«Bis der See aufgefüllt wäre, würde es theoretisch über 1000 Jahre dauern»
Die Verlandung des hinteren Teils des Sihlsees ist immer wieder Thema. Beat Stucki, Geschäftsleiter der Etzelwerk AG, gibt Auskunft über die Verlandung
Zwischen Februar und April gleicht der hintere Sihlsee jeweils einem Schlammbad. In trockenen Zeiten, wenn die Landschaft karg und vertrocknet ist, könnte man sogar denken, man sei auf dem Mond. Erst gegen den Stichtag hin, in Richtung 1. Juni, wird der See wieder ganz gefüllt und die gesamte Fläche liegt unter dem grossen blauen Wasser.
Man hört immer wieder kritische Stimmen, die sagen, dass der See verlande, wenn es so weitergehe und warum man denn da nichts unternehmen würde. Wir haben Beat Stucki, Geschäftsführer Etzelwerk AG (EWAG), gefragt. Er nimmt uns mit auf eine Zeitreise. Im Web-GIS oder unter map.geo.admin. ch kann man nämlich eine Karten-Zeitreise unternehmen. Und da wird klar, schon 1933, also vor der Stauung, war die entsprechende Fläche höher gelegen als der vordere Teil. Stucki erklärt: «Der südliche Teil des Sihlsees war noch nie speziell tief!» 96’000’000 Kubikmeter Wasser
Der See hat ein Volumen von 96 Millionen Kubikmeter Wasser. Das oberste mögliche Stauziel liegt bei 889.34 m ü.M. Auf der Karte von 1933 sieht man, dass die Fläche zum Teil nur gut zwei bis sieben Meter unter diesem Pegelstand liegt. Mit jedem Gewitter werden Kies, Schlamm und Schwemmholz und noch vieles mehr in den Sihlsee gespült. Es gibt rund um den Sihlsee diverse Stellen mit Geschiebesammlern. Hier bleibt das meiste Material hängen. Und an diesen Stellen nimmt die EWAG (mehrheitlich) jedes Jahr Material raus. Auf der Fläche selbst sei es praktisch nicht möglich, mit dem Bagger aufzufahren.
Mit seiner Arbeit sorgt das Etzelwerk dafür, dass der See nicht mit noch mehr Geschiebe gefüllt wird. Beim Geschiebesammler in Euthal werden zum Beispiel durchschnittlich 12’000 Kubikmeter Kies pro Jahr abgeführt. Stucki rechnet hoch: «Wir entnehmen rund 0,013 Prozent des Volumens aus dem Sihlsee. Selbst wenn wir nichts machen würden, würde es theoretisch über Tausend Jahre dauern, bis der See aufgefüllt sein würde.» Im vorderen Teil des Sihlsees ist die Verlandung weniger Thema, da der See da grundsätzlich tie-fer ist. Schwemmholz wird jeweils gegen Ende April oder direkt nach Unwettern entfernt. «Unsere Mitarbeiter füllten jeweils mehrere Mulden und im 2024 durften wir erstmals auf die Unterstützung der Freiwilligenarbeit des Fischereivereins zählen», erläutert Beat Stucki. Die im Rahmen der alljährlichen Putzete gesammelten Schwemmhölzer können künftig teilweise die in Euthal neu erstellten fixen Totholzhaufen ergänzen.
Volumenverlust sorgt für höhere Kosten
Die EWAG hat selber Interesse daran, möglichst wenig Volumen zu verlieren. Stucki rechnet vor: «Aus energiewirtschaftlicher Sicht macht es uns auch Sorgen, wenn wir Volumen verlieren! » Die Rechnung sei einfach. 1 Kubikmeter Wasser ergebe 1,1 kWh Strom und dieser Bahnstrom habe 13.5 Rappen Wert. Wenn nun die Seefläche jedes Jahr um mindestens die 12’000 Kubikmeter (abgeführte Menge) verringert wird, sind das 13’000 kWh, die jeweils im Winter fehlen würden.
Pro Jahr wird der See etwa 2.5 Mal umgesetzt und generiert so ungefähr 250 GWh Energie. Der See dient als Batterie. Die EWAG erzeugt dann Bahnstrom, wenn sie ihn braucht und das ist natürlich mehr im Herbst und im Winter. «Wir schauen, dass der See möglichst bis Anfang Februar voll bleibt. Nämlich dann, wenn die zugekaufte Energie teuer ist und wir so möglichst einen grossen Nutzen aus dem See ziehen können.» Kein lukratives Geschäft
So weit so gut. Es ist also klar, dass die EWAG sogar daran interessiert wäre, das Seevolumen eher zu vergrössern. Aber um welchen Preis? Das ist nämlich das Problem, erklärt Stucki: «Ausbaggern ist nicht günstig! Denn das Aushubmaterial muss auf eine Deponie gebracht werden und ist eigentlicher Sondermüll, denn Schlamm kann niemand brauchen. Pro Kubikmeter kostet die Entsorgung ungefähr 28 Franken. Kein lukratives Geschäft. Und deshalb rechnet es sich nicht, mehr als nötig rauszubaggern. Aber Stucki ist es wich-tig zu erwähnen: «Natürlich haben wir Interesse, das Volumen zu behalten, aber noch mehr rauszunehmen rechnet sich halt einfach nur, wenn das Material günstiger deponiert werden könnte, zum Beispiel bei notwendigen Auffüllungen im Gelände, wenn dies bewilligt werden würde.»