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Schüsse auf Bewohner statt auf Einbrecher

Die ausserordentliche Staatsanwältin fordert wegen versuchter vorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren, der Verteidiger plädiert auf Freispruch für den Polizisten.

Der heute 32-jährige Schwyzer Polizist rückte in der Nacht auf den 3. November 2021 zu einem Wohnhaus an der Zeughausstrasse in Lachen aus. Aus der Nachbarschaft war der Polizei Lärm gemeldet worden, mit der Vermutung, dass eingebrochen werde. Zusammen mit einer Polizeikollegin und zwei -kollegen traf der beschuldigte Polizist am Ort ein und übernahm sofort die Führung des Polizeieinsatzes, bei dem um 23.17 Uhr vier Schüsse fielen.

Diese Schüsse wurden vom beschuldigten Polizisten abgefeuert. Nicht aber auf einen Einbrecher (einen solchen gab es nämlich gar nicht), sondern auf den damals 42-jährigen Bewohner der Wohnung. Von den vier in einer Distanz von rund vier Metern abgefeuerten Schüssen traf einer den Bauch des Bewohners, der dabei aber nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Dennoch musste er rund 60 Tage hospitalisiert werden.

Der Polizist schilderte am Donnerstag den Einsatz vor dem Strafgericht. Er habe am Haus keine Einbruchspuren vorgefunden, dann gegen die Türe der Dachwohnung gepoltert und gerufen: «Polizei, machen Sie die Türe auf.» Nichts geschah, bis der Polizist einen Mann in der Wohnung sah, der sich verhaltensauffällig bewegt habe. Dieser Mann sei dann zur Haustüre gegangen. Der Polizist war auf einer schmalen Treppe vor der Wohnungstüre, als er den Mann unter der Türe stehen sah.

Der Polizist habe direkt in vier Läufe einer Faustfeuerwaffe geschaut, die der Bewohner auf ihn gerichtet habe. Er habe dann zweimal laut gerufen: «Stopp. Polizei. Waffe weg, oder ich schiesse.» Als dieser nicht reagierte, habe er geschossen.

Anders erzählte es der angeschossene Bewohner. Er habe in der Wohnung Geräusche gehört und habe nachschauen wollen. Dabei habe er eine Pfefferpistole mit vier Kartuschen in die Hand genommen, die er auf den Boden gerichtet habe. Als er unter der Türe gestanden sei, habe er niemanden gesehen. Er habe dann einen Warnruf gehört und sodann auch den Schuss wahrgenommen, der ihn im Bauch verletzte. Sein Rechtsvertreter forderte vom beschuldigten Polizisten, der «aus Angst einfach drauflos geballert» und nach Schulbuch gehandelt habe, ohne selbst zu überlegen, eine Genugtuung von 25’000 Franken.

Die ausserordentliche Staatsanwältin aus dem Kanton Zürich, die den Fall im Auftrag der Schwyzer Untersuchungsbehörden untersucht hatte, forderte für den Polizisten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Es gebe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des Opfers zu zweifeln.

Hingegen habe sich der Polizist in seinen Aussagen bezüglich Warnrufe und Standort zum Teil widersprochen. Sie bezweifelte, dass die Pfefferpistole direkt auf den Polizisten gerichtet wurde. In einem solchen Fall hätte der Polizist laut Staatsanwältin sofort geschossen Für den Verteidiger, der einen Freispruch forderte, hatte der Polizist, der seither im Innendienst arbeitet, eindeutig und unzweifelhaft in echter Notwehr gehandelt und sich richtig, verhältnismässig und angebracht verhalten.

Das Strafgericht wird sein Urteil später mündlich eröffnen.

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