Solarenergie vom Sihlsee: «Handeln statt reden!»
Gleich mit zwei Brücken-Projekten auf dem Sihlsee soll Sonnenenergie gewonnen werden. Der EA hat nachgefragt, wie es um die beiden schweizweit einzigartigen Vorhaben steht.
Die Solarenergie boomt, und die hohe Sonneneinstrahlung dank nebelfreiem Wetter macht die Region Einsiedeln besonders attraktiv für die Gewinnung von Solarstrom. Darum erstaunt es eigentlich nicht, dass in den vergangenen Jahren unabhängig voneinander zwei ambitionierte Brückenprojekte mit Photovoltaik- Anlagen für den Sihlsee entstanden sind. 2019 erstellte das Einsiedler Ingenieurbüro Edgar Kälin das Projekt für eine Photovoltaik- Anlage am Holzsteg über den Sihlsee. Die Idee entstand, weil nach einer Lösung für Fussgänger und Velofahrer gesucht wurde, die auf dem schmalen Willerzeller Viadukt neben dem Autoverkehr praktisch keinen Platz haben. Da eine Erweiterung des bestehenden Viadukts teuer und aufwendig wäre, sieht die Projektstudie einen eigenständigen Holzsteg mit 1260 Metern Länge vor, der fast parallel zum Viadukt verlaufen und ausschliesslich von Fussgängern und Velofahrern benutzt würde. Mit einer Aussichtsplattform in der Seemitte und der Anbindung zum Uferweg könnte er zu einer echten Touristenattraktion werden. Der unabhängige Steg hätte ausserdem den grossen Vorteil, dass bei Reparaturen am Strassenviadukt der Fussgänger- und Veloverkehr über den See nicht beeinträchtigt würden.
Und so «ganz nebenbei» würden die Sonnenkollektoren auf der Südseite der Brücke auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern Sonnenstrom produzieren mit einer geschätzten Jahresleistung von 450’000 kWh, was dem durchschnittlichen Strombedarf von rund 100 Haushalten entspricht. Zu allem hinzu passt das Projekt perfekt in das Entwicklungskonzept Sihlsee (EKS), das den Lebens- und Erholungsraum rund um den Sihlsee fördert. Doch obwohl seine Realisierung von niemandem in Zweifel gezogen wird, ist es seit einer Präsentation im Juli 2020 sehr still geworden um den Holzsteg über den Sihlsee.
Holzsteg auf «To-Do-Liste» Jürg Kalbermatten, Einsiedler Bezirksrat und Präsident der örtlichen Energiekommission, sieht das Projekt ohne Zweifel auf der «To-Do-Liste». Das entscheidende Element sei die Finanzierung des zirka 10,5 Millionen Franken teuren Unternehmens, das zusammen mit den Elektrizitätswerken Zürich (EKZ) lanciert wurde, und das nebst mehrheitlich privaten Mitteln auch mit öffentlichen Geldern gebaut würde.
Zum einen sei der Holzsteg durch die Corona-Pandemie gebremst worden, zum anderen habe der Bezirk momentan noch andere Bauprojekte auf der Prioritätenliste, wie zum Beispiel Überführung und Kreisel Grosser Herrgott oder der Neubau des Einsiedlerhofs. Ingenieur Edgar Kälin, der Autor des Projekts, kann über den Stand der Realisierung momentan nichts Verbindliches sagen. Man ver-handle jedoch mit verschiedenen Partnern, darunter die EKZ, und sei optimistisch. Auch das Etzelwerk, dem das Territorium gehört, hat bisher keine Einwände gegen den Brückenbau. «Preis des Solarstroms wird durch Politik bestimmt» Vom Prinzip her dasselbe, von den Bedingungen aber völlig verschieden, ist die geplante Ausrüstung des Steinbachviadukts mit Photovoltaik – eine Idee, die durch den Einsiedler GLP-Kantonsrat Rudolf Bopp vorangetrieben wird. Einerseits ist diese Brücke mit 440 Metern weniger als halb so lang wie der geplante Holzsteg bei Willerzell und würde daher auch weniger Solarstrom produzieren. Andererseits gehört der Viadukt dem Kanton, der nun auch in der Projektierung federführend ist. Eine Machbarkeitsstudie, die im vergangenen Jahr erstellt wurde, beurteilte das Projekt als durchaus realisierbar. Einwände wurden lediglich bezüglich der aufwendigen Montage der Solar-panels und ihres Gewichts und der Wirtschaftlichkeit des Ganzen erhoben.
Bezirksrat Jürg Kalbermatten hält das Bauprojekt für realistisch. Die Anbringung der Panels und das zusätzliche Gewicht sollte seiner Meinung nach kein grundsätzliches Hindernis darstellen. Die Beurteilung der Rentabilität ist für ihn eine Frage der Interpretation. «Der Preis des Solarstroms wird durch die Politik bestimmt», argumentiert er. Er erwarte, dass sich der Solarstrompreis eher zugunsten der Produzenten entwickle und das Vorhaben auf diese Weise sehr rasch rentabel werden könne. Mehr Information aus Schwyz erwünscht Bekannt ist einzig, dass die Regierung in Schwyz noch im ers-ten Quartal 2024 über den Fort-gang des Projekts entscheidet. In Einsiedeln habe man schon lange nichts mehr über den Stand der Dinge aus Schwyz gehört, meint Kalbermatten. Er sei sich zwar bewusst, dass viele Abklärungen durch die kantonalen Stellen erfolgen müssten, wäre aber durchaus empfänglich für etwas mehr Information – schliesslich würde das Ganze dann im Bezirk Einsiedeln umgesetzt.
Grundsätzlich schliesst sich Kalbermatten der Meinung an, dass beide Projekte einen starken «Leuchtturm-Effekt» hätten. «Die Versorgung mit sauberer Energie ist oberstes Ziel. Jeder Schritt in diese Richtung ist richtig – darum handeln, statt reden!» Laut Kalbermatten gibt es schweizweit bisher keine vergleichbaren Projekte von Solaranlagen auf einem See. Auch zur Deckung der Winterstromlücke würden die Anlagen einen wertvollen Beitrag liefern. Auch Ingenieur Edgar Kälin sieht neben dem wirtschaftlichen einen hohen ideellen Gewinn in den beiden Projekten. «Es wäre eine einzigartige Möglichkeit, Solarenergie zu gewinnen, ohne die Landschaft zu verschandeln», so Kälin.
Foto: Archiv EA