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«Frech, wild und manchmal auch etwas verrückt sein»

«Frech, wild und manchmal auch etwas verrückt sein» «Frech, wild und manchmal auch etwas verrückt sein»

Livia Stampfli-Huber ist die neue Regisseurin des Stiftstheaters. Sie und ihre Schauspieler stecken mitten in den Proben fürs neue Stück, das im März aufgeführt wird.

Livia Stampfli-Huber ist in Einsiedeln geboren, aufgewachsen und lebt seit diesem Jahr mit ihren zwei Töchtern und ihrem Mann im Birchli. Zuvor lebte sie zehn Jahre in Zug, woher ihr Mann kommt. Nach abgeschlossenem Literaturstudium an der Schule für angewandte Linguistik Zürich mach-te sie ihren Master in Theaterpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz. Seit über zehn Jahren ist die 35-Jährige als freischaffende Theaterautorin tätig. Sie hatte in den vergangenen Jahren mehrere Theaterprojekte in unserer Region mit der Theatergruppe Chärnehus. Sie sind die neue Regisseurin des Stiftstheaters, herzliche Gratulation! Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe? Ich habe gehört, dass die Stelle – mein absoluter Traumjob – frei wird. Es ist für mich ein Traumjob, weil die Schülerinnen und Schüler mit viel Motivation und Engagement dabei sind, der Ort und die Infrastruktur sind ausserdem fantastisch. Es ist mir sehr wichtig, dass die lange Tradition des Stiftstheaters erhalten bleibt. Ich habe im Frühling 2023 meine Blindbewerbung eingereicht, bevor die Stelle überhaupt ausgeschrieben wurde. Ich durfte dann ein Bewerbungsgespräch mit dem Schulleiter Sebastian Lamm führen und Stiftskapellmeister Lukas Meister kam in eine von mir geleitete Probe der Theatergruppe Chärnehus und ich wurde dann eingestellt. Ich bin immer noch recht überwältigt, habe mir das sehr gewünscht, es ist einfach schön. Sie treten in grosse Fussstapfen. Ihr Vorgänger, Oscar Sales Bingisser, war über 20 Jahre lang Regisseur beim Stiftstheater. Wie treten Sie diese Herausforderung an? Ich freue mich extrem! Natürlich sind es grosse Fussstapfen. Aber ich habe es schon immer vorgezogen, meine eigenen Wege zu gehen und eigene Spuren zu hinterlassen. Ich war aber immer mit grosser Freude Zuschauerin der Theaterstücke unter der Regie von Oscar Sales Bingisser und habe seine Arbeit sehr geschätzt. Vom rest-lichen Stiftstheater-Team blieb nur Fredi Trütsch, Bühnenbau, erhalten. Maske und Kostüm formieren wir gerade neu – das ist eine zusätzliche Herausforderung!

Wann haben Sie Ihre Arbeit beim Stiftstheater aufgenommen und was haben Sie bisher schon alles gemacht? Schon im Frühsommer 2023 lernte ich einige der Schülerinnen und Schüler kennen, die beim Theater mitmachen wollten. Ich wollte von ihnen wis-sen, auf was sie Lust haben und wo ihre Interessen liegen. Dann habe ich mich auf die Suche nach einem Stück gemacht, das für alle passt. Schliesslich durfte ich die Inszenierung planen und mir überlegen, wohin ich mit dem Stück möchte.

Nach den Herbstferien haben wir gleich mit einer intensiven Projektwoche «Künste» gestartet. Da haben wir innerhalb einer Woche mit allen Zweitklässlern in Zusammenarbeit mit dem Welttheater-Regisseur Livio Andreina ein kleines Welttheater erschaffen. Es war toll, dass er sich für uns diese Zeit genom-men hat. Seither unterrichte ich meine Schülerinnen und Schüler im Kursfach «Theater» einmal pro Woche für 2,5 Stunden. Hier geht es nicht nur ums Stiftstheater. Ich möchte als Theaterpädagogin den Schülerinnen und Schülern auch das nötige Werkzeug fürs Leben mitgeben und ihre Auftrittskompetenz schulen. In der Berufswelt sowie im Zwischenmenschlichen wird ihnen der bewusste Umgang mit Mimik, Gestik und Stimme eine Hilfe sein. Sie konnten das Stück selber aussuchen. Können Sie schon verraten, was am Freitag, 15. März, Premiere feiern wird? Es ist eher ungewohnt für mich, kein eigenes Stück aufzuführen. Das wollte ich aber im ers-ten Jahr noch nicht machen. Ich hatte freie Hand und habe mir ein britisches Stück mit viel schwarzem Humor ausgesucht, die Schüler haben Spass am Text und «fühlen» den Humor sehr. Es heisst «Mr. Pilk’s Irrenhaus », ist von Ken Campbell und wir werden wie gewohnt fünf Aufführungen machen. Wie viele Darsteller haben Sie für das kommende Stück? 20 Spieler machen dieses Schuljahr mit. Das sind eher viele, aber ich sehe das als Herausforderung, bei der Inszenierung neue Wege zu gehen. Als Theaterpädagogin ist es mir wichtig, dass alle ihre Bühnenerfahrung machen dürfen und so such-te ich nach Wegen, alle Spieler auf der Bühne einzubinden, sodass auch die kleineren Sprechrollen auf ihre Kosten kommen. Die Schauspieler durften einen Wunsch bezüglich der Rollenverteilung angeben, aber ich habe schlussendlich die Rollen verteilt. Ich sage immer: Theater ist keine Demokratie, sondern eine Diktatur! Es braucht eine klare Leitung. Trotzdem ist es mir sehr wichtig, Ideen der Spieler einzubinden, das Stück soll ihr Stück werden. Gibt es Veränderungen unter Ihrer Leitung? Der grösste Unterschied zu der vorherigen Leitung unter Oscar Sales Bingisser ist vermutlich, dass auch die Erstklässler mitspielen dürfen. Es dürfen alle mitmachen, die möchten, es gibt kein Casting. Und da ich aus dem theaterpädagogischen Bereich komme, ist der pädagogische Aspekt des Kursfaches wahrscheinlich höher gewichtet. Meine Aufgabe ist es, jedem Spieler die Möglichkeit zum Erfolg auf der Bühne zu geben. Und natürlich möchte ich früher oder später eigene Stücke auf die Bühne brin-gen. Ich schreibe die Stücke den Spielern auf den Leib, das macht es authentisch. Eine aufwendige Arbeit, aber sie lohnt sich!

Ihr probt seit den Herbstferien. Wie lief es bisher? Aktuell proben wir einmal wöchentlich à 2,5 Stunden, zum Schluss dann zum Teil auch zweimal und es gibt noch zwei Probenwochenenden. Die Proben sind immer sehr intensiv, die Zeit ist auch immer viel zu schnell um. Alle Spielerinnen und Spieler sind sehr motiviert, ich empfinde es als grösstes Glück, mit Menschen arbeiten zu dürfen, die Lust haben auf das, was sie tun. Haben Sie aktuell noch weitere Verpflichtungen oder Projekte im Theaterbereich? An der Fachmittelschule Zug unterrichte ich seit fünf Jahren ebenfalls Theater, eigentlich analog dem Stiftstheater. Beide Kursleitungen ergeben zirka 40 Prozent, ansonsten schreibe ich Theaterstücke für den Drei Masken Verlag in München. Werden Sie dem Stiftstheater auch 20 Jahre treu bleiben? Das hoffe ich doch sehr! Mein Ziel ist es, ein Stammpublikum aufzubauen, was möglich ist, wenn man einen eigenen Stil hat. Ich möchte mit meinem Stil das Publikum packen. Wohin möchten Sie das Stiftstheater führen? Ich möchte es in die Moderne führen. Zwar bin ich ein grosser Fan der Guckkastenbühne, wie wir sie im Stift vorfinden, jedoch möchte ich diese klassische Bühnenform modern bespielen. Ich würde gerne aktuelle Themen mit den Schülerinnen und Schülern aufgreifen, sprachlich auf hohem Niveau bleiben, dabei aber frech, wild und manchmal auch etwas verrückt sein. Das wichtigste sind mir die Schülerinnen und Schüler mit ihren Geschichten. Die Zeit im Theater soll Teil ihrer Geschichte werden. Dabei denke ich an Max Frisch der sagte: «Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.»

Foto: Angela Suter

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