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Warten auf Ostern

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«Klösterreich» – so nennt sich ein Verein, der sich die Förderung kultureller und touristischer Aktivitäten österreichischer Klöster zum Ziel gesetzt hat. Wir Schweizer Klöster können leider nicht mit einem solchen Wortspiel aufwarten.Allerdings birgt schon das Wort «Kloster» selbst einen Schatz in sich. Schliesslich entdecken wir darin «Oster(n)».

Wochenlange Vorbereitung

Ohne sprachgeschichtliche Bewandtnis kommt hier der Kern eines jeden Klosters zum Ausdruck: Die innere Ausrichtung auf Ostern hin, auf die Auferstehung Jesu, die den Grund des Glaubens und der christlichen Hoffnung bildet.

Weil Ostern ein derart wichtiges Ereignis ist, bereiten wir uns mehrere Wochen lang darauf vor. Dabei zeigt die Fastenzeit sowohl Elemente, die heute in der Gesellschaft durchaus en vogue sind, als auch solche, die eher ausser Mode gekommen sind. «Fasten» selbst – wenn wir schon bei der Sprachgeschichte angelangt sind – bedeutet übrigens ursprünglich «(sich) festhalten », «(sich) festmachen». Daran erinnert uns auch der Hinweis im Flugzeug, wenn wir auf Englisch aufgefordert werden: «fasten your seatbelt» – «schnallen sie sich an».

Frühlingsputz für den Körper

Fasten ist in vielen Kreisen durchaus in. Es gibt ganze Kliniken, in denen man für viel Geld Fastenkuren machen kann. Und in kaum einem Freundeskreis gibt es niemanden, der das medial gehypte Intervallfasten zumindest nicht schon mal ausprobiert hat, angepriesen als «Frühlingsputz für den Körper» oder als «gesundes Verzichten».

Fasten im christlichen Verständnis hat allerdings keinen Selbstzweck. Es geht nicht um das Fasten an sich, auch wenn es durchaus positive Nebeneffekte hat. Vielmehr ist es eine Vorbereitung auf etwas anderes, etwas viel Grösseres. Nicht der Verzicht «auf» etwas steht im Zentrum, sondern der Verzicht «für» etwas. Die Zeit und Energie, ja auch das Geld, das ich normalerweise für bestimmte Dinge und Gewohnheiten aufwende, auf die ich in der Fastenzeit verzichte, kann ich nun für etwas anderes einsetzen, das mich näher zu Gott, aber auch zu meinen Mitmenschen und zu mir selbst führt. Statt fernzusehen beispielsweise jemanden anrufen oder besuchen gehen. Welchen Sinn sollte beispielsweise der Verzicht auf Süsses sonst haben?

Immer wie in der Fastenzeit An solchen neuen Gewohnheiten gewinnt man vielleicht derart Geschmack, dass man sie gleich beibehält: Nicht, dass es mit ihnen so geschieht wie mit den weggehungerten Kilos, die schon am Ostersonntagmorgen den Schokohasen zum Opfer fallen. Dass dies freilich nicht ganz einfach ist, wusste schon der heilige Benedikt, der in seiner Klosterregel meint, dass ein Mönch eigentlich immer ein Leben wie in der Fastenzeit führen soll. Aber weil halt nur wenige die Kraft dazu hätten, sollen sich die Mönche wenigstens in der Fastenzeit besonders darum bemühen (Benediktsregel, Kapitel 49). Und was an der Fastenzeit ist nun so gar nicht mehr in Mode? Just diese wochenlange Vorbereitung auf etwas, die Vorfreude, die wir bestimmt als Kinder noch kannten. Sich auf etwas freuen, die Tage bis zum Geburtstag zählen, bis man endlich das gewünschte Geschenk auspacken kann: Hat das nicht einen wunderbaren Zauber? Er geht verloren, wenn alles sofort geschehen soll, wenn wir uns sogleich jeden Wunsch erfüllen – selbst jene, die auch unerfüllt schnell wieder verge-hen würden.

Etwas Reinigendes

Eine Vorbereitungszeit wie die vier-zig Tage vor Ostern hat somit tatsächlich etwas Reinigendes, indem sie uns bewusst macht, was wir wirklich brauchen, was wahrlich wichtig ist. Darin können wir uns vielleicht auch nach Ostern immer wieder üben. Lohnen würde es sich jedenfalls, sich mit Vorfreude zu beschenken, statt sich immer gleich sofort alles zu gönnen. Kommt uns da vielleicht gerade spontan etwas in den Sinn, neben Erdbeeren im Winter und «Fasnachtschüechli» im Herbst?

(*1984) ist seit 2006 Mönch im Kloster Einsiedeln. Er studierte Theologie, Geschichte sowie Latein und unterrichtet an der klösterlichen Stiftsschule, wo er auch als Schulseelsorger und Ministrantenbetreuer tätig ist.

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