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«Ich bin gerne in der zweiten Reihe und ziehe von da die Fäden»

«Ich bin gerne in der zweiten Reihe  und ziehe von da die Fäden» «Ich bin gerne in der zweiten Reihe  und ziehe von da die Fäden»

Norbert Mettler, Sekretär des Baudepartements, verlässt die kantonale Verwaltung. Der Jurist aus Brunnen war über zwanzig Jahre in unzählige für den Kanton wichtige Entscheide involviert – und wirkte auch als Hobbypsychologe.

In der offiziellen Medienmitteilung hiess es, Sie würden sich frühpensionieren lassen. Sie ha-ben aber ordentlich gekündigt und arbeiten als Anlaufstelle für Whistleblower im Kanton Luzern weiter. Ja, was nun? Es ist korrekt, dass ich mich frühpensionieren lasse. Das Spektrum meiner Arbeit hat sich jüngst verändert, darum habe ich mich zu diesem Schritt entschieden. Und ich wollte wissen, was das Leben noch parat hält für mich. Unabhängig von meinem Entscheid habe ich die Anfrage des Kantons Luzern bekommen. Dieses Mandat, etwa im Volumen von fünf bis zehn Stellenprozent, interessierte mich sehr, und so bewarb ich mich und sagte zu. Was meinen Sie damit, das Spektrum Ihrer Arbeit habe sich verändert? In all den Jahren habe ich mit vier Regierungsräten zusammengearbeitet. Je nach Regierungsrat wurde mein Tätigkeitsgebiet, meine Rolle, etwas anders definiert. Ein Regierungsrat hat mich stark als Sparringpartner eingebunden, auch in wichtigen politischen Geschäften. Das war sehr interessant und hat mir gut gefallen. Zuletzt wurde meine Rolle aber wieder anders definiert, die Bandbreite eingeschränkt, was auch einen Teil zu meinem Entscheid beigetragen hat. Jetzt sind Sie die Whistleblower- Anlaufstelle in Luzern. Verwaltungsangestellte und Lehrpersonen können sich an Sie wenden, um interne Missstände zu melden. Passiert das oft? Es ist noch zu früh, um von viel oder wenig zu sprechen. Die Stelle ist ganz neu, ich habe das Mandat seit dem 1. März. Ende Jahr ist eine Evaluation geplant, da werde ich dem Regierungsrat des Kantons Luzern Bericht erstatten.

Was für Missstände können da gemeldet werden? Es können Verstösse gegen Gesetze, Verordnungen oder andere Unregelmässigkeiten gemeldet werden. Zum Beispiel bei Auftragsvergaben. Als allgemeine Beispiele kann ich Bestechung oder Korruption bei Beschaffungen nennen. Die Schweiz ist also in Sachen Korruption keine heile Welt? Nein. Im Kanton Graubünden und auch in anderen Kantonen fanden zum Beispiel Preisabsprachen unter Bauunternehmen statt. Das ist auch korrupt. Vor Jahren gab es in der Zentralschweiz auch einen Fall, wo eine Person in der Verwaltung einer ihr nahestehenden Person Aufträge im IT-Bereich zugehalten hat. So wurden ganz klar Regeln basierend auf Gesetzen missachtet.

Was ist Ihre Aufgabe?

Wichtig ist, zu wissen, dass ich keine Gerichtsinstanz, kein Polizist und auch keine Parteivertretung bin. Ich agiere neutral, lösungsorientiert und sehe mich in einer Brückenfunktion und kann auch keine Verfügung und keine Anordnungen treffen. Ich mache Sachverhaltsabklärungen. Sofern eine Rechtsverletzung oder Unregelmässigkeit vorliegt, gebe ich der entsprechenden Verwaltungseinheit einen Bericht ab, in dem ich die Ergebnisse mit allfälligen Empfehlungen festhalte, stets unter Wahrung der Vertraulichkeit. Die Verwaltungseinheit erstattet mir innerhalb eines Monats Rapport und führt auf, welche weiteren Schritte unternommen wurden. Mir steht es dann frei, noch an den Regierungsrat zu gelangen. Gibt es im Kanton Schwyz auch eine solche Stelle?

Nein. In dieser Form nicht.

Braucht es eine?

Es ist wahrscheinlich nur eine Zeitfrage, bis eine solche Anlaufstelle eingeführt oder von der Politik gefordert wird.

Sie hatten während Ihrer Zeit auf dem Baudepartement mit Georg Hess, Lorenz Bösch, Othmar Reichmuth und André Rüegsegger vier verschiedene Regierungsräte als Vorgesetzte. Wie haben Sie diese Wechsel erlebt? Ich werde keine Bewertung abgeben (lacht). Als ich meine Stelle damals antrat, wusste ich, dass ich einige Chefwechsel erleben werde. Aber ich bin ein umgänglicher Typ, sodass ich mit sehr vielen Charakteren auskomme. Und ich bin auch loyal, aber dies ohne mich aufzugeben oder meine Meinung nicht zu äussern. Aber es war immer auch eine Herausforderung, klar. Was macht überhaupt ein Sekretär des Baudepartements? Ich führte das Departementssekretariat, das die Administration und den Rechtsdienst des Baudepartements sicherstellt. Über meinen Tisch gingen unzählige Beschlüsse, Rechtsgeschäfte und auch Gesetzgebungsvorlagen. Ich war verantwortlich für die wichtigsten Prozesse im Baudepartement. Und ich war auch Troubleshooter und sah mich immer auch als Schnittstelle zwischen Departement und Parlament und der Bevölkerung. Eine eigentliche Drehscheibe – und manchmal auch Hobbypsychologe für berufliche und manchmal auch private Probleme. Wollten Sie nie selber in die Politik einsteigen?

Nein, obwohl ich schon verschiedentlich angefragt wurde. Ich bin gerne in der zweiten Reihe und ziehe von da die Fäden. Bauen ist im Kanton Schwyz komplexer, aufwendiger und mühseliger geworden. Wie ha-ben Sie diese Veränderung wahrgenommen? Ja, das trifft zu. Es ist einerseits komplexer geworden wegen der Gesetzgebung, andererseits auch weil Nachbarn empfindlicher geworden sind. Die Hemmschwelle, Einsprachen zu machen, ist gesunken. Aber das ist das gute Recht von allen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Da haben Sie nie die Nerven verloren?

Nein. Da war ich immer sehr entspannt. Da setzte ich stets auf buddhistisches Nichtanhaften, auch betreffend Einsprachen von Umweltverbänden. Das ist alles gesetzlich verankert. Klar, die Politik kann jederzeit – und macht es auch zwischendurch – über das Verbandsbeschwerderecht diskutieren. Und ja, das fundamentalistische Vorgehen gewisser Verbände finde ich auch nicht konstruktiv und zielführend. Doch solange das Gesetz ist, wie es ist, darf man sich daran nicht stören. Was sind aus Ihrer internen Sicht die grossen Herausforderungen für den Kanton in den nächsten Jahren? Der Fachkräftemangel trifft den Kanton stark. Es fehlen Ingenieurinnen und Ingenieure und derzeit auch Juristinnen und Juristen. Und es stehen noch weitere Pensionierungen an, was die Situation zusätzlich verschärft. Dann muss die Digitalisierung in der Verwaltung weiter vorangetrieben werden. Digital sind wir noch etwas in der Steinzeit, da sind andere Kantone deutlich fortschrittlicher. Und aus baulicher Sicht ist das geplante Verwaltungszentrum ein sehr spannendes Projekt, aber auch eine grosse Herausforderung. Der 5-Millionen-Projektierungskredit dafür wurde klar angenommen. Für ein Projekt dieser Grössenordnung gab es kaum Widerstand. Hat Sie das überrascht?

Ja. Ich war positiv überrascht, wie schlank das Verwaltungszentrum im Kantonsrat durchgekommen ist. Aber es steht noch viel Überzeugungsarbeit an. Beim Baukredit und auch intern bei den Mitarbeitenden. Es geht etwas die Angst um, es gebe nur noch Grossraumbüros. Das stimmt nicht, es sind Mehrplatzbüros geplant. Und diese sollen den neuen Ansprüchen an Arbeitsplätze gerecht werden. Etwa, dass Teilzeitler sich an Andockstationen Arbeitsplätze teilen können. Sie sind sehr kultur- und kunstaffin. Ist Kunst am Bau beim neuen Verwaltungszentrum geplant?

Dort wird es sicher etwas geben. Was, wird aber erst später mittels Wettbewerb entschieden. Persönlich finde ich Kunst am Bau sehr wichtig. 2016 hat der Regierungsrat beschlossen, dass bei grösseren kantonalen Bauten Kunst am Bau gemacht werden muss. Finanziert aus dem Lotteriefonds. Es darf aber nicht nur Dekoration sein, sondern soll wirklich Kunst sein, die zum Denken anregt, die Atmosphäre schafft und auch Identität stiftet. Was waren Ihre Highlights in all den Jahren? Da gibt es viele. Sicher der Aufbau der Kompetenzstelle Beschaffungswesen, die zu Beginn nicht vorhanden war. Dann die Behandlung der Axen-Initiative, die 2016 vors Volk kam, oder die Zusammenlegung von drei Sekretariaten zu einem Sekretariatspool. Und meine Funktion von Amtes wegen als Stiftungsrat in der Stiftung Auslandschweizerplatz war auch sehr bereichernd. Hier durfte ich an einigen Auslandschweizer- Kongressen im In- und teilweise auch im Ausland den Stiftungsrat vertreten – notabene in der Freizeit und auf eigene Kosten. Da habe ich wirklich Freundschaften schliessen können, die sehr bereichernd sind und mir auch erhalten bleiben werden.

Und die Schattenseiten Ihrer Karriere?

Tiefen waren sicherlich personalrechtliche Probleme, die auch zur Auflösung von Arbeitsverhältnissen führen konnten. Das gehört leider auch dazu. Was planen Sie mit der Zeit, die Sie nun mehr zur Verfügung ha-ben?

Ich werde mehr auf dem See beim Segeln anzutreffen sein und plane Weitwanderungen, wie zum Beispiel die Via Alpina abschliessen, da sind wir letztes Jahr im Schnee stecken geblieben. Generell möchte ich die Sachen mehr pflegen, die ich etwas vernachlässigt habe. Vielleicht arbeite ich auch an einer überarbeiteten Neuauflage des Restaurant- und Hotelführers der Hauptstadt Bern, den ich nach Abschluss des Masterstudiums in Bern mit drei Kollegen herausgegeben habe.

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