Gesängen feiern und provozieren. «Switzerland is going home.» Emotionen fahren hoch, aber eine Glasscheibe trennt uns von den Engländern. Sie wären so nahe, das Halbfinale war so nahe. Es wollte leider nicht sein. Der Fussballgott bestraft den Englischen Chrüsimüsi- Fussball nicht. Doch beginnen wir von vorne. Mein Mobiltelefon lief bereits nach Abpfiff in Berlin mit dem Sieg gegen Italien heiss. Falls noch keine Euphorie in der Schweiz vorhanden war, spätestens da war sie nicht mehr zu bremsen. «Chöntsch mer ächt es Billet organisiere.» Ich hätte wohl Hunderte Tickets vertreiben können. Alles in allem konnten wir uns aber gut orchestrieren, die Einsiedler waren sehr präsent vor Ort.

Der Weg nach Düsseldorf im Zug war feuchtfröhlich, pünktlich waren wir am Austragungsort. Eine Kollegin nahm den Zug eine Stunde später, kämpfte mit Ausfällen, Verspätungen, überfüllten Zügen und Polizeieinsätzen. Resultat war eine Verspätung von rund 2,5 Stunden. Zeit, die wir wiederum sinnvoll nutzten und uns mal in der Stadt «einfesteten ». Der Vorabend gehörte klar den Schweizern, viele Engländer gab es nicht vor Ort. Der DJ unterstützte das festliche Treiben ebenso, liess zum Beispiel mit «Vogellisi» einen Schweizer Dauerbrenner in sein Set einfliessen. Förderlich für uns war das zwar im Nachhinein nicht, hatten doch einige einen Presslufthammer im Kopf vor dem Spiel.

Am Spieltag dann das gewohnte Bild. Tausende Schweizer auf einem Fleck. Bereit, Geschichte zu erleben. Die vier Kilometer bis zum Stadion ging’s zu Fuss. Für eine Videoaufnahme blieb ich von vorne bis hinten stehen. Über elf Minuten erstreckte sich der Fussweg der rund 10’000 Rot-Weissen, nur strahlende, glückliche Gesichter. Im Stadion trieben sie ihre Mannschaft lautstark voran. Immer glaubte man an ein Weiterkommen, aber trotzdem, die englische Mannschaft hat extrem viel Qualität, könnte jeden Moment zuschlagen. Die Erlösung dann in der 75. Spielminute. Embolo spitzelt eine Ndoye-Hereingabe ins Netz. Freudentaumel, Eskalation, fremde Menschen werden umarmt. Historisch. Doch das Glück hält sich nur fünf Minuten, bis Arsenals Saka mit einer Einzelaktion ausglich.

Bis zum Schluss bestand Hoffnung. War es mit einer Gross-chance in der 93. Oder einem Eckball ans Lattenkreuz kurz vor Ende der Verlängerung. Das Ausscheiden nach Penaltyschiessen tut weh. Nicht wegen dem Ausscheiden gegen England, sondern wegen dem Ausscheiden gegen ein historisch schlechtes England.

* Cyriac Schnyder (*1998) ist im In- und Ausland oft an Fussballspielen anzutreffen. Manchmal gar lieber an einem Amateur-spiel als bei den Profis. Der gelernte Chemielaborant ist oft mit der Kamera an den Spielen, um diese zu dokumentieren. Während der Euro reist er durch Deutschland und berichtet im EA exklusiv über seine Erlebnisse am Fussballgrossturnier.

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