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Eine passende Lektüre zum Jubiläum des Welttheaters im Schwyzer Heft Nummer 115
Vor 100 Jahren, am 15. August 1924, wurde auf dem Einsiedler Klosterplatz die erste von bisher 16 Spielperioden des Grossen Welttheaters von Calderón eröffnet.
Am kommenden 11. Juni steht die mit grosser Spannung erwartete Premiere der Jubiläumsperiode an. Der Vorstand der Einsiedler Welttheatergesellschaft hat die neue Produktion Lukas Bärfuss (Text) und Livio Andreina (Regie) anvertraut. Neben dem mutigen Blick nach vorn veranlasste er aber auch einen literarischen Rückblick auf die vergangenen 100 Jahre und beauftragte damit den Einsiedler Walter Kälin, der sein ganzes Berufsleben beim Schweizer Radio DRS verbrachte.
Walter Kälin ist weit mehr als ein pensionierter Radiomann. Er engagiert sich als Präsident der Stiftung Kulturerbe Einsiedeln und organisiert im Museum Fram regelmässig kulturelle Anlässe. Ausserdem ist er im positiven Sinn erblich schwer vorbelastet durch seinen Grossvater, den Präsidenten jenes Organisationskomitees, das die erste Spielperiode innerhalb von 8 Wochen auf die Beine gestellt hatte, und durch seine Mutter, die von 1960 bis 1970 alle weiblichen Hauptrollen gespielt hat. Chronologisch vorgegangen
Die Kulturkommission Kanton Schwyz hat die von Walter Kälin verfassten 100 Geschichten als Band 115 in die Reihe der Schwyzer Hefte aufgenommen und sie mit einem Vorwort von Landesstatthalter Michael Stähli rechtzeitig zum Jubiläum herausgegeben. Im Grossen und Ganzen geht Walter Kälin chronologisch vor. Die 100 Geschichten wollen ganz bewusst keine wissenschaftliche Arbeit sein, worin alle Zitate durch Anmerkungen dokumentiert sind. Walter Kälin ist ein äusserst unterhaltsamer Erzähler. Seine Geschichten sind thematische Schlaglichter. Wie ein Forscher steckt er Sonden in den 100-jährigen Boden des Einsiedler Welttheaters und kommt so zu verblüffenden Resultaten, die er oft mit Humor oder einem Augenzwinkern kommentiert. Und das Ganze ist süffig geschrieben, sodass die Lektüre zum köstlichen Vergnügen wird. Die einzelnen Geschichten sind sehr kurz und umfassen nur eine Seite oder höchstens zwei. Fast immer sind passende schwarz-weisse oder auch farbige Fotos in verschiedenen Formaten beigefügt. Allein schon dieses Bildmaterial dokumentiert die reiche und vielfältige Geschichte der Einsiedler Welttheatertradition.
Regisseure mit starken Charakteren Walter Kälin schreibt zum Beispiel von den verschiedensten Regisseuren und ihren starken Charakteren. Von Peter Erkelenz, mit dem sich Linus Birch-ler darum streitet, wer von beiden der «Erfinder» des geistlichen Spiels auf dem Klosterplatz sei.
Von Oskar Eberle, der mit seiner Vorliebe für grosse Massenszenen den Spielen von 1935 bis 1955 seinen Stempel aufdrückt. Von Erwin Kohlund, der Pater Roman Bannwart für die Rolle des Meisters gewinnen wollte. Vom ausgeschalteten Werner Düggelin und dem verpassten Neuanfang. Von Hans Gerd Kübel, dem einzigen Regisseur, dem man nach nur einer Spielzeit den Laufpass gab. Und Walter Kälin schreibt natürlich auch von den Regisseuren seit 1987, von Dieter Bitterli, Volker Hesse, Beat Fäh und vorausschauend von Livio Andreina.
Seine Geschichten handeln von den verschiedensten Textübertragungen des spanischen Originals (Eichendorff – Balthasar – Schneider – Kübel) und den Neuschöpfungen durch Thomas Hürlimann, Tim Krohn und Lukas Bärfuss. Auch die Musik zum geistlichen Spiel kommt zur Sprache. Sie stammt bis zur Spielperiode 1955 von einheimischen Klosterkomponisten, von 1960 bis 1970 von Heinrich Sutermeister und von 1981 bis 1992 von Pater Daniel Meier. So fügt sich ein kleines Mosaiksteinchen ans andere, bis sich am Ende der Lektüre vor dem Auge des Lesers in schönsten Farben das grosse Mosaik «100 Jahre Welttheater » präsentiert. Walter Kälin entpuppt sich als grossartiger Mosaikkünstler. Man kann es nur erahnen, welch grosse und arbeitsintensive Spurensuche im Welttheaterarchiv und nicht nur dort vorausgegangen sein muss, bis man wie Walter Kälin die trockenen Fakten in solch spannende Mosaikgeschichten for-men kann. Kaum ein geeigneterer Lesestoff, um sich in grosser Vorfreude auf die am kommenden 11. Juni beginnende neue Spielperiode vorzubereiten.
Das Schwyzer Heft Nr. 115 «100 Jahre Welttheater in 100 Geschichten » ist erhältlich in der Buchhandlung Benziger, im Spielbüro des Welttheaters und unter kulturfoerderung.afk@sz.ch