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«Wir können den Krimi nicht wie im Fernsehen in 45 Minuten lösen»

«Wir können den Krimi nicht wie im Fernsehen in 45 Minuten lösen» «Wir können den Krimi nicht wie im Fernsehen in 45 Minuten lösen»

Nach 22 Jahren geht Polizeisprecher Florian Grossmann in Pension. Er war der erste Mediensprecher in der Schwyzer Polizeigeschichte.

Florian Grossmann, Sie sind der erste Schwyzer Polizeisprecher der Geschichte, nun gehen Sie in Pension. Was war Ihr krassester Fall?

Es hat manchen tragischen Fall gegeben, ich will aber aus Rücksicht auf die Betroffenen hier keinen Fall nennen. Sicher waren es Fälle mit Toten und wenn Kinder involviert waren?

Ja klar, die Tragik eines Ereignisses machte mir teilweise schon zu schaffen. Waren Sie einmal geschockt?

Bei gewissen Ereignissen war ich tatsächlich geschockt, sie haben mich sicher verändert. Polizistinnen und Polizisten sind ja auch nur Menschen. Wie haben Sie auf solche Ereignisse reagiert?

Wir haben das Debriefing, wo wir die Fälle intern besprechen, manchmal gab es auch professionelle Hilfe. Da ich in meinem privaten Umfeld nicht näher über die Fälle sprechen durfte, bin ich jeweils auf den Mythenweg gegangen. Der Weg auf den Mythen ist gesäumt von meinen Erinnerungen, die ich da verarbeitet und zurückgelassen habe. Würden Sie nochmals Mediensprecher werden wollen? Sicher, ich habe viele tolle Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei, und dank diesen tollen Menschen konnten wir auch gute Medienarbeit machen. Das war nun aber etwas viel PR. Sicher gab es auch Negatives, das man rückblickend hätte besser machen können? Ja, anfänglich war es so, dass es intern die Haltung gab, ich würde den Medien näherstehen als der Polizei. Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, um meinen Kollegen und Kolleginnen die Medienarbeit näherzubringen. Ein gutes Beispiel sind die Zeugenaufrufe, die wir ohne die Medien gar nicht verbreiten könnten. Heute ist es ein Schlüssel unseres Erfolgs, dass wir unsere Stärken und den spannenden Polizeiberuf über die Medienarbeit darstellen können. Was würden Sie heute anders machen? Mit Social Media harzte es anfänglich sehr – dann waren wir aber doch eines der ersten Zentralschweizer Korps auf Face-book. Dann die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, wo ein neuer Weg der Zusammenarbeit gefunden werden musste, der nun immer gleich ist – eine konzeptionelle Lösung also. Diese Lösung hat sich sehr gut bewährt. (Anmerkung der Redaktion: Der sogenannte Schwyzer Justizskandal wurde ausgelöst, weil die Polizei in einem Fall nicht schnell genug ermitteln konnte, da das Kantonsgericht Handydaten zurückgehalten hatte.) Welches war Ihrer Meinung nach der beste Polizeikommandant? Es waren während meiner Laufbahn neun Männer und eine Frau. Als Kommunikationschef pflegte ich mit einigen einen engen beruflichen Kontakt, ich kann und will hier keine Person hervorheben. Können Sie dies bei den Medien tun?

Es ist so, dass im Kanton Schwyz die Zeitungen auch für kleinere Vorkommnisse Interesse zeigen, woraus eine sehr enge Zusammenarbeit entstand. Mit der grössten Tageszeitung hatten wir den besten Kontakt (lacht). Mit dem «Boten der Urschweiz» hatten Sie also eine gute Zusammenarbeit?

Ja, das Vertrauen, das wir über 22 Jahre aufgebaut haben, hat vor allem bei schwierigen Ereignissen sehr geholfen.

Früher wurde jedes Töfflidelikt veröffentlicht. Ab wann wurde nicht mehr das ganze Protokoll der Ereignisse den Medien mitgeteilt?

Vor über 30 Jahren wurden so-gar Namen von Verunfallten veröffentlicht sowie Autokennzeichen. Heute geht das aus gesetzlichen Gründen nicht mehr. Die Kantonspolizei Schwyz kommuniziert auch nicht jeden «Hafechabis ». Wenn aber etwas sehr öffentlichkeitswirksam ist, wie ein grosser Brand, oder hohe Relevanz hat, dann informieren wir zusammen mit der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz. Wer entscheidet, was veröffentlicht wird?

Wir müssen beachten und ha-ben zudem eine interne Weisung, was kommuniziert werden darf: Es muss öffentlich sichtbar oder relevant sein. Auf Anfrage geben wir grundsätzlich – sofern die Strafprozessordnung es zulässt – den Medien über jeden Fall Auskunft, ausser ermittlungstaktische Gründe sprechen dagegen. Dabei sind immer die Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten. Anfänglich waren Sie der einzige Mediensprecher, nun gibt es ein ganzes Team. Wie haben Sie die Veränderungen erlebt? Es kamen die Onlinemedien und Social Media hinzu. Die Schnelllebigkeit von heute ist enorm, manchmal geht es dann auf Kosten der Qualität. Es wird dann etwas aufgeschaltet, was vielleicht nicht ganz sauber recherchiert wurde. Es gibt da einen Widerspruch zwischen dem Informationsbedürfnis und den Möglichkeiten, dazu eine Aussage machen zu können.

Was heisst das konkret?

Dass die Zeit für die Medien oft gar nicht mehr da ist, um abzuwarten, bis die offiziellen Kanäle informieren. Die Medien befriedigen den Druck aus der Bevölkerung, die wissen will, was passiert ist – das ist doch legitim? Das verstehe ich durchaus, aber wir können den Krimi nicht wie im Fernsehen in 45 Minuten lösen. Wir müssen mit unserer Information an die Medien die Verantwortung gegenüber den Betroffenen wahrnehmen und das Gesetz einhalten, zum Beispiel wenn ein Verfahren eröffnet wird und die Strafverfolgungsbehörden noch ermitteln. Wie viele Jahre waren Sie Polizeisprecher?

Ich habe 1980 bei der Kantonspolizei Schwyz die Polizeischule begonnen, habe die 13. Zentralschweizerische Polizeischule in Luzern absolviert und bin nun also mehr als 43 Jahre bei der Polizei, 22 Jahre davon als Polizeisprecher.

Wer war Ihr erster Kommandant?

Ernst Kaelin.

Was haben Sie vor der Polizei gemacht?

Ich habe eine kaufmännische Ausbildung in Schwyz absolviert.

Warum sind Sie Polizist geworden?

Es war ein Bubentraum. In der Schulzeit war ich Verkehrs-Patrouilleur und habe mit dem Täfelchen die anderen Kinder über die Strasse geleitet. Wie sind Sie innerhalb der Polizei zu den Medien gekommen? Nach der Polizeischule habe ich zuerst auf dem Posten Schwyz und in der Verkehrsabteilung gearbeitet und war dann von 1983 bis 1996 beim Kriminaltechnischen Dienst in Pfäffikon. Im Rahmen der Reorganisation der Polizei wurde ein vollamtlicher Aus- und Weiterbildner mit einem Teilpensum Öffentlichkeitsarbeit gesucht. 1996 stand dann im «Boten der Urschweiz »: «Ibächler wird Infochef.» Sie waren also der erste Medienchef der Polizei? Ja, das war aber erst 2002. 1996 wurde unter Karl Walker die Konzeptionierung der Rekrutierung und der Ausbildung aufgegleist. Dann sind die Ansprüche an die Medienarbeit stets gestiegen, und unter der Kommandantin Barbara Ludwig wurde 2002 eine Vollzeitstelle für die Information und Prävention geschaffen, auf die ich mich beworben habe. Sie gehen als der erste Mediensprecher der Schwyzer Polizei in die Geschichte ein. Ich habe die Stelle des Mediensprechers 22 Jahre lang mit Freude ausgeführt. Es wurde über die Jahre immer mehr Arbeit, und schliesslich hat das Kommando ab 2008 eine zweite Stelle für die Medienarbeit geschaffen. Über 43 Jahre Polizeiarbeit gehen nun zu Ende. Was folgt? Wenn ich das letzte Mal zum Polizeigebäude rausgehe, geht meine Karriere zu Ende. Die vergangenen Tage waren emotional, es geht nicht spurlos an mir vorbei. Dennoch freue ich mich auf viel Zeit mit meinen Liebsten. Ich habe bewusst meine Agenda leer gehalten. Was mir bleibt, sind viele tolle Menschen, die ich bei der Polizei kennengelernt habe und zu denen ich weiterhin Kontakt pflegen werde.

Foto: Andreas Seeholzer

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