Veröffentlicht am

Dramatische Fahrt endet mit glimpflichem Ausgang vor Gericht

Das Bezirksgericht Höfe verurteilt einen 28-Jährigen im Zusammenhang mit einem Unfall im April 2021 in Zürich wegen Fahrerflucht und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten bedingt. Für den Lenker und die Insassen hätte es schlimmer enden können.

Und dann gingen Sie einfach weg?», war kürzlich vor dem Bezirksgericht Höfe nur eine der Fragen, die das Gerichtspräsidium dem Angeklagten fast verwundert über dessen unerklärliche Handlungen stellte. Das Gericht versuchte in diesem Strafprozess – es fand das abgekürzte Verfahren Anwendung – sichtlich, die Motive des damals 25-jährigen Schweizers zu verstehen.

Das verstehen wollten Anfang April 2021 wohl auch die Leserschaft von Zürcher Lokalmedien. Diese hatten damals gross über diesen aufsehenerregenden Unfall auf der Sihlstrasse in Zürichs Kreis 1 berichtet: «Range Rover kracht in Baugerüst – Lenker lässt Fahrzeug stehen » oder «Auto ist nach Unfall unter Baugerüst eingeklemmt», waren nur zwei der Schlagzeilen.

Niemand verblieb bei Unfallstelle Was war geschehen? Gemäss dem damaligen Bericht von «20 Minuten» hatten am frühen Sonntagmorgen, 4. April 2021, «Anwohner um etwa 2.30 Uhr der Einsatzzentrale der Stadtpolizei Zürich ein verunfalltes Auto gemeldet, das unter einem Baugerüst eingeklemmt war». Wie weiter berichtet wurde, fehlte zu diesem Zeitpunkt «von der Person, die mit dem Range Rover verunfallt war, allerdings jede Spur». Da man auch sonst keine Insassen am Unfallort antraf, war unklar, wie es zum spektakulären Unfall gekommen war – die Polizei erliess einen Zeugenaufruf. Sich mit einer Lüge gestellt

Der Unfallfahrer musste von der Polizei dann aber nicht ermittelt werden, er stellte sich auf dem Polizeiposten in Wiedikon selbst. Naja, nicht ganz: Er zeigte den Reisepass und eine Führerausweiskopie einer Drittperson sowie ein Schreiben dieser Person, in dem diese Person gestehen soll, der Lenker des Unfallautos gewesen zu sein. Dieses dreiste Vorgehen stiess beim Höfner Gericht auf grosse Kritik. Denn wie an der Verhandlung zu hören war, hatte sich der heutige Unternehmensberater bereits vor dem Unfall verschiedenste Delikte, darunter ein weiterer Betrugsversuch, zu Schulden kommen lassen.

Ein früheres Strafverfahren betraf einen Diebstahl in Wollerau – darum wurde der Prozess in den Höfen abgewickelt. Ferner erwähnte das Gerichtspräsidium versuchten Betrug sowie Urkundenfälschung im Zusammenhang mit einem letztlich gescheiterten Leasing-Vertrag für einen PS-starken Mercedes AMG.

«Wie kam es zu dieser Raserfahrt mit mindestens 96 Stundenkilometern und warum?», wollte das Gericht zum Unfall weiter wissen. Der Jungunternehmer erinnerte sich an die Raserei durchs nächtliche Zürich, die nach einer Geburtstagsfeier passiert war. Die Details zur Fahrt sind bemerkenswert. Angefangen damit, dass mit sechs Insassen – auf der Rückbank sass man zu viert – eine Person zu viel an Bord war, bis zu dem Zeitpunkt, als der Lenker sich durch das Entfernen von der Unfallstelle der Beurteilung der Fahrfähigkeit entzogen hatte.

Die Technik sei schuld gewesen «Als ich das letzte Mal auf den Tacho geschaut hatte, fuhren wir etwa mit 80 Kilometern pro Stunde. Nach einer starken Bremsung beschleunigte ich wieder hoch, doch plötzlich war der Sportmodus (dabei sprechen etwa die Lenkung und das Gaspedal direkter und somit sensibler an) aktiviert. Dies führte dann wohl zu diesem hohen Tempo», suchte der Unfallfahrer in der Technik nach einer Erklärung für seinen Tempoexzess in Zürichs Innenstadt. «Ein ganz dummer Moment»

«Ich wollte damit sicher niemanden beeindrucken», fügte der junge Mann hinzu. Dennoch blieb der Gerichtspräsident skeptisch und entgegnete, dass eine solche Geschwindigkeit auch mit dem Sportmodus «nicht einfach zufällig entsteht».

Auf hartnäckiges Nachfragen hin räumt der junge Mann ein: «Ich gebe Ihnen recht, das war gewiss ein ganz dummer Moment. » Nun war noch das Verlassen des Unfallorts zu ergründen: «Das war nicht so», konterte der Angeklagte. «Zuerst versicherte ich mich, dass es allen gut geht und niemand verletzt ist. Dann dirigierte ich den Verkehr um die Unfallstelle», bemühte er sich auch hier um eine Richtigstellung.

Das Gericht wollte nun wis-sen, warum er nicht die Polizei alarmierte. Dies sei für ihn keine Option gewesen, weil er sich in einem Schockzustand befunden habe, sagte der Angeklagte: «Ich war neben mir und habe einfach nicht daran gedacht.» Dann aber doch «zu dünn» war dem Gericht der Schock als Motiv für die fälschliche Beschuldigung eines Bekannten als Unfallfahrer auf der Wache.

Gericht zeigt sich kulant

Insgesamt zeigte sich das Höfner Bezirksgericht trotz gewisser Zweifel dann aber milde und verurteilte den Raser wie zuvor ausgehandelt im abgekürzten Verfahren sowie mit den Strafen analog der Anklageschrift. «Das Gericht war wohl noch nie so nah dran, eine Einigung auf ein abgekürztes Verfahren zugunsten eines ordentlichen Verfahrens zurückzuweisen», so der Gerichtsvorsitzende: «Aber ich hoffe sehr, dass Sie Ihre Fehler einsehen, sonst gibt es nächstes Mal eine unbedingte Gefängnisstrafe », gab das Gericht den Tarif bekannt.

Bedingte Strafen

Letztlich hielt das Gericht den Mehrfach-Verkehrssünder für schuldig wegen «qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln, des vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall, der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, der vorsätzlichen Missachtung von Beschränkungen oder Auflagen im Fahrzeugausweis sowie der Irreführung der Rechtspflege». Für diese Delikte wurde eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten sowie eine Geldstrafe von achtzig Tagessätzen zu 180 Franken (14’400 Franken) und eine Busse von 4700 Franken ausgesprochen.

Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe wurde bei einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben. Die Busse wird sofort fällig, dazu hat der Verurteilte die Verfahrenskosten von 12’663 Franken zu tragen. Der Schuldspruch hat auch Folgen für eine bereits im Dezember des Jahres 2020 vom Bezirksgericht Zürich ausgesprochene Geldstrafe im Umfang von 27’000 Franken. Für diese Strafe wurde die Probezeit um ein weiteres Jahr verlängert.

Share
LATEST NEWS