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Vom Schatten Wilhelm Tells ins Kloster Einsiedeln

Vom Schatten Wilhelm Tells  ins Kloster Einsiedeln Vom Schatten Wilhelm Tells  ins Kloster Einsiedeln

Der Einsiedler Mönch Bruder Gerold Zenoni ist in Altdorf aufgewachsen. Dort, wo die Tellspiele zu Hause sind, hat der Schweizer Held sein Leben geprägt. In einem kleinen Zimmer sind rund 10’000 Sammlerobjekte rund um Wilhelm Tell zu finden.

Gut versteckt in einem verlassenen Stockwerk des Klosters Einsiedeln ist ein helvetischer Schatz verborgen. Die Rede ist von einer schier unvorstellbaren Ansammlung von Büchern, Bildern, Werbung, Produkten, Kleidern und vielem mehr. Sie alle teilen sich zwei Gemeinsamkeiten: Wilhelm Tell und Bruder Gerold Zenoni. Letzterer ist in Altdorf, sozusagen im Schatten von Wilhelm Tell aufgewachsen und durfte, wie seine ganze Familie, bei den berühmten Tellspielen mitwirken. Dabei fiel ihm 1971 nichts weniger als die Rolle des Sohnes zu, Walter Tell, der mit dem Apfel auf dem Kopf. «Das war eine Traumrolle für einen Buben », erzählt Zenoni. Sein leiblicher Bruder Felice Zenoni war sogleich auch sein Bühnenbruder Wilhelm Tell.

Kein Wunder, hat Gerold Zenoni, der neun Jahre nach seinem Auftritt bei den Tellspielen, 1980, dem Kloster Einsiedeln beitrat, das Tell-Fieber gepackt. Er sammelte fortan schlicht alles, was mit der Schweizer Heldengeschichte zu tun hat. So fand er zum Beispiel eine schöne Aussage zur Verteidigung Tells von Gräfin Ida Hahn-Hahn: «Was einmal in der Sage lebt, lebt ewig. Es kommen wohl die Superklugen und beweisen, Homer habe nie gelebt, Osier nie, Wilhelm Tell nie. Wer glaubt ihnen? Sie sind ja da, wir hören ihre Lieder, wir kennen ihre Schicksale, ihre Taten, wir wis-sen von ihnen wie von guten Freunden. Dagegen kann die Superklugheit nichts ausrichten.» Von der Armbrust zum riesigen Gesslerhut Stöbern wir weiter in der Sammlung, die dicht gedrängt und teils schwer zugänglich in das kleine Zimmerlein gezwängt ist, findet man Souvenirs aus den USA, genauer gesagt aus Neuglarus oder Tell City, welche die Schweizer Saga fast genauso zelebrieren wie wir Schweizer selbst.

Selbstverständlich darf auch eine Armbrust nicht fehlen. Diese hat er von einer Freilichtaufführung auf dem Rütli vom Staatstheater in Weimar erhalten. Auch ein riesiger Gesslerhut stammt davon. Eine selbstgebastelte Tell-Kapelle, eine Sparbüchse, Feuerzeuge, Spielkarten und mehr. Eines seiner wertvollsten Sammlerstücke ist ein original Plakat der Tellspiele Altdorf von 1899.

«Ich weiss schon gar nicht mehr, was ich überhaupt alles habe. Die wichtigsten Sachen habe ich aber immer präsent», sagt Bruder Gerold Zenoni, dessen Sammlung rund 10’000 Objekte zählt.

Das Geheimnis der Schussszene Ein besonderes Highlight im Zusammenhang mit Wilhelm Tell ist für den Einsiedler Mönch ein Auftritt im Schweizer Fernsehen 1972 in der Samstagabendshow «Grüezi mitenand», präsentiert von Kurt Felix und Rosmarie Pfluger – damals schaute diese Sendung die ganze Deutschschweiz. «Wir führten in der Sendung die Apfelschussszene auf. Als ich am Montag in die Schule kam, war ich ein kleiner Star», erinnert sich der Mönch zurück.

Doch wie funktioniert eigentlich der Apfelschuss auf offener Bühne? «Diesen Trick verrate ich nicht. Das ist Berufsgeheimnis. » Er verrät einzig, dass sie in Altdorf den besseren Trick hatten, als im Schauspielhaus in Zürich, dort habe man den Walter mit dem Apfel beim Schuss versteckt. «In Altdorf haben wir das auf offener Szene gemacht.» Man nimmt ein Stück Vergangenheit mit Darf man als Klostermönch des Benediktinerordens überhaupt Sammler sein? «Die Regel des heiligen Benedikt ist weit gefasst und lässt viele Möglichkeiten offen», verrät Zenoni. «Wenn man dem Kloster beitritt, nimmt man immer ein Stück seiner Vergangenheit mit.» Das Kloster habe dies immer akzeptiert und ihm sogar ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Auf die Frage, warum er denn nicht ein grösseres oder zwei Zimmer erhielt, mein-te er nur lächelnd, dass er froh sei, eines zu haben, was, wenn dann jeder Mönch ein extra Zimmer erhielte.

Für Bruder Gerold Zenoni ist seine Sammlung ein schöner Ausgleich zum Klosterleben. Eine Ausstellung ist nicht geplant und es hat bisher nur wenige gegeben. So durfte Bruder Gerold mit seinen Tell-Objekten an der Ausstellung «Sammelsurium » im Chärnehus Einsiedeln teilnehmen. Stolz erzählt er, dass eine Ausstellung im Kloster vor Jahren Bundesrat Deiss besuchte und der Dalai Lama bei seinem Besuch in Einsiedeln mindestens hindurchlief, wie er mit einem Lächeln erzählt.

Vor Kurzem erhielt der Einsiedler Mönch Besuch seines Bruders Felice Zenoni, welcher im Auftrag des SRF eine Dokumentation über die Tellspiele dreht. Dort wird auch Einsiedeln mit Bruder Gerold Zenoni einen Auftritt erhalten. Ausgestrahlt wird der Film im Herbst dieses Jahres.


Bruder Gerold Zenoni zeigt ein Bild von den Tellspielen 1971, bei denen er die Rolle des Walter Tell spielte.

Hier wird seine Begeisterung für Wilhelm Tell sichtbar: Bruder Gerold Zenoni inmitten eines kleinen Klosterzimmers mit über 10’000 Sammlerstücken rund um den Schweizer Nationalheld. Fotos: Lukas Schumacher

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