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«Nichts ist so beständig wie der Wandel»

«Nichts ist so beständig  wie der Wandel» «Nichts ist so beständig  wie der Wandel»

Janina Baruth, Vorsteherin des Schwyzer Amts für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung, steht Red und Antwort zum Stellenwert der Berufsberatung in der neuen Arbeitswelt: «Eine starke Gesellschaft entsteht dank zufriedener Leute, die auf gesunde Weise gefordert und am richtigen Platz sind.»

Wie steht es um die Laufbahnentwicklung in der neuen Arbeitswelt?

Grundsätzlich gilt: Neue Kompetenzen sind gefragt – Mut, Offenheit für Veränderungen, Resilienz, Neugier. Mit diesen Eigenschaften, dem Willen nach lebenslangem Lernen und nach stetiger Weiterbildung, kann in der neuen Arbeitswelt viel erreicht werden – dank des durchlässigen Bildungssystems in der Schweiz sowieso. Bei aller Euphorie für etwas Neues gehört meiner Meinung nach auch dazu, sich mit seiner aktuellen Situation wohlwollend auseinanderzusetzen: Bloss nicht wechseln nur um des Wechselns willen.

Hat sich in Sachen Berufswahl mit dem Fachkräftemangel Entscheidendes verändert? Die Berufswahl ist und war immerzu ein spannendes Thema. Der Arbeitsmarkt verändert sich laufend. Gestärkt werden muss daher die Fähigkeit, die eigene Laufbahn zu gestalten. Das Bewusstsein dafür fördern wir bei unseren Ratsuchenden in allen Altersstufen und bieten Unterstützung. Was sich verstärkt hat, ist das Bewusstsein von Menschen, dass mehr Synergien genutzt werden und dabei immer digital mitgedacht wird. Wir vernetzen uns mehr denn je – vor allem digital. «Sharing ist caring» lautet die Devise. Ideen einbringen, mutig und offen sein sind die Schlüssel für Erfolg. Welche Rolle kommt der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zu? Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zeigt seit jeher Perspektiven auf und ermutigt Menschen, ihren persönlichen Weg zu gehen, bestärkt und befähigt sie. Eine starke Gesellschaft entsteht aufgrund zufriedener Menschen, die auf gesunde Weise gefordert und am «richtigen » Platz sind. Da leisten wir einen Beitrag und begleiten die Menschen. Es geht um Selbstvertrauen und Wertschätzung. Aus meiner bisherigen Arbeitserfahrung in Branchen, die durch Digitalisierung heftig und bereits früh betroffen waren, kann ich sagen: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage dreht plötzlich auf die Seite der Arbeitnehmenden. Ist es korrekt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nun über Nacht mehr Möglichkeiten haben als in früheren Zeiten? In der Schweiz werden zwischen 2020 und 2030 die geburtenstärksten Jahrgänge der «Baby-Boomer» pensioniert. Dazu treten geburtenschwächere Jahrgänge in die Arbeitswelt ein. Das führt dazu, dass der Arbeitsmarkt mit einer Verminderung der Arbeitnehmerschaft konfrontiert ist: Das erhöht die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Was raten Sie über Fünfzigjährigen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters keinen Job mehr finden? Allgemein gilt: Der Berufsfindungsprozess ist in der Regel mit 50 + nicht mehr auf der gesellschaftlichen Agenda – weder in der Bildungsinstitution (Schule) noch zu Hause (Familie, Erziehungsberechtige). Dennoch: Grundsätzlich empfehle ich jedem Menschen, sich laufend aktiv in einen Lernprozess zu begeben. Lebenslanges Lernen ist essenziell, und eine regelmässige Standortbestimmung hilft dabei. Wir unterstützen übrigens dabei, in Intervallen regelmässig ein Laufbahncheck durchzuführen, in dem die eigene Laufbahn reflektiert und der persönliche Weg bei Bedarf justiert wird. Zudem ist es essenziell, immer dafür zu sorgen, dass man sich gut vernetzt: Das kann über Vereine, den Beruf, Weiterbildungen, Hobbys, Freunde und Familie sein. Ist es ein Mythos oder ein Klischee, dass Jüngere weniger arbeiten wollen als Ältere? Die Definition von Arbeit hat sich verändert. Der tiefere Sinn in der Arbeit nimmt bei den Millennials (Generationen Y und Z) die zentrale Rolle bei den Werten ein. Dies wird ergänzt mit dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Individualität sowie Unabhängigkeit. Einen neuen Stellenwert nimmt die so genannte Gratisarbeit ein: Arbeit von Müttern, Vätern und Eltern; Arbeit rund um Haushalt und Kinder; Pflegen von Angehörigen; ehrenamtliche Tätigkeiten. Ohne diese Gratisarbeit funktioniert eine Volkswirtschaft, eine Gesellschaft nicht. Das Gute ist: Seit einigen Jahren rücken diese Tätigkeiten und das Bewusstsein der Bevölkerung dazu in den Vordergrund. Die Wichtigkeit dieser Tätigkeiten wird immer deutlicher. Welche Erwartungen und Bedürfnisse haben junge Arbeitnehmende?

Hier steht eine Flexibilität in Sachen Arbeitszeit und Arbeitsort im Vordergrund, ebenso ein Gehört- und Ernstgenommenwerden. Weniger gewünscht sind traditionelle Komponenten wie Trägheit gegenüber Veränderungen, autoritäre Führungsstile und starre Hierarchiegläubigkeit.

Raten Sie Studierenden, ein Fach in Angriff zu nehmen, das Hand und Fuss hat, statt «brotlose » Studiengänge wie etwa Philosophie zu absolvieren? Wir raten niemandem ab, etwas zu studieren, was die Person interessiert. Wir zeigen dann auf, was die realistischen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ist. Philosophie studiert man ohnehin in einer Kombination mit einem anderen Fach. Somit hat man allenfalls auch wieder brei-te Berufsmöglichkeiten. Der Studiengang PPE (Politics, Philosophie und Ökonomie) an der Uni Luzern folgt bereits diesem Beispiel. Wir schauen bei unseren Kundinnen und Kunden an, welche Leidenschaften da sind. Was Studierende sich bereits während des Studiums aufbauen können und sollten, ist ein «Netzwerk».

Gehört Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft definitiv der Vergangenheit an? Auch heute noch dauert die durchschnittliche Suche nach Arbeit für einige zu besetzende Stellen über ein Jahr. Bei Branchen mit Fachkräftemangel hingegen gerade einmal fünf Monate im Durchschnitt (zum Beispiel im Gesundheitswesen). Einen grossen Einfluss hat auch das Alter: Je älter die Stellensuchenden sind, desto länger dauert die Stellensuche. Das gilt für alle Branchen. Ich wünsche mir einen Haltungswechsel, der zum Glück bereits im Gange ist und weiter vorgelebt werden muss. Denn 50+ ist keineswegs «alt»: Die Heraufsetzung des Pensionsalters steht laufend und in vielen Ländern zur Debatte. Die Bevölkerung wird älter. Ausserdem sollten wir Frauen fördern, ermutigen, bestärken: Nach der Familienzeit wollen viele Frauen im Beruf wieder Vollgas geben, teilweise auch als Führungskraft. Mit 50+ haben sie bereits wieder Berufserfahrungen gesammelt.

Welchen Stellenwert würden Sie der Arbeit in Sachen Sinnfindung im Leben zumessen? Einen sehr hohen Stellenwert: Bildung und eine erfüllende Beschäftigung gehören zu Kopf,Motor und Herz einer Gesellschaft. Arbeit ist mehr als «Geld verdienen »: Es geht auch um Selbstbewusstsein, Wertschätzung, den persönlichen Platz finden. Arbeit und Privatleben sind nicht mehr trennscharf voneinander separiert: Nur schon durch die in vielen Fällen ständige mögliche Erreichbarkeit ist die Erwartung an den Job gestiegen, dass die-ser Spass machen muss. Arbeit trägt zum Selbstwertgefühl bei. Es geht darum, ein Teil von etwas zu sein, etwas beitragen zu können, auch einmal Spass mit den Arbeitskollegen zu haben. Arbeit wird neu definiert.

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