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Inzest-Fall in Sattel – Gericht will nun Opfer befragen

Im Berufungsprozess vor dem Schwyzer Kantonsgericht wollen alle Parteien ein anderes Urteil.

Der heute 57-jährige Deutsche, der in der Nacht auf den 18. August 2020 in Sattel mit einem Schlachtmesser mehrmals auf seine damals 28-jährige Tochter, Lebenspartnerin und Mutter ihres gemeinsamen Kindes eingestochen und lebensgefährlich verletzt hatte, sass kürzlich stumm und regungslos vor dem Schwyzer Kantonsgericht.

Zum Tathergang wollte er wie schon vor dem Schwyzer Strafgericht nichts sagen. Einzig von seinem Recht auf ein Schlusswort machte er Gebrauch und sagte: «Es tut mir alles von Herzen leid. Ich bereue es jeden Tag. Ich bitte das Gericht um ein gerechtes Urteil.» Vor das Schwyzer Kantonsgericht war er gezogen, um sich gegen das Urteil des Schwyzer Strafgerichts zu wehren. Dieses hatte den Mann wegen versuchter vorsätzlicher Tötung sowie wegen mehrfachen Inzests verurteilt und ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Jahren bestraft. Zudem wurde er für die Dauer von 15 Jahren aus der Schweiz verwiesen.

Verzweiflungstat oder brutaler Hinrichtungsakt?

Der Verteidiger des Beschuldigten plädierte auf versuchten Totschlag und beantragte eine Gefängnisstrafe von maximal fünf Jahren. Auch die Landesverweisung soll höchstens siebeneinhalb Jahre betragen. Die erstinstanzliche Verurteilung basiere einzig und allein auf den Schilderungen des Opfers: Dieses sei aber nie von einem Gericht befragt worden, sodass sich kein Richter ein direktes Bild über das Opfer und seine Schilderungen habe machen können. Die Schilderungen des Opfers seien nämlich übertrieben und teils widersprüchlich. Eine solche Befragung sei nachzuholen.

Die Verzweiflung, in der sich sein Mandant bei der Tat befunden habe, sei vom Schwyzer Strafgericht zu wenig in Betracht gezogen worden. Zwischen ihm und seiner Tochter und Lebenspartnerin habe sich ein regelrechter Machtkampf abgespielt. Durch ihren Wunsch, auch andere Sexpartner zu haben und als «Sugarbaby » tätig zu sein, sowie durch ihre Art, wie sie ihn behandelte, habe er sich erniedrigt, gedemütigt und entwertet gefühlt.

Nicht einverstanden mit dem erstinstanzlichen Urteil waren aber auch der Schwyzer Staatsanwalt sowie das Opfer als Privatklägerin. Beide verlangten eine Verurteilung wegen versuchten Mordes.

Der Schwyzer Staatsanwalt beantragte eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten. Die Anwältin des Opfers hielt an der Genugtuung von 60’000 Franken samt Zins fest (das Strafgericht hatte eine solche von 35’000 Franken gewährt).

Aus Rache, Eifersucht und Hass auf Opfer eingestochen Der Beschuldigte habe besonders skrupellos aus Rache, Hass, Eifersucht und Egoismus auf das Opfer eingestochen. Er habe zwar selbst eine offene Beziehung leben, ihr das aber nicht erlauben wollen.

Er sei auch besonders brutal vorgegangen, indem er das Messer in ihrer Lunge noch gedreht habe, sie beim Zustechen angespuckt und ihr mehrmals zugerufen habe: «Du musst sterben! » Die Privatklagevertreterin wehrte sich gegen eine erneute Befragung ihrer Mandantin; diese sei bereits zweimal befragt worden.

Das Schwyzer Kantonsgericht hat in der Sache noch kein Urteil gefällt: Es hat aber entschieden, dem Antrag des Verteidigers zu folgen und das Opfer zu befragen. Damit will sich das Gericht selbst ein Bild über das Opfer und dessen Schilderungen machen. Deshalb wird zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Verhandlungstag anberaumt.

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