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«Das Rechtsempfinden sollte sich am Ende doch auch im Recht widerspiegeln»

«Das Rechtsempfinden sollte sich am Ende  doch auch im Recht widerspiegeln» «Das Rechtsempfinden sollte sich am Ende  doch auch im Recht widerspiegeln»

Sicherheitsdirektor Xaver Schuler (SVP) spricht über erste Entscheide, seit er Anfang Jahr in die Regierung gestartet ist, wie er seine Rolle als Regierungsrat sieht und was ihm am meisten Sorgen bereitet.

Man hört, Sie hätten an Ihrem ersten Tag als Regierungsrat die Runde gemacht, um jeden persönlich mit Handschlag zu begrüssen. Bei 450 Leuten war das natürlich nicht möglich, das an einem Tag zu machen. Aber mein Ziel ist es wirklich, möglichst bald bei allen vorbeizuschauen. Aktuell bin ich daran, allen Polizeiposten einen Besuch abzustatten. Sind Sie schon angekommen in Ihrem neuen Beruf? Ja, das würde ich schon sagen. Ich sitze heute nicht hier und denke, oh, auf was habe ich mich da nur eingelassen. Im Gegenteil, ich habe Spass in diesem Exekutivamt. Man kann viel entscheiden, teils selbstständig, teils im Regierungsratsgremium, wo man sich einbringen kann. Auf das hatte ich mich gefreut und es gefällt mir. Vermissen Sie Ihren alten Beruf?

Ich war immer gerne Plattenleger und Geschäftsmann. Den Beruf möchte ich nicht missen, aber heute habe ich eine andere Aufgabe. Jetzt bin ich in der Regierung. Wer weiss, vielleicht muss ich auch mal wieder zurück ins andere Berufsleben, das weiss man nie (lacht). In gewissen Momenten sind die beiden Tätigkeiten ähnlich, dann nämlich, wenn man entscheiden muss. Macht man es nicht, dann geht es auf der Baustelle nicht weiter. So wie auch in der Regierungstätigkeit nicht. Welchen Führungsstil würden Sie sich selbst attestieren? Einerseits bin ich sicher «oldschool ». Auf der anderen Seite sprechen mich auch die neueren Führungsmethoden an. Für mich ist wichtig, dass die Rollenverteilung klar ist, vor allem wenn es um Entscheidungen geht. Ich schätze aber auch sehr den kollegialen Umgang mit meinen Amtsvorstehern und Untergebenen. Wo haben Sie in den letzten 100 Tagen am meisten angepackt?

Ich bin teils immer noch in der Phase des Kennenlernens. Aber gerade im Polizeibereich standen viele Personalfragen an, neuer Kommandant, neuer Stellvertreter im Kommando, Chef Dienste oder jetzt grad aktuell der Entscheid Chef Recht. Daneben sind die Jahresberichte, Budgeteingaben, Personalplanungen und so weiter im Gang. Hier bin ich schon voll im Alltagsgeschäft. Bei den jüngsten Personalentscheiden fällt auf, dass sie alle mit internen Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten vollzogen werden konnten. Ja, das ist so. Das hatte zur Folge, dass auch in den unteren Bereichen wiederum freie Stellen besetzt werden mussten und müssen. Hier sind wir aber sehr gut unterwegs. Der Ablauf der Rekrutierung zeigt die gute Arbeit meiner Vorgänger auf. Wir haben eine Institution, gerade auch auf Stufe Führung, die über einen qualifizierten und motivierten Mitarbeiterbestand verfügt. Dass Sie heute regieren, hat im Grund mit zwei Nichtwahlen zu tun. 2015 und 2019 wollten Sie in den Nationalrat. Wären Sie heute lieber in Bern? Nein, das Leben hat mich zu diesem Punkt gebracht, an dem ich heute bin und das ist richtig. Alles andere waren Optionen, interessante Aufgaben, die ich gerne gemacht hätte. Wäre ich 2015 oder 2019 gewählt worden, dann hätte ich auch die Position als Gemeindepräsident in Schwyz nicht angetreten. Dort konnte ich aber sehr gute und wichtige Erfahrungen sammeln. Wenn ich zurückschaue, dann ist es gut so, wie es gekommen ist. Heute kann ich die Position der Regierung vertreten, ruhig und sachlich, und kann mich dieser Aufgabe widmen, das liegt mir. Gemeinderat, Regierungsrat. Was gefällt Ihnen so am «Regieren »?

Ich kann mich konkreten Projekten widmen und diese umsetzen. Beim Gesetzgebungsprozess ist vieles nur theoretisch und wenig griffig. Ich bin eher der Umsetzungstyp. Entscheiden, vorwärtstreiben, etwas zum Erfolg zu führen, das ist eine sehr befriedigende Aufgabe. Sie stehen teils «G’studierten» vor. Wie erleben Sie den direkten Austausch mit Ihren Amtsvorstehern und Mitarbeitenden? Es gefällt mir sehr. Der Austausch ist sehr rege und konstruktiv. Nicht zu vergessen, ich war sechzehn Jahre in der Rechts- und Justizkommission, dort im Justizausschuss, in jeder Verfassungskommission. Dabei hatte ich auch mit Rechtsprofessoren zu tun. Ich bin in der Lage, die grundsätzlichen Rechtsprozesse zu verste-hen, wie man argumentiert, interpretiert und so weiter. Sehen Sie Vorteile darin, dass Sie aus dem Handwerk kommen?

Ich glaube, es profitieren beide Seiten. Wenn man nur rein akademisch rechtlich vorgeht, kann es sehr hilfreich sein, wenn jemand auch das Rechtsempfinden der Bevölkerung, der Politik ins Spiel bringt. Das Rechtsempfinden sollte sich am Ende doch auch im Recht widerspiegeln. Meine Amtsvorsteher können hoffentlich auch von mir etwas profitieren, wenn ich meine «Strassenschläue» oder «Bauernschläue » einbringe, falls ich sie denn habe … Natürlich profitiere ich umgekehrt auch vom akademischen Geist. Ich sehe hier eine Win-win-Situation, eine Stärke unseres Systems – zum Vorteil der Bevölkerung. Am Ende muss aber ich entscheiden und abwägen.

Mussten Sie schon gewichtige Entscheide fällen?

Ja, bei gewissen Beschwerdeentscheiden habe ich schon auf die Verhältnismässigkeit gesetzt und naiv hinterfragt, was ich unterbreitet bekommen habe. Auch gewisse politische Komponenten sind zu berücksichtigen und es gibt teils auch Entscheidungsspielräume.

In welchem Bereich Ihres Departements sind Sie am meis-ten gefragt?

Was wir aktuell stark begleiten, ist der Bau der neuen Einsatzzentrale im Kaltbach, wo das Baudepartement den Lead hat. Im Kaltbach soll eine von zwei Zentralschweizer Polizeizentralen entstehen, wo dann künftig die Einsätze in den Kantonen Schwyz und Zug koordiniert werden. Wir stehen hier stark in Kontakt mit dem Kanton Zug beziehungsweise zur dortigen neuen Regierungsrätin Laura Ditt-li, zu der ich einen sehr guten Draht habe. Die Entwicklung der gemeinsamen Einsatzzentrale ist eine Pionierleistung. Wenn es uns gelingt, den Auftrag bezüglich Sicherheit und auch bezüglich Wirtschaftlichkeit so aufzugleisen, dass am Ende Politik oder Volk ihn gutheissen, dann ist das sicherlich ein zukunftsträchtiges Projekt Bei der Polizei sind ein Ausbau immer wieder Thema. Beantragen Sie schon bald zusätzliche Stellenetats? Wir sind schon seit Längerem in einer Phase, in der der Stellenetat ins Verhältnis zum Bevölkerungswachstum und den zunehmenden Aufgaben gestellt wird. Das läuft jetzt nach und nach, was auch im Interesse der Polizei ist. Denn es bringt nichts, wenn plötzlich zig zusätzliche Leute da sind. Die Personen müssen auch entsprechend ausgebildet und integriert werden ins Polizeikorps. Wichtig ist, und das wird auch von der Polizeiführung so gesehen: Die Polizei erfüllt den Auftrag und kann mit dem aktuellen Korpsbestand die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung sicherstellen. Wie beurteilen Sie allgemein die Sicherheitslage im Kanton? Wir nähern uns wieder dem Vor-Corona- Niveau an, gerade was die Durchgangskriminalität anbelangt. Trotzdem sind wir einer der sichersten Kantone der Schweiz. Darum kann man die Korpsstärke auch nicht einfach mit anderen vergleichen. Wir sind ein ländlicher Kanton, ha-ben tiefe Arbeitslosenzahlen und sind soziokulturell noch etwas anders aufgestellt als etwa der Kanton Basel-Stadt. Wie ist die Lage bei der Staatsanwaltschaft?

Sie ist sehr gut aufgestellt und leistet einen guten Job. Ich bin in regem Kontakt mit der Oberstaatsanwältin. Klar gibt es auch Fluktuationen, was mit dem eher jüngeren Personal erklärbar ist, das sich teils noch weiterbilden möchte und darum auch mal die Stelle wechselt. Allgemein herrscht eine gute Atmosphäre und man arbeitet eng zusammen, wie ich das bisher beurteilen kann. Ist die Rechtsprechung im Kanton aus Ihrer Sicht «genug abschreckend » oder ist sie «zu lasch»? Strafrecht ist eidgenössisches Recht. Ich glaube, die Frage wird sich immer häufiger stellen, ob wir als Rechtsstaat wirklich noch abschreckende Wirkung haben. Bei gewissen zugewanderten Personen sehe ich das eher nicht mehr. Wir sind doch recht human unterwegs und legen extrem viel Wert darauf, dass verurteilte Straftäter korrekt behandelt werden. Das geltende Recht, ob nun zu lasch oder nicht, gilt es indes anzuwenden, professionell und mit hoher Selbstdisziplin. Eine Verschärfung ist nicht angezeigt?

Ob es künftig Veränderungen braucht, wird sich zeigen. Wich-tig finde ich, dass sich der Rechtsstaat auch Recht verschaffen kann und dieses umsetzt. Wir dürfen nicht zulassen, dass uns Leute auf der Nase herumtanzen. Auch mit Blick auf unsere Polizei. Klar spielt der Lohn, die Ferien und so weiter eine Rolle, doch am Ende des Tages ist es sehr wichtig, dass Straftäter auch angemessen bestraft und die Strafen durchgesetzt werden. «Die Aufgaben der Verwaltung müssen laufend auf ihre Notwendigkeit überprüft werden», heisst es auf Ihrer älteren Wahl-Homepage. Und? Der Kanton Schwyz ist im Vergleich zu anderen top unterwegs, was Effizienz anbelangt. Trotzdem müssen Prozesse immer wieder auf Effizienz und Funktion geprüft werden, egal ob in Betrieben oder beim Staat. Sich hinterfragen, ob es eine Aufgabe noch braucht und wenn ja, ob man sie richtig und effizient erfüllt, das gehört auch beim Kanton zum ständigen Auftrag – unabhängig davon ob man Gewinne schreibt oder Defizite. Hier ist zudem entscheidend, dass uns die Politik nicht übermässig und künstlich beschäftigt. Wenn man ständig neue Aufgaben schafft, gibt es auch mehr Aufwand.

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