«Ich brauche Schnee und Ziele»
Ski: Sechs Wochen nach dem schweren Unfall schaut Wendy Holdener zuversichtlich in die Zukunft
Beim Training im italienischen Pozza di Fassa stürzte die Slalomspezialistin Wendy Holdener schwer. Die im Ski alpin anfänglich befürchtete Knieverletzung bewahrheitet sich nicht. Das Sprunggelenk wurde verdreht und brach. Auch das Syndemoseband, welches zwei Knochen verbindet, riss ab. Am Telefon stand die Unteribergerin Sportredaktor René Hensler Red und Antwort.
Was waren Ihre ersten Gedanken nach dem Sturz?
Mein erster Gedanke: Jetzt hat es mein Knie erwischt. Der linke Fuss hing immer noch im Netz und so spürte ich dort noch nichts. Aber ich fühlte definitiv, dass etwas nicht stimmte. Wie kamen Sie die Piste hinunter?
Nachdem ich mich aus dem Netz befreit hatte, zog ich beide Skier an und wollte losfahren. Da konnte ich aber schon nicht mehr auf meinen linken Fuss draufstehen. Somit fuhr, also besser, rutschte ich die Piste auf dem rechten Ski hinunter ins Zielgelände. Wie kam der Entscheid zustande, sofort in die Schweiz zurückzukehren?
Ski fahren war in den nächsten Tagen nicht mehr möglich – dies war mir sofort klar. Da machte es auch keinen Sinn mehr, in Pozza di Fassa zu bleiben. In Rücksprache mit meinem Arzt und meinem Physiotherapeuten fiel der Entscheid, sofort nach Hause zu fahren. In Zürich wurde bereits alles für eine genaue Untersuchung vorbereitet. Welche Gedanken machten Sie sich auf der Autofahrt nach Hause? Ich dachte darüber nach, wie das passieren konnte. Auch überlegte ich schon, was ich besser hätte machen können. Und auch Überlegungen über die weitere Planung der Saison machte ich mir. Immer kreiste auch die Frage in meinem Kopf: Wie lange dauert dieser Ausfall? Wie war die Gefühlslage nach der Diagnose, das Knie sei eigentlich bis auf kleinere Blessuren in Ordnung, aber das Sprunggelenk gebrochen? Zuerst war ich erleichtert, rechnete ich doch da mit dem Schlimmsten. Für mich war es auch eine Art Entlastung, dass es das Knie nicht so schwer erwischt hatte. Es hat schon kleine Blessuren aber gegenüber der Sprunggelenkverletzung können diese vernachlässigt werden und werden in dieser Schonzeit gut verheilen. So konnte ich diese Verletzung «akzeptieren». Glücklicherweise konnte ich am nächsten Tag bereits operiert werden. Ich hatte zwar das Gefühl, dass die Schwellung viel zu gross sei. Mein Arzt konnte mich da aber beruhigen. Diese sei nicht so gravierend, bei vergleichbaren Verletzungen habe er schon viel schlimmere gesehen.
Die Operation verlief erfolgreich. Nun sind Sie mitten in den acht Wochen des Nichtbelastens des linken Beines. Im Moment ist es ja die sechste Woche. Wie sieht es aus mit der aktuellen Prognose?
Ich darf das Bein schon belasten. Zur Heilung des Knochens ist eine Belastung von 10 bis 15 Kilo besser. Was ich nicht machen darf, ist das Gelenk bewegen. Das angenähte Syndesmoseband im Sprunggelenk darf ich einfach überhaupt nicht bewegen und belasten. Anfänglich zögerte ich sowieso, auf dem linken Bein aufzutreten. Ich überwand diese Blockade. Nach gut zwei Wochen hatte ich dies ziemlich gut im Griff und konnte dosiert auftreten. Ohne Nutzung des Beines verschwinden die Muskeln recht schnell. Wie viel Zeit werden Sie benötigen, die Muskeln wieder aufzubauen?
Weiterhin konnte ich alles oberhalb des linken Knies trainieren. Auch nutze ich ein elektronisches Gerät zur Stimulation der Muskeln im linken Oberschenkel. So kann ich dort die Muskeln «behalten ». Die Muskeln im linken Unterschenkel sind aber grösstenteils weg. Wenn der Gips weg ist und ich wieder meine ersten Schritte machen kann, beginnen dort die zielgerichteten Therapien. Mein Physiotherapeut meint, er brauche dann gut zwei Wochen, um die Muskeln wieder aufzubauen. Dann erhoffe ich mir, auch wieder auf Skiern stehen zu können. Ich hoffe auch, dass ich die eingesetzte Metallplatte in den Skischuhen nicht spüre. Ist das Ziel, im März wieder ins Renngeschehen einzugreifen, realistisch? Diesen Entscheid kann ich erst fällen, wenn ich wieder Ski fah-re. Ich selber brauche aber dieses Ziel. Das wird sich aber frühestens in einem Monat zeigen. Irgendwann muss ja die Metallplatte wieder raus. Wann wird das sein? Mein Arzt sagte, nach dem letzten Rennen. Und ja, ich will diese schon sobald als möglich wieder entfernen lassen. Wie sehen Ihre Tage im Moment aus?
Von Montag bis Freitag trainiere ich wie gehabt. Auch stehen Termine bei meinem Physiotherapeuten an. Diese Trainings und Termine nehme ich meistens im nationalen Sportzentrum in Magglingen wahr. Diese Woche standen zudem noch zwei Sponsorentermine an. Die Wochenenden verbringe ich jetzt zu Hause. Das geniesse ich sehr. Am vergangenen Wochenende brauchte ich einfach Schnee und ging ins Hoch-Ybrig. Im Jahr 2011 nahmen Sie erfolgreich mit Ihren Kolleginnen am Mäuderball teil. Wie sieht es mit Teilnahmen an Fasnachtsanlässen aus in diesem Jahr? Zeit hätten Sie ja … Zurzeit habe ich es nicht so mit der Fasnacht. Am vorletzten Wochenende liess ich es mir aber nicht nehmen und habe den Nachtumzug zum Jubiläum der Maschgraden Unteriberg besucht. Wer weiss, vielleicht gehe ich spontan an eine Fasnacht – es läuft ja jedes Wochenende etwas. Wann fällt der Entscheid, dass es wieder los geht mit Ski fahren? Wie schon erwähnt, wird ein Entscheid frühestens in einem Monat anstehen. Was wollten Sie noch sagen?
Ich danke allen, die mir auf irgendeine Art Wünsche zur schnellen Genesung gesandt haben. Insbesondere in der Region habe ich einen tollen Rückhalt. Ein grosses Dankeschön geht auch an meine Ärzte und Physiotherapeuten. Ein spezieller Dank geht an meine Pilateslehrerin La Briece. Ich will einfach allen danken, die mich in dieser Situation unterstützen.
Fotos: Instagram Wendy Holdener