Veröffentlicht am

«An erster Stelle steht bei mir der Verstorbene»

«An erster Stelle steht bei  mir der Verstorbene» «An erster Stelle steht bei  mir der Verstorbene»

Mario Stucki trat in die Fussstapfen seines Vaters und übernahm dessen Bestattungsunternehmen. Er erzählt über seine Erfahrungen mit dem Tod anlässlich des Allerseelentages am Donnerstag.

Sie haben die Ausbildung zum Elektropraktiker gemacht. Wie wurden Sie doch noch Bestatter?

Das hat sich so ergeben. Schon mit 15 Jahren habe ich meinem Vater geholfen, aber dass ich Bestatter werde, war noch kein Thema. 2009 kam ich ins Bestattungsamt der Stadt Zürich und habe im Krematorium Nordheim gearbeitet. 2011 startete ich die zweijährige Zusatzausbildung zum Bestatter mit eidgenössischem Fachausweis. 2014 übernahm ich das Geschäft von meinem Vater Ewald. Was sind Ihre Hauptaufgaben als Bestatter während der Begleitung bei einem Todesfall? Die wichtigste Aufgabe ist dem verstorbenen Menschen eine ehrenvolle Bestattung und den Angehörigen einen würdevollen Abschied zu ermöglichen. Dazu gehört die Beratung und Vertretung der Hinterbliebenen sowie die Organisation rund um die Verabschiedung. Als Bestatter bin ich selbstverständlich das ganze Jahr, rund um die Uhr, im Dienst. Ich erstelle und drucke auch Leidzirkulare. Oft hilft es, wenn ich einfach zuhöre – und natürlich verschwiegen bin. Der Bestatter ist ein Handwerksberuf.

Hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahren verändert? Durch die Digitalisierung ist alles schneller geworden, man ist einfacher erreichbar. Vieles läuft online, das Telefonbuch wurde durch Internetsuchdienste ersetzt. Für Optionen, die bei der Arbeit unterstützen, bin ich offen. Zum Beispiel habe ich einen mobilen Personenlifter, bekannt aus der Pflege, umkonstruiert, der uns das Anheben und Einbetten von schwereren Personen mit Würde erleichtert.

Schminken Sie die Verstorbenen?

Höchst selten, aber diese Frage höre ich oft! So wird der Bestatter in Filmen dargestellt. Auf Wunsch machen wir das gerne. Ich finde es aber schöner, wenn eine Tochter ihre Mutter schminkt, sie kennt ihr Mami besser. Es kam auch schon die Coiffeuse des Vertrauens. Die Angehörigen dürfen bei unserer Arbeit helfen oder vieles selbst machen. Ich stehe beratend zur Seite.

In Ihrem Berufsalltag ist der Tod allgegenwärtig. Was bedeutet der Tod für Sie? Durch meinen Beruf lernte ich, das Leben zu geniessen. Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Jeder hat seine eigene Sanduhr und man weiss nicht, wann die Zeit abläuft. Was war bisher Ihr bewegendstes Erlebnis als Bestatter? Das kann ich nicht beantworten, da jeder Todesfall einzigartig ist. Bei einem Todesfall fühlen sich die Hinterbliebenen oft hilflos. Wer kann da behilflich sein? Ein Pfarrer oder Seelsorger kann im ersten Moment hilfreich sein. Auch ich unterstütze die Hinterbliebenen, berate die Angehörigen und kann ihnen vieles abnehmen. Einige sind gut vorbereitet, setzen sich zu Lebzeiten mit dem Tod auseinander, sprechen mit ihren Angehörigen darüber oder erstellen eine Bestattungsanordnung. Dabei bin ich gerne behilflich.

Auf Ihrer Homepage findet man die Informationen zu jemandem, der Masken aus Gips oder Bronze herstellt – was ist das? Das ist ein Abdruck des Gesichts, den man auch vor dem Tod machen kann. Daraus wird eine Toten- oder Lebendmaske erstellt. Diese Tradition geht zurück bis zu den alten Hochkulturen. Vor allem in Deutschland ist das verbreitet, zum Beispiel bei Firmen, dessen verstorbene Gründer damit geehrt werden. Ich habe das bisher noch nie vermittelt. Es ist vergleichbar mit Abdrücken der Babyfüsse, die man als Erinnerung macht. Kennen Sie sich auch bei Todesfällen in anderen Kulturen aus? Ja natürlich, ich durfte viele Bestattungsarten von anderen Religionen und Kulturen kennenlernen und kann dadurch bei Vermittlungen sehr nützlich sein. Jede Kultur hat ihre eigenen Traditionen, jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse und wann immer es geht, versucht ein Bestatter, diese zu ermöglichen.

Foto: Angela Suter

Mario Stucki

Jahrgang: 1984 Wohnort: Einsiedeln Beruf: Bestatter mit eidg. Fachausweis Hobbys: Musik, Sport

Share
LATEST NEWS