«Der gesellschaftliche Druck auf die Jugendlichen ist sehr hoch»
Nach acht Jahren Wirken im BIZ Einsiedeln übergibt Stefan Braun seine Aufgabe im Klosterdorf und wird vermehrt als Teamleiter im Berufsinformationszentrum in Pfäffikon tätig sein: «Es war eine sehr intensive und überaus spannende Zeit in Einsiedeln.»
Wie fällt Ihre Bilanz im Rückblick auf Ihre Zeit als Berufs-, Studien- und Laufbahnberater im BIZ Einsiedeln aus? Ich durfte in den vergangenen Jahren viele interessante Menschen kennenlernen, Gespräche führen und Wege begleiten. Gerade durch die nähere Zusammenarbeit mit der Oberstufe Einsiedeln entstanden engere Beziehungsnetze. Diese helfen uns, die Schülerinnen und Schüler zu erreichen, die Unterstützung brauchen, und sie auf dem Weg der Berufswahl begleiten zu können. Auch die Berührungspunkte mit dem Gewerbe, mit Berufsleuten, unter anderem auch dank den Berufsmessen, erlebte ich immer wieder als bereichernd und hilfreich. Der Bezirk Einsiedeln ist reich an interessierten, motivierten und engagierten Berufsleuten. Wie sieht diese nähere Zusammenarbeit konkret aus? Seit rund sechs Jahren bieten wir von der Berufs-, Studienund Laufbahnberatung zusammen mit der Schule die so genannte Schulhaussprechstunde an. Dabei bieten wir Beraterinnen und Berater rund alle zwei Wochen direkt im Schulhaus Kurzgespräche an. Die Schülerinnen und Schüler können sich selbst über die Lehrperson anmelden. Und manchmal braucht es auch einen kleinen Schubser der Lehrperson. In diesen Schulhaussprechstunden besprechen wir konkrete Fragen zur Umsetzung, suchen die nötigen Informationskanäle, erarbeiten klare nächste Schritte oder knüpfen überhaupt einmal den ers-ten Kontakt. Oft geht es um ein gegenseitiges Kennenlernen, um damit Hindernisse abbauen zu können. Manchmal reichen diese Kurzgespräche. Bei anderen Jugendlichen sind sie der Start für mehrere Beratungstermine, bei denen dann die Eltern auch dabei sein können. Diese finden dann in unseren neuen Räumlichkeiten an der Kobibodenstrasse 57 statt.
Welche Schritte können Jugendliche weiter unternehmen auf dem Weg zur Grundausbildung? Nach dem gemeinsamen Erarbeiten von für sie möglicherweise attraktiven Berufen finden die Schülerinnen und Schüler in den Infotheken der BIZ Broschüren zu die-sen Berufe. Diese können auch ausgeliehen werden, wie in einer Bibliothek. Sehr vieles steht heute online zur Verfügung. Auf unserer nationalen Webseite www. berufsberatung.ch finden wir zu jedem Beruf die wichtigsten Eckpunkte: Links, Bilder und oft auch kurze Filme. Zudem lassen sich Schnupperadressen und später offene Lehrstellen über dieses Portal finden. Für die Arbeit auf dem Smartphone eignet sich auch unsere BIZ-App sehr gut – mit nahezu den gleichen Inhalten. Weiter haben die Jugendlichen die Möglichkeit, sich über unsere FOCUS-Veranstaltungen anzumelden und so einen einfach Einblick in einen Beruf zu erhalten. Auf unserer kantonalen Webseite www.sz.ch/biz fin-den sich viele Hinweise, Anregungen und Termine – zum Beispiel von Einblicktagen. Interessierte Eltern haben die Möglichkeit, den Elternnewsletter zu abonnieren. Wie hat sich die Berufsberatung verändert in den vergangenen Jahren? Früher war das Ziel der Berufsberatung, die Interessen der Jugendlichen mit den freien Lehrstellen zu verknüpfen. Heute besteht unsere Aufgabe viel mehr darin, gemeinsam mit den Jugendlichen Orientierung zu fin-den, sie zu befähigen, dass sie selber entdecken lernen, was mögliche Wege für sie sein können. Es gibt unglaublich viele Wege zum Wissen, um damit zu einer Entscheidungsgrundlage kommen zu können. Oft ist unsere Aufgabe auch, Struktur und Klarheit zu schaffen, wie die Schülerin vorgehen kann oder wie der Schüler für sich herausarbeiten kann, ob eine weiterführende Schule das richtige ist oder ob er seine Interessen und Talente eher in einer praktischen Ausbildung umsetzen will. Das Tempo und damit der Druck auf die Jugendlichen ist in unserer heutigen Gesellschaft sehr hoch. Hier ist es uns immer wieder wichtig, dass sich die jungen Menschen auf den Weg machen, dass es aber oft auch Zeit braucht, bis sie wirklich bereit sind für eine Entscheidung. Dies ist sehr oft ein Thema in den Beratungen. Wie schaffen es Eltern, die richtige Balance zu finden zwischen Begleitung und Geduld? Was geschieht, wenn alle Stricke reissen?
Wie gesagt sind nicht alle Jugendlichen gleichzeitig bereit: Einige brauchen länger, vielleicht weil sie den Start verpasst ha-ben oder sich plötzlich alles verändert hat – Stichwort Pubertät. Wer gegen Ende der obligatorischen Schulzeit noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, für den sind die Brückenangebote eine wertvolle Lösung: Diese helfen Jugendlichen, schulische Lücken aufzuarbeiten, nochmals Zeit für die Berufswahl und Lehrstellensuche zu haben. Der Kanton Schwyz bietet neben dem schulisches auch ein praktisches Brückenangebot an. Ob es für die Jugendlichen besser ist, wenn sie sich für fünf Tage Schule anmelden – oder doch besser ein bis zwei Tage in die Schule gehen und den grossen Rest der Woche an einer Praktikumsstelle verbringen – ist ein Entscheid, der zirka im März der dritten Oberstufenklasse thematisiert wird.
Welche Ziele werden mit diesem Brückenangebot angestrebt?
Im Fokus stehen eine Berufswahlvorbereitung, eine Vorbereitung auf das Suchen oder Antre-ten einer beruflichen Grundbildung, eine Vorbereitung auf die Ausbildung in einem bestimmten Berufsfeld oder die Aufnahme in eine Berufsfachschule. Hinzu kommt eine Vorbereitung auf allgemeinbildende Angebote oder die gymnasiale Maturität durch schulische Zusatzausbildungen. Wie hat sich in den vergangenen acht Jahren das BIZ Einsiedeln gewandelt? Seit vielen Jahren genossen wir die zentrale Lage beim Paracelsuspark, nahe bei der Schule und mitten im Dorf. Nach der Abstimmung über den Abriss unseres zwar baufälligen, aber auch altehrwürdigen Einsiedlerhofs machten wir uns auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft. Und mit grosser Freude können wir heute unsere Aufgaben in den modernen, hellen und zweckdienlichen Räumlichkeiten in der Gewerbe- und Industriezone Kobiboden 57, direkt hinter dem Kino «Cineboxx», weiterführen. Wir schätzen es ungemein, dass wir nicht nur Einsiedeln als wichtigen dritten Standort im Kanton Schwyzer erhalten, sondern die-sen auch ausbauen dürfen. Verändert sich mit dem Umzug in die neuen Räume im Kobiboden auch das Konzept? Nebst den Standorten Goldau und Pfäffikon bietet sich mit die-ser neu bezogenen BIZ-Lokalität auch in Zukunft für Personen aus der Region Einsiedeln und Ybrig eine Möglichkeit, das Angebot der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zu nutzen. Das «BIZ Angebot » bleibt vollumfänglich: Das Angebot umfasst die Berufs- und Studienberatungen für Jugendliche im Berufswahlprozess, Mittelschülerinnen und Mittelschüler und Studierende. Für Erwachsene bietet das aktuelle Team Unterstützung für berufliche Um- und Neuorientierungen, beruflichen Wiedereinstieg und Beratungen im Rahmen des nationalen Projekts «Viamia» an, das eine kostenlose Standortbestimmung für über Vierzigjährige ermöglicht.
Was ist neu am Standort im Kobiboden?
Dank den grosszügigen Räumlichkeiten können wir jegliche Gruppen, wie zum Beispiel Schulklassen, nach Terminabsprache herzlich willkommen heissen, um vor Ort einen Einblick in die Berufs-, Studien und Laufbahnplanung zu erlangen. Neu stehen die Türen im BIZ Einsiedeln für jegliche Perspektivfragen und Anliegen spontan of-fen. Wir sind möglichst oft für die Besucher des BIZ da: Es lohnt sich aber, vorher telefonisch anzufragen, wie die Beratungspersonen verfügbar sind. Die aktuellen Öffnungszeiten sind auf unserer Webseite aufgeschaltet – und das Team freut sich auf jeden Besuch.
Welche Herausforderungen stellen sich grundsätzlich für die Berufsberatung in der Region Einsiedeln? Die Region ist nicht sehr einheitlich gestaltet: Währenddem im sehr ländlichen Ybrig die Berufswahl des Öftern mittels direkten Kontakten zwischen Schülern und Lehrbetrieben in Angriff genommen werden kann, sind im Klosterdorf schon fast städtische Strukturen vorhanden, in denen ein anderes soziales und gesellschaftliches Umfeld vorherrschend ist, das andere Erwartungen nach sich zieht: Der Besuch der Stiftsschule und die Matura rücken da eher in den Fokus. Ist man mit 13 oder 14 Jahren bereits bereit dafür, sich für einen Beruf entscheiden zu können?
In diesem Alter mitten in der Pubertät sind die Unterschiede bezüglich Reife gross: Die einen sind parat für die Berufswahl und die Auseinandersetzung mit der Zukunft, andere noch gar nicht. Im Gegensatz zu früher, als ein Job für das ganze Leben im Vordergrund gestanden ist, hat man heutzutage eher die Möglichkeit, während des Berufslebens den Job zu wechseln, noch etwas anderes zu lernen. Neue Traumberufe sind hinzugekommen: Viele wollen E-Sportler, Profisportler, Künstler oder Influencer werden. Das versuche ich den Jugendlichen gar nicht erst auszureden. Wichtig ist, dass man einen Plan B hat, falls es nicht klappen sollte mit dem anvisierten Berufsziel. Beobachten Sie Veränderungen bei den Jugendlichen, die Sie in diesen Zeiten beraten? Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Und in jeder Epoche ha-ben wir Menschen, egal welchen Alters, die toll und zielstrebig unterwegs sind und keine Begleitung von uns brauchen, weil sie ein gutes Netzwerk haben und ihren Weg machen. Und auf der anderen Seite stehen wir Menschen zur Verfügung, die mehr Hilfe und Unterstützung brauchen. Die Themen ändern sich teilweise. Unser Anliegen bleibt, dass wir hier sind und Unterstützung bieten können. Wie wir diese Menschen erreichen, dass sie zu uns finden, bleibt unsere Herausforderung. Welche Schwerpunkte liegen Ihnen besonders am Herzen? Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, die Berufsberatung in Einsiedeln näher zu den Schulen zu rücken. Es ist mir ein Anliegen, den Jugendlichen aufzuzeigen, dass verschiedene Wege zum Berufsziel führen können, ihnen eine Idee zu geben, was man alles in seinem Berufsleben anstellen kann. Halten wir fest: Die Erwartungshaltung, die Ansprüche, der gesellschaftliche Druck auf die Wirtschaft und das Arbeitsleben sind riesig. Der Zeitdruck ist gross. Ich bin immer wieder begeistert über die engagierten Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, die viel in die Jugend und den Nachwuchs investieren, und auch bereit sind, Jugendlichen mit erschwerten Bedingungen eine Begleitung zu bieten und ihnen eine ausgezeichnete Ausbildung zu ermöglichen.