Saurers Werk und Wirken, freigelegt wie die Jahresringe eines Baumes
Die Monografie «Filme für den kreativen Widerstand» ist ein Buch, das über das Werk zum Menschen führt: zum Kosmos Karl Saurer.
So einfach Karl Saurer – mitunter am Stammtisch – erzählen konnte, so komplex und kontrastreich war sein filmischer Ausdruck. Nie begnügte er sich mit dem Offensichtlichen; er schaute dahinter, darüber und darunter. Und er schaute «unbestechlich und genau hin», wie Elena M. Fischli die Gäste der Buchvernissage in der «Cineboxx» wissen liess (EA 89/23). Karl Saurer habe Gebrauch gemacht von der Wahl, sich «kreativ und kritisch, unerschrocken und mutig einzusetzen, wenn es um Menschlichkeit, Gerechtigkeit, den Schutz von Lebensgrundlagen, den Erhalt von Kultur und wahrer Demokratie geht». Karl Saurer war ein Weltbürger. Ein Kosmos. Türöffner zu Werk und Person
Die enorme Spannbreite des Denkens und Schaffens Karl Saurers (1943–2020) hat Elena M. Fischli mit der von ihr herausgegebenen Monografie «Filme für den kreativen Wider-stand
nachgezeichnet. Sie tat dies in Zusammenarbeit mit zwölf Autorinnen und Autoren, die einen spannenden Zugang zu den wichtigsten Filmen Saurers geben. Es sind dies Thomas Pfister, Rolf Breiner, Eva Meienberg, Daniel Meienberg, Martin Koerber, Sam Parkins, Dominik Schuler, Verena Zimmermann, Sandro Fischli, Geri Krebs und Küde Meier. Die umfangreiche, persönlich geprägte Biographie stammt von Elena M. Fischli selbst, seit 1988 Lebenspartnerin Saurers und dessen ständige Mitarbeiterin.
Die Annäherung an Karl Saurer erfolgt dabei nicht linear, sondern in ungleichzeitiger Gleichzeitigkeit; das Buch präsentiert sich wie freigelegte Jahresringe eines Baumes. Ein Leben auf einen Blick. Dieses ebenso kunstvolle wie kurzweilige Buch erweist sich als unkomplizierter Türöffner zu Werk und Person Saurer. Und damit zu einer Welt, die man auch mit anderen, «besseren » Augen sehen kann. Wer sieht, kann entscheiden, sich einzusetzen, wie die Welt weiterhin aussehen soll. Eine Haltung, die Karl Saurer ein Leben lang geprägt und sein filmisches Schaffen beeinflusst hat. Bekannter und unbekannter Karl Saurer Aus der Lokalperspektive hat der Weltbürger Karl Saurer zwei Leben: ein bekanntes und ein unbekanntes. Das Bekannte setzt sich spätestens ab 1991 mit dem Dokumentarfilm «Holz schläike mid Ross» auch im hiesigen Bewusstsein fest; das Unbekannte lernt Einsiedeln eher retrospektivisch kennen, wie Mitte November in der Cineboxx mit der Uraufführung seines 1970/72 entstandenen Dokumentarfilmes «Ruhe» (siehe nebenstehende Filmographie).
Elena M. Fischlis Monografie ruft Karl Saurer in Erinnerung als Hochschul-Dozent, als Filmschaffender, Lehrer und Förderer, als Publizist und Seminarleiter. Fischli schöpft aus dem ihr anvertrauten Nachlass, filtert und kommentiert, ordnet und gewichtet. Das Buch beschert einen hohen Lesefluss und überrascht mit dem veröffentlichten Bilderfundus.
«Filme für den kreativen Widerstand » ist unterhaltsam und tiefgründig, regt zum Nachdenken an und stimmt nachdenklich. Allerdings auf Saurers eigene Art: unaufdringlich und undogmatisch, mitunter charmant und verspielt. Aber unbestechlich in seiner Aussage. Genau aus dieser Haltung heraus sprach Karl Saurer als offizieller Festredner der Einsiedler 1.-August-Feier im Jahr 2007: «Von den Indianern, welche die ausgewanderten Steinauer-Brüder aus Einsiedeln überleben liessen, können wir die Erkenntnis mitnehmen, dass wir alle nur Gäste auf dieser Erde sind, die so achtsam mit ihr umgehen sollten, dass andere nach uns auch wieder an fruchtbaren Ufern landen und leben können.» Fischlis Monografie ist einer Persönlichkeit gewidmet, die nie für das Vordergründige, das Laute und Schnelle zu haben war. Zugunsten der Tiefe und Nachhaltigkeit entzog sich Saurer dem Zeitgeist. Sein letztes Werk «Ahimsa» stammt aus dem Jahr 2012. Karl Saurer starb acht Jahre später.
«Filme für den kreativen Wider-stand – Zum Wirken Karl Saurers 1943–2020». Elena M. Fischli, Herausgeberin. Daimon Verlag.
Foto: Lukas Schumacher