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Nur «die Besten und Witzigsten» werden Vermittler

Nur «die Besten und Witzigsten» werden Vermittler Nur «die Besten und Witzigsten» werden Vermittler

Die Pflicht, bei anbahnendem Streit friedbietend einzugreifen, hat ihren Ursprung bereits im Bundesbrief aus dem Jahr 1291

Wenn zwei sich streiten, droht häufig ein emotional und finanziell aufwendiges Gerichtsverfahren. Dies zu verhindern, versuchen die Friedensrichter – im Kanton Schwyz Vermittler genannt. Diese sind seit genau zwanzig Jahren in einer Vereinigung zusammengeschlossen.

Streit zwischen zerstrittenen Parteien zu schlichten, hat in der Eidgenossenschaft und auch im Kanton Schwyz eine lange Tradition. Bereits der Bundesbrief aus dem Jahr 1291 hält fest: Die angesehensten und weisesten Männer sollten Zwietracht unter den Verbündeten in ihnen gut scheinender Weise zu schlichten versuchen. Der ewige Bund der drei Waldstätte vom 9. Dezember 1315 in Brunnen wiederholt die Bestimmung zur Schlichtung von Streitigkeiten durch «die Besten und Witzigsten».

Fortan gab es in der einen und anderen Form ein Schlichtungsverfahren, in dem eine Vertrauensperson im Gespräch mit den beiden Parteien eine gütliche Einigung im Streitfall zu vermitteln versuchte. Zahlreiche Stände machten den Aussöhnungsversuch vor dem allfälligen Gang ans Gericht zur Pflicht, so etwa im Jahr 1609 der Kanton Uri mit dem «Thädigungsverfahren».

Verfassungsmässige Verankerung in Schwyz Als besonderes Organ der Rechtspflege wird der Friedensrichter in der Schweiz während der Helvetik eingeführt. Am 3. Mai 1798 lag dem helvetischen Grossen Rat ein Gesetz vor, wonach jede Gemeinde nach dem Vorbild des «Juge de paix» der Französischen Revolution einen Friedensrichter erhalten soll.

Trotz der Annahme im Jahr 1800 trat diese Bestimmung nie in Kraft. Die Idee, dass ein Sühnebeamter streitende Parteien zu einvernehmlicher Lösung anhalten soll, fand breite Unterstützung und Eingang in die Mediationsakte, die Napoleon im Jahr 1803 für die Schweiz erliess.

Im Kanton Schwyz wurde am 13. Oktober 1833 die erste Verfassung erlassen. Diese hielt unter anderem fest, dass «in jedem Bezirk durch den Bezirksrath die erforderlichen Friedensrichter erwählt» werden. Diese hätten «ohne Beisitzer alle Rechtsfälle vermittelnd zu erledigen».

Gut dreissig Jahre nach die-ser formellen Einführung der Vermittler erliess das Kantonsgericht Schwyz am 24. November 1868 eine verbindliche «Instruktion für die Vermittler». Detailliert waren deren administrativen Verpflichtungen und deren Geschäftsführung umschrieben.

«Keine Beredungslist anzuwenden» Auf deren Einhaltung hatten sie nach ihrer Wahl den Eid abzulegen: «Ich schwöre, alle vor mich kommenden Streitanstände nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln, bei Vermittlungen zu keinem Unrechte Hand zu bieten, noch die Parteien meiner Überzeugung entgegen zu einem ihnen offenbar nachtheiligen Vergleiche zu bereden, keinerlei Zwang, Drohung oder irgend welche Beredungslist anzuwenden, dem Armen wie dem Reichen, dem Fremden wie dem Einheimischen mit gutem wohlmeinendem Rath an die Hand zu gehen, Niemanden zu lieb noch zu leide, weder Miete noch Gabe anzunehmen, sondern mich mit den gesetzlichen Gebühren zu begnügen und so überhaupt die durch das Gesetz mir vorgeschriebenen Pflichten und Obliegenheiten genau und gewissenhaft zu erfüllen.» Kantonsverfassung aus dem Jahr 1898 gab die Richtung vor Mit der Kantonsverfassung aus dem Jahr 1898 wurden das Wahlverfahren und die Zuständigkeiten weitgehend so geregelt, wie sie heute noch gelten. Dies wurde durch die kantonale Zivilprozessordnung aus dem Jahr 1915 konkretisiert. Jede Gemeinde hat ein Friedensrichter- oder eben Vermittleramt zu führen, der Vermittler wird durch Volkswahl bestimmt, hat die Parteien zur gegenseitigen Aussprache anzuhalten und auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites hinzuwirken und darf keine Zeugen befragen oder Beweisverfahren durchführen.

Das Verfahren ist formlos und mündlich durchzuführen. In Fällen bis zu einem bestimmten Streitwert kann der Vermittler einen Entscheid, also faktisch ein Urteil fällen. Im Jahr 1915 lag die Obergrenze für einen Entscheid des Vermittlers bei dreissig, heute bei Tausend Franken.

Seit dem Jahr 2011 gilt eine nationale Lösung Mit der Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung wurde im Jahr 2011 das Friedensrichter-Wesen national vereinheitlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt waren insbesondere die Zuständigkeiten sehr unterschiedlich. In gewissen Kantonen mussten etwa auch Vaterschaftsklagen durch das Vermittleramt beurteilt werden. Sehr häufig waren auch Schlichtungsverfahren wegen Ehrverletzungen und Beschimpfungen.

Heute ist der Vermittler zuständig für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, bei privatrechtlichen Baueinsprachen, in Erbund Nachbarschaftssachen, bei Klagen aus Motorfahrzeug- und Fahrradunfällen, bei Stockwerkeigentümer- Streitigkeiten sowie bei Forderungen mit oder ohne Betreibungen, bei Konsumstreitigkeiten, bei Unterhaltsklagen aus Familienrecht oder bei Persönlichkeitsverletzungen.

Auf Antrag der klägerischen Partei kann der Vermittler über vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 Franken endgültig entscheiden. Bis zu einem Streitwert von 5000 Franken kann er den Parteien einen schriftlichen Urteilsvorschlag unterbreiten, der ohne Ablehnung einer Partei innert zwanzig Tagen in Rechtskraft erwächst.

Quellen: Historisches Lexikon der Schweiz; Schwyzer Rechtsbuch (Dr. Paul Reichlin/1937); 200 Jahre Friedensrichter im Kanton Zürich (Peter Ziegler/2003); Instruktion der Vermittler im Kanton Schwyz (1868); Diverse alte Gesetze, Verordnungen und Berichte der Gerichte

Moderate Gebühren

brum. Wenn schon im Jahre 1868 ein Eid abzulegen war, sich mit den gesetzlichen Gebühren zu begnügen, so muss-ten diese natürlich auch festgelegt werden. Sie betrugen bei einem Streitwert bis zu 500 Franken drei, bei einem höheren Streitwert dann fünf Franken. Ein Jahrhundert später sind die aktuellen Gebühren für das formlose und niederschwellige Angebot der Schlichtungsverhandlung nur moderat höher: Sie sind auf 100 bis maximal 500 Franken festgelegt, selbst wenn heutzutage der Streitwert teilweise mehrere Millionen Franken beträgt.

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