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«Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass ein Verein eine Kita betreibt»

«Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass ein Verein eine Kita betreibt» «Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass ein Verein eine Kita betreibt»

Künftig sollen Chinderhus und Chinderhort von einer Aktiengesellschaft betrieben werden. «Mit der Aufteilung der Angebote auf zwei Trägerschaften können die Herausforderungen der letzten Jahre behoben werden», sagt Anne Nietlispach, Präsidentin des Vereins für Jugendund Familienberatung.

Wie wirkt sich das neue Kinderbetreuungsgesetz auf den Verein für Jugend- und Familienberatung (VJFB) aus? Am 1. Juni tritt im Kanton Schwyz das neue Kinderbetreuungsgesetz in Kraft. Damit findet eine Umstellung von der Objekt- zur Subjektfinanzierung statt: Die Eltern erhalten neu einen direkten Anspruch und stellen inskünftig selber das Gesuch auf Beiträge an die Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung. Der Verein für Jugend- und Familienberatung (VJFB) erhält keine Direktbeiträge des Bezirks mehr: Die Leistungsvereinbarung mit dem Bezirk Einsiedeln wird per 30. Juni im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben, womit eine Doppelfinanzierung vermieden wird. Die subventionierten Tarife bleiben bis zum 31. Juli bestehen und werden durch Auszahlung der Betreuungsgutscheine durch den Bezirk per 1. August abgelöst. Wie werden erwerbstätige Eltern künftig entlastet? Erwerbstätige Eltern mit tiefem bis mittlerem Einkommen, deren Kinder in einer Kita, in einer schulergänzenden Betreuung oder in einer Tagesfamilie betreut werden, erhalten im Kanton Schwyz neu eine finanzielle Unterstützung. Das sieht das neue Gesetz zur Kinderbetreuung vor, das am 1. Juni in Kraft tritt. Die Höhe des finanziellen Beitrags richtet sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern und wird pro Kind bezahlt. Ob die Eltern ihre Kinder in der eigenen Gemeinde oder ausserhalb betreuen lassen, spielt dabei keine Rolle. Kanton und Gemeinden teilen sich die Kosten für die finanzielle Unterstützung hälftig. In der Verordnung sind auch Qualitätsstandards festgehalten, welche die Betreuungseinrichtungen erfüllen müssen.

Welche Folgen hat das neue Kinderbetreuungsgesetz für die Schwyzer Gemeinden? Das Gesetz stärkt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und macht die Schwyzer Gemeinden damit zu attraktiveren Wohn- und Arbeitsorten. Zudem werden die Kinder im Sinne der Chancengleichheit und der Integration gefördert. Die Gemeinden sind vom Gesetz her verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Kinderbetreuungsangebot sicherzustellen. Für die Gemeinden bedeutet das Gesetz auch Mehraufwand: Einerseits finanzieller Art, da sie die Hälfte der Beiträge an die Eltern übernehmen, andererseits auch administrativer Art. Der Kanton Schwyz geht von jährlichen Kosten in der Höhe von 5,7 Millionen Franken aus. Aus welchen Gründen werden zukünftig Chinderhus und Chinderhort nicht mehr vom Verein betrieben? Es ist nicht mehr zeitgemäss, dass ein Verein eine Kindertagesstätte betreibt: Es ist schwierig geworden in diesen Zeiten, Freiwillige zu finden, die ehrenamtlich tätig sind. Der Vorstand des Vereins für Jugend- und Familienberatung hat die Weichen für die Zukunft gestellt und zur Sicherung der Betreuungs- und Arbeitsplätze beschlossen, die Angebote von Chinderhus und Chinderhort nicht mehr über den Verein zu betreiben, sondern in eine noch zu gründende Aktiengesellschaft zu übergeben. Die Angestellten vom Chinderhus und vom Chinderhort sowie die Mietverträge der Räumlichkeiten gehen an die neue Organisation über. Die Weiterführung der Angebote wird nahtlos erfolgen.

Mit welchem Eigenkapital star-tet die Aktiengesellschaft? Die Aktiengesellschaft startet mit einem Eigenkapital in der Höhe von 100’000 Franken. Die Aktiengesellschaft soll einen gemeinnützigen Zweck verfolgen: Allfällige Gewinne sollen in die Organisation investiert werden. Die Aktionärinnen und Aktionäre wählen die Mitglieder des Verwaltungsrats der AG. Es wird zukünftig keine neue Leistungsvereinbarung mit der AG geben: Die AG wird nicht vom Bezirk Einsiedeln unterstützt werden. Inwiefern sind der Verein für Jugend- und Familienberatung und die Aktiengesellschaft miteinander verbunden? Der Verein VJFB und die AG sind an sich zwei eigenständige und voneinander unabhängige Trägerschaften. Rein organisatorisch gibt es eine Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Aktiengesellschaft: Es ist vorgesehen, dass die AG die Buchhaltung des Vereins, insbesondere der Vermittlungsstelle für Tagesfamilien führt. Strukturell sind der Verein und die Aktiengesellschaft nicht miteinander verbunden. Wie wirkt sich der Wechsel auf die Mitarbeiterinnen, die Eltern, die Schüler und die Kinder aus? Mit der Aufteilung der Angebote auf zwei Trägerschaften können die Herausforderungen der letzten Jahre behoben werden. Die Arbeitsplätze sind für die Zukunft gesichert, und die Weiterführung der Angebote wird nahtlos erfolgen: Kinder, Schüler und Mitarbeiterinnen werden vom Wechsel wenig mitbekommen. Für die Eltern sind die Tarife bereits vorsorglich seit dem 1. Januar angepasst worden: Das führt mit sich, dass Eltern, die ein Haushaltseinkommen von über 153’215 Franken ha-ben, stärker zur Kasse gebeten werden. Erwerbstätige Eltern mit tiefem bis mittlerem Einkommen, deren Kinder in einer Kita, in einer schulergänzenden Betreuung oder in einer Tagesfamilie betreut werden, profitieren hingegen von den Betreuungsgutscheinen. Bestehende Plätze bleiben alle erhalten, und Reservationen ab August können weiterhin bei der lnstitutionsleitung getätigt werden. Welche Ziele verfolgt der Verein in der Zukunft? Die Angebote der Vermittlung Tagesfamilien werden neu Kerngeschäft des Vereins. Damit der Verein diese Änderungen vornehmen kann, sind Änderungen der Vereinsstatuten notwendig. Der Verein ändert den längst nicht mehr gültigen Namen zu neu «Verein Vermittlung Familienergänzende Kinderbetreuung ». Damit einher geht eine Änderung des Vereinszwecks: Neu ist der Vereinszweck die Vermittlung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie die Vermittlung und den Betrieb der Tagesfamilien in der Region Einsiedeln. Es gibt zudem eine Reduktion der Mindestanzahl an Vorstandsmitgliedern: Der Vorstand besteht neu aus einem Präsidenten und höchstens vier Beisitzern. Aus welchen Gründen wird der Mittagstisch im Klosterdorf ab dem kommenden Jahr vom Bezirk Einsiedeln übernommen? Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass die Schulen einen Mittagstisch betreiben. Bis an-hin hat der Verein den Mittagstisch in Einsiedeln betrieben – basierend auf einer Leistungsvereinbarung, die vorgesehen hat, dass qualifiziertes Personal zum Einsatz gekommen ist, das der Verein finanzieren musste. Zukünftig soll auch nichtqualifiziertes Personal berücksichtigt werden: Freiwillige für diesen Einsatz zu finden, dürfte nicht ganz einfach sein. Vierzig Franken für einen Mittagstisch mag auf den ersten Blick als hoher Betrag erscheinen: Allerdings ist in diesem Betrag auch eine zweieinhalbstündige Betreuungszeit miteingerechnet. Erwarten Sie in der Zukunft eine grössere Konkurrenz durch andere Betreiber von Kitas und Kinderhorten? Das ist bereits geschehen im Bezirk Einsiedeln: In Schwyzerbrugg ist eine Kita eröffnet worden. Im Klosterdorf erwarten wir kaum eine grössere Konkurrenz durch andere Betriebe. Einer allfälligen Konkurrenz schauen wir gelassen entgegen: Denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Ab dem neuen Schuljahr muss für jedes Kind eine Betreuung angeboten werden. Gilt das auch für Alpthal, Euthal und Egg? Das ist nicht ganz korrekt: Im Gesetz heisst es, dass ein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung stehen muss – mit Betonung auf bedarfsgerecht. Wenn nun zum Beispiel in Alpthal gar kein Bedarf bezüglich Kinderbetreuung besteht, muss auch kein Angebot geschaffen werden. Natürlich kann man auch eine Kindertagesstätte eröffnen, die von nur zwei Kindern besucht werden würde: Aber das wäre dann eine sehr teure Kita. Wer übernimmt die Gesuchsstelle, welche die Gesuche der Eltern in Bezug auf Kinderbetreuung behandelt? Das ist Sache der Gemeinden, die in der Regel mit einem Online- Tool arbeiten: Für eine ers-te Einschätzung, wie viel Betreuungsbeiträge einer Familie ungefähr zustehen, kann der Beitragsrechner als Berechnungshilfe dienen. Er ist aber nicht für die endgültige Abwicklung und Berechnung des familienergänzenden Kinderbetreuungsbeitrags vorgesehen. Er dient lediglich dazu, dass Erziehungsberechtigte bereits vor Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgesetzes am 1. Juni die ungefähre Höhe der monatlichen Betreuungsbeiträge abschätzen können.


Anne Nietlispach, Präsidentin des Vereins für Jugend- und Familienberatung: «Die Leistungsvereinbarung mit dem Bezirk Einsiedeln wird per 30. Juni im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben, womit eine Doppelfinanzierung vermieden wird.» Foto: zvg

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