«Klimawandel wandelt den Wald»
Der Revierförster Simon Merz berichtet, wie der Borkenkäfer Fichten bedroht und wie sich die Eschenwelke ausbreitet
Der Borkenkäfer ist aktiv im Bezirk Einsiedeln: In den Wäldern rund um das Klosterdorf stieg der Käferholz-Anfall im letzten Jahr auf mehrere tausend Kubikmeter. Revierförster Simon Merz schildert, wie der Klimawandel den Wald verändert: «Stürme und Trockenheit sorgen für eine Schwächung der Bäume.»
Welches ist Ihr grösstes Sorgenkind?
Das Wetter. Dabei hat das Jahr gut angefangen: Im April und Mai hat es ausgiebig geregnet – für die Vegetation war dies ein Segen. Der Wald hat sich in einem satten Grün präsentiert. Doch dann kam der Juni: In diesem Monat hat die Bise wochenlang geblasen und den Boden vollends ausgetrocknet. Seither ist das Wetter konstant schön: Dementsprechend leiden die Bäume unter Trockenheit und Hitze. Wie ist der Zustand der Wälder im Revier Einsiedeln? Generell gut. Es gibt allerdings Hagelschäden aus dem Sommer des Jahres 2021, die jetzt noch im Sulzelwald in Richtung Gueteregg zu sehen sind. Sorgen bereitet die überhandnehmende Eschenwelke: Gegen den Pilz, der die Esche heimsucht, ist kein Kraut gewachsen. Man hofft, dass vereinzelt Bäume natürlicherweise eine Resistenz gegen die Eschenwelke bilden: Aber ob das ausreicht, dass diese Baumart überleben wird, weiss man noch nicht. Welche Folgen hat das Sterben der Baumart Esche in den Einsiedler Wäldern? In erster Linie entsteht ein Sicherheitsproblem daraus: Entlang von Strassen, Bahnlinien oder öffentlichen Wegen müssen Risikobäume entfernt werden. So haben wir im Birch-li, Rain und im Lukasrank grössere Fällaktionen durchgeführt. Weil die Eschenwelke auch das Wurzelwerk befällt, können kranke Bäume von heute auf morgen umstürzen und auf Wege fallen. Deswegen haben wir ein Auge auf befallene Eschen. Wie breitet sich der Borkenkäfer aus? Zum Glück war der Frühling feucht und kühl: Das behagt dem Borkenkäfer nicht sonderlich. Jetzt, bei dieser trocken-heissen Witterungsphase, blüht er aller-dings auf: Falls der Herbst auch noch schön ausfallen sollte, ist es gut möglich, dass der Käfer heuer in drei Generationen auftritt. In den letzten Jahren muss-ten Fällaktionen wegen des Borkenkäfers im ganzen Bezirk gemacht werden. Solche Bekämpfungen oder auch Sicherheitsholzereien des Borkenkäfers sind teuer, aufwendig und stellenweise auch gefährlich. Vereinzelt kommt auch der Helikopter zum Einsatz. Auf welche Art und Weise bekämpfen Sie den Borkenkäfer? Hauptsächlich mit dem Fällen und Entrinden der befallenen Bäume. Es gibt zwar Borkenkäfer-Fallen: Diese Methode dient jedoch weniger zur Bekämpfung, sondern vielmehr zur Überwachung. Tausende Kubikmeter wurden in den letzten Jahren gefällt, genutzt und an örtliche Sägereien verkauft. Die restlichen befallenen Bäume wurden käfergerecht aufgerüstet und im Wald liegen gelassen. Teilweise wurde auch gar nichts unternommen und die Bäume der Natur überlassen. Nimmt aufgrund der Zwangsnutzung auch der Schutzwald Schaden? Nein. Da noch nicht grossflächige Waldkomplexe gefällt werden mussten, ist der Schutzwald noch intakt. In Gebieten, in denen der Schutzwald vor Steinschlag schützen soll, kann jedoch schon eine kleinflächige Räumung zu Problemen führen. Solche Risikogebiete sind in Einsiedeln im Gebiet Chalch, Rämshalden und im Ruostel. Wie kann dieses Gefahrenrisiko vermindert werden? In den Waldungen mit Steinschlag- Gefahr werden bei der Fällung hohe Stöcke belassen. Und Baumstämme werden quer zum Hang gelegt, um die Steine aufzuhalten. Jungbäume werden wenige gepflanzt, wir setzen auf die Naturverjüngung. An Orten, an denen die Naturverjüngung nur erschwert aufkommt, wird punktuell eine Pflanzung mit hauptsächlich Fichten vorgenommen. Welche Folgen ergeben sich für den Wald aufgrund des Klimawandels?
Der Klimawandel wandelt den Wald – der Wald ist ganz allgemein im Wandel. Der Klimawandel führt zu einer steigenden Zahl an heftigeren Gewitterstürmen, die sehr lokal ausfallen können, und an Trockenphasen. Darunter leiden einige Baumarten. Die Baumarten-Zusammensetzung wird sich leicht verändern. Der Nadelholzanteil wird langfristig leicht abnehmen und durch einen höheren Laubholzanteil ersetzt. Auch ein milder Winter wie der letzte könnte Folgen haben: Die Bäume treiben viel zu früh aus, was nicht ideal ist, weil damit die ganze Vegetationsphase der Bäume durcheinandergerät und durch einen Spätfrost zusätzliche Schäden an den Bäumen entstehen. Kann man den Wald auf die Klimaveränderung vorbereiten? Das versuchen wir, indem wir möglichst viele Baumarten fördern. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Bäume sich eignen. Ein baumartenreicher Wald ist sicher von Vorteil. Die Region in Einsiedeln hat hauptsächlich feuchte Molassen- und Flyschböden: Dank diesen ist sie nicht ganz so stark von Trockenphasen betroffen wie andere Regionen. Wenn andernorts die Wälder hoffnungslos vertrocknen, können die Bäume rund um das Klosterdorf immer noch auf ein Reservoir an Feuchtigkeit im Boden zurückgreifen. Was der Klimawandel auch mit sich bringt, sind mildere Winter: Auch in Einsiedeln fallen die Winter milder aus als in früheren Zeiten. Und just dies ist für die Wälder kein gutes Zeichen, denn durch einen Spätfrost können Schäden an den Bäumen entstehen. Wie ist es um die Forstwirtschaft bestellt in diesen turbulenten Zeiten? Jahrelang hatten Waldeigentümer keine grosse Wahl: Wenn nicht zwingend Bäume genutzt werden mussten, wurde darauf verzichtet. Vermehrt wurde auch Holz im Wald liegen gelassen, namentlich Käferholz, da der Holzabsatz schwierig war und der Arbeitsaufwand mit dem Holzerlös nicht gedeckt werden konnte. Nun hat sich die Energiekrise zu einem «Game-Changer » entwickelt: Holz ist ein überaus wertvoller Rohstoff und hat im Energiebereich an Bedeutung gewonnen. In diesem Bereich ist auch der Preisanstieg am deutlichsten. Allgemein kann man sagen: Der Absatz von Rundholz läuft gut, der Preis hat jedoch noch Luft nach oben. Aus welchem Grund sind 72 Solitärbäume rund um Einsiedeln gepflanzt worden? Der Fonds Landschaft Schweiz (FLS) finanziert Massnahmen zur Erhaltung naturnaher Kulturlandschaften. Zusammen mit dem Schwyzer Amt für Wald und Natur hat er diese Pflanzaktion finanziert: Gepflanzt worden sind Bergahorn, Linde, Buche, Kirschbaum, Nussbaum, Lärche, Weisstanne und die Eiche. Die Solitärbäume stehen einzeln auf Alpweiden: Sie bereichern einerseits die Landschaft und spenden andererseits Nutztieren Schatten. Auch ökologisch ha-ben diese Solitärbäume einen grossen Wert. Vereinzelt stehen sie an Orten, wo früher bereits ein Baum gewachsen ist. Macht Ihnen der Wolf, der seit Jahren im Bezirk Einsiedeln umherzieht, Angst? Nein, solange er nicht ein ganzes Rudel mit sich bringen mag (lacht). Ich habe den Wolf noch nie zu Gesicht bekommen, er mich hingegen wahrscheinlich schon. Ich spüre, dass der Wolf da ist, und erkenne seine Spuren im Wald. Angst vor dem Wolf braucht man nicht zu haben: Der Wolf ist ein scheues Wesen, das dem Menschen lieber aus dem Weg geht. Gefährlicher für die Menschen als der Wolf sind Zecken: Sie profitieren von der Klimaerwärmung, weil sich ihr Lebensraum vergrössert: Unterdessen breiten sich Zecken auch oberhalb von 1500 Metern über Meer aus. Längst sind die Zecken auch in Einsiedeln angekommen und haben mich schon oft gestochen. Ich bin zwar gegen FSME geimpft, aber gegen die Borreliose gibt es keine Impfung. Zum Glück habe ich die Borreliose-Erkrankung einigermassen glimpflich überstanden.