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«Solche Frauen besitzen bis heute eine grosse Strahlkraft»

«Solche Frauen besitzen bis heute  eine grosse Strahlkraft» «Solche Frauen besitzen bis heute  eine grosse Strahlkraft»

Die kürzlich verstorbene erste Schwyzer Regierungsrätin Margrit Weber-Röllin war eine Pionierin der kantonalen Frauenbewegung. Den Ausweg aus ihrer einsamen Position in der männlich dominierten Politik suchte sie in der Solidarität mit anderen Frauen.

Als Margrit Weber-Röllin 1980 in den Schwyzer Kantonsrat gewählt wird, ist sie nicht die ers-te Frau in der Schwyzer Politik. Schon neun Jahre zuvor hat Elisabeth Blunschy-Steiner (1922– 2015) als erste Schwyzerin die konservative Männer-Phalanx im Nationalrat durchbrochen und ist 1977 zur Nationalratspräsidentin gewählt worden. Typischerweise ist Blunschy Nationalrätin geworden, noch bevor sie in ihrem Heimatkanton für ein politisches Amt hätte kandidieren können, denn dort führte man das Stimm- und Wahlrecht für Frauen erst ein Jahr nach dem nationalen Entscheid ein.

Blunschy ist zweifellos ein wichtiges Vorbild für Margrit Weber- Röllin (1937–2024), die in einer Zuger Bauernfamilie aufgewachsen ist und nach der Ausbildung am Theresianum Ingenbohl als Lehrerin ins ausserschwyzerische Freienbach kommt. Noch bevor die Frauen in der Politik zugelassen sind, besucht sie dort heimlich Gemeindeversammlungen. Dank ihrer beruflichen Qualifikation engagiert sie sich im Schulrat und tritt 1972 der Christlichen Volkspartei CVP (heute Mitte-Partei) bei, die ihr das Sprungbrett für ihre Karriere bietet.

Rolle der CVP war «schizophren» Claudia Hiestand, freie Journalistin und verantwortliche Redaktorin des Buchs «Offägleit – Schwyzer Frauengeschichte(n)», bezeichnet die Rolle der damaligen CVP als «schizophren». Als Partei und Vertreterin der mächtigen katholischen Kirche sei sie konservativ gewesen, punkto Frauenförderung hingegen progressiv.

Als Weber-Röllin 1988 in den Regierungsrat gewählt wird, erhält sie von allen Kandidaten die wenigsten Stimmen. Das spiegelt sich auch in den Abstimmungszahlen der Gemeinden Freienbach und Wollerau. «Offenbar hatte man nicht gerade viel Vertrauen in die neue Regierungsrätin », meint Hiestand dazu. Das änderte sich jedoch bis zu den nächsten Wahlen von 1992, als Weber-Röllin in einer Kampfwahl zusammen mit Franz Marty (ebenfalls CVP) als einzige im ersten Wahlgang gewählt wird. Als sie 1996 abtritt, versucht die CVP mit Gerda Bachmann ihren Frauensitz im Regierungsrat zu sichern. Aber obwohl Bachmann im ersten Wahlgang das zweitbeste Resultat erzielt, schafft sie es nicht. Schuld daran ist eine anonyme Hetze, durch die sie diskreditiert wird – «männliche Machtspiele», so Hiestand. Dass Frauen nun zwar für politische Ämter zugelassen sind, sich dabei aber nicht den kleinsten Fauxpas leisten können, zeigt 1989 der skandalöse Rücktritt der ersten Bundesrätin Elisabeth Kopp (FDP).

Regierungsrätin – ein «Knochenjob» Elvira Jäger, langjährige SP-Kantonsrätin, erlebte Regierungsrätin Weber-Röllin im politischen Alltag. «Sie war eine zurückhaltende und seriöse Persönlichkeit und war immer sehr gut vorbereitet », beschreibt sie Weber-Röllin. Obwohl man bei der SP immer gesagt habe, die CVP-Frauen seien viel zu brav, hätten Frauen wie Elisabeth Blunschy und Margrit Weber-Röllin viel Mut bewiesen und seien Lichtgestalten für alle Frauen in der Politik gewesen.

«Ihr Amt als Regierungsrätin war ein Knochen-Job, und sie muss sehr viel gearbeitet ha-ben. Sie konnte sich auch keine Fehler leisten, denn sie war unter ständiger Beobachtung durch die ‹Mannsbilder›.» Erfolgreich in der Karriere, aber als Frau allein in einer Welt, die noch immer von Männern dominiert ist, hat Weber-Röllin keinen einfachen Stand. Auch spezifische Frauen-Anliegen haben in ihrer Amtszeit noch wenig Chancen und werden kaum ernst genommen. So erinnert sich die Journalistin Claudia Hiestand, wie an einer Frauensession 1996 die Schwyzer Frauen eine Resolution zur Gründung eines Gleichstellungsbüros eingereicht haben. Dieses Projekt sei schon Jahre zuvor eingebracht worden, doch die Regierung habe einfach nichts unternommen.

Der einzige Ausweg aus die-ser Position sind Solidarität und Vernetzung unter den Frauen. Neben ihrer politischen Karriere engagiert sich Weber-Röllin im Kantonalen Frauenbund und gründet zusammen mit ihrer Parteikollegin Hedy Jager die Gruppe «Aktuell 78», die Frauen für die Politik gewinnen will. 1998 wird offiziell die Gleichstellungskommission gegründet, und in den Jahren danach entsteht das Frauennetz Schwyz.

Frauen heute gefördert und gefordert Obwohl Ruth von Euw, Präsidentin der Schwyzer Gleichstellungskommission, die Politpionierin Margrit Weber-Röllin nicht persönlich gekannt hat, hält sie sie für ein wichtiges Vorbild: «Solche Frauen besitzen bis heute eine grosse Strahlkraft.» Sicher sei Weber-Röllins Beruf als Lehrerin ein wichtiger Faktor für ihre politische Karriere gewesen, meint sie. Dank ihrer Arbeit sei sie nicht wie viele Hausfrauen isoliert gewesen, sondern habe sich vernetzen können.

Heute sei es bestimmt einfacher für Frauen, Karriere zu machen, denn jetzt würde ihr Mitwirken in der Politik gefordert und gefördert, bestätigt von Euw. Andererseits brauche es für eine politische Karriere nach wie vor eine breite Unterstützung durch die Familie, die Partei und die Gesellschaft.

Foto: ETH-Bib.

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