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«Mir wäre es zu langweilig»

«Mir wäre es zu langweilig» «Mir wäre es zu langweilig»

Der nordische Kombinierer Pascal Müller vom Skiclub Einsiedeln schaut auf seine Saison zurück. Nach vier Jahren ist er der erste Schweizer, der wieder einmal Weltcuppunkte gewonnen hat.

«Ich habe sowohl im Skispringen als auch im Langlauf in der letzten Saison einen grossen Schritt nach vorne gemacht», sagt Pascal Müller, wenn er die Wettkampfzeit in diesem Winter Revue passieren lässt. Er hat nach vier Jahren, seit Tim Hug, wieder einmal als Schweizer Weltcuppunkte in der Nordischen Kombination geholt. Neu gab es in die-ser Saison für die Top-40 Weltcuppunkte. Bisher waren die ers-ten 30 weltcuppunkteberechtigt. Zweimal wurde er 37., im Februar im estnischen Otepää, im März im finnischen Lahti. Aber auch die Resultate im Continentalcup, wo er einmal Sechster und einmal Siebter wurde, lies-sen aufhorchen. «Diese Resultate am Ende der Saison zeigen, was ich aktuell wirklich kann, was für mich möglich ist.» Gut in die Saison gekommen

«Die Saison begann vor allem im läuferischen Bereich sehr gut. In Magglingen konnte ich hervorragende Trainingswerte vorweisen, lief bei Leistungstests über zwei Minuten länger auf dem Lauf-band als letztes Jahr.» Das zeigt auf, dass im letzten Sommer viel bei Müller passiert ist. Der weitere Verlauf der Saison war ein Auf und Ab, vor allem im Skispringen. «Ich war zu wenig konstant. Auf gute Sprünge folgten schlechte. Zudem war ich im Januar krank, das hat mich recht zurückgeworfen. » Nach dieser Phase ging es laut Müller im Skispringen steil bergauf. In Otepää klassierte er sich im Skispringen dreimal unter den besten 30, in Lahti folgte dann der absolute Höhepunkt für Müllers Karriere als Nordisch Kombinierer. «Nach dem Skispringen lag ich auf Rang 13, also mitten in der Weltelite. Das war voll geil.» Müllers Augen leuchten.

Es scheint, dass dieses Erlebnis Lust auf mehr, auf viel mehr gemacht hat. Leider konnte er die gute Ausgangslage in der Loipe nicht für ein absolutes Spitzenresultat nutzen. «Um von Beginn weg des Rennens mit der Weltspitze mitzulaufen, fehlen mir momentan noch die Körner.» Gerade im Ausdauerbereich hat der 22-Jährige im Vergleich zur internationalen Konkurrenz noch viel Luft nach oben. «Da zeigt sich halt, dass ich in der Vergangenheit keinen sauberen Aufbau gemacht habe.» Das rührt vor allem daher, dass Müller jahrelang als Einzelkämpfer unterwegs war. Ich habe, als ich mit 16 endgültig zur Kombination gewechselt habe, an-fangs immer Vollgas gegeben und bin daher ins Übertraining gelaufen.» Auch das hat sich bei Müller in letzter Zeit geändert. Swiss-Ski ist mit dem deutschen Verband eine Trainingsgemeinschaft eingegangen. Müller ist dort voll integriert, ist mit dem B-Team unterwegs, trainiert aber auch mit Olympiasiegern und Weltmeistern des Weltcupteams. «Wir sind wie eine grosse Familie, ich bin voll akzeptiert.» Mehr noch: «Ich glaube, ich tue dem deutschen Team mit meiner lockeren Art auch gut. Bin auf keinen Fall ‹nur der Schweizer› », lacht er. Müller schätzt diese Zusammenarbeit mit dem Weltklasseteam aus Deutschland sehr. «Das Schöne ist, dass es da keine Geheimnisse gibt, ich kann voll profitieren.» Trainiert wird Müller unter anderem vom ehemaligen Weltklasseathlet Eric Frenzel. Mit ihm steht Müller in regem Austausch.

Besseres Material zur Verfügung Die Gründe für seinen Aufschwung auf der Schanze sieht der Nordisch Kombinierer nicht zuletzt im Materialbereich. «Ich konnte in diesem Winter mit besseren Anzügen springen. Seit dem letzten Sommer springe ich zudem mit einer neuen Bindung, die die Deutschen, wir Schweizer aber nicht haben.» So konnten verschiedene Optimierungen vorgenommen werden. «Das Mate-rial ist in dieser Sportart matchentscheidend », weiss Müller. Zudem hat er sein Trainingsprogramm ausgeweitet. «In diesem Jahr sind rund 60 Stunden mehr Ausdauertraining dazugekommen. Das ist sehr viel mehr. Diese Steigerung werde ich wohl auf das nächste Jahr hin nicht mehr machen können, das ist praktisch unmöglich.» Doch dieses Ausdauertraining hatte auch Nachteile. «Im Sommer hatte ich auf der Schanze Mühe mit Springen. » Denn Ausdauertraining und schnellkräftiges Springen auf der Schanze widersprechen sich eigentlich: «Je mehr Ausdauer man trainiert, desto weniger spritzig ist man auf der Schanze.» Genau da sieht Pascal Müller die Faszination: «Zwei Sportarten zu verbinden, die total gegensätzlich sind, ist sehr spannend und abwechslungsreich.» Müller kam ursprünglich vom Skispringen, war aber von der Konstitution zu schwer für einen absoluten Spitzenspringer. Sich tagtäglich prioritär um die Nahrung zu kümmern, um ein optimales Körpergewicht fürs Skispringen auf die Waage zu bringen, das wollte und will er nicht. «Mir wäre ein Training nur fürs Langlaufen oder nur fürs Skispringen viel zu langweilig », lacht Müller. Ebenso entscheidend für Erfolg oder Misserfolg sei das Mentale, führt der «eingekaufte Glarner» (sagt Müller) aus. Sein Heimatort ist Wollerau, er wuchs aber in Oberurnen auf. «Es braucht viel Selbstvertrauen und Überzeugung, um erfolgreich zu sein.» Stimme dieses nicht, dann sei zum Beispiel die Position im Anlauf auf der Sprungschanze nur um Zentimeter anders als sonst. «Das bedeutet andere Kräfte, andere Hebel, weniger Weite. Das passiert im Skispringen so schnell und auch oft.» Auch deshalb sei zu erklären, warum an der Weltspitze immer wieder andere Athleten auf dem Podest stehen.

Hohe Ziele

Nun gilt es für Müller in der Zukunft, alle Details, die es für die Sportart Nordische Kombination braucht, zusammenzufügen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. «Ich möchte gerne an die Olympischen Spiele 2026. Laut Trainer Frenzel ein realistisches Ziel, wenn ich dranbleibe und mich stetig weiter verbessere. » In Milano/Cortina 2026 ist diese Sportart noch offiziell im Programm. Ob das in Zukunft auch noch der Fall sein wird, ist noch offen. Denn das Olympische Komitee will die Gleichberechtigung vorantreiben. Das heisst, auch die Frauen star-ten. Einen Weltcup für die Frau-en in der Nordischen Kombination gibt es schon seit 2020, ist im Aufbau. Für 2026 sieht Müller noch keinen Wettkampf der Frauen in Sicht, das muss sich aber für 2030 ändern, sonst ist für die Gründungssportart der Olympischen Spiele wohl schneller Schluss, als den Nordisch Kombinierern lieb ist. «Ich denke, die Gespräche diesbezüglich sind auf gutem Weg», sagt Müller.

Ihm gefällt, dass nun in der Schweiz, vor allem in Kandersteg, wieder mehr Effort in die Förderung des Nachwuchses gesteckt wird. «Ich freue mich, wenn wir wieder einmal ein Schweizer Team im Weltcup stellen können. » Bis dahin fühlt sich der momentan einzige Schweizer Weltcupathlet pudelwohl in der Familie der deutschen Nordisch Kombinierer.

Fotos: Archiv EA


In der Loipe verbesserte sich Müller ebenfalls.

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