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In 20-jähriger Arbeit 500 Jahre Presse in der Zentralschweiz aufgearbeitet

In 20-jähriger Arbeit 500 Jahre Presse in der Zentralschweiz aufgearbeitet In 20-jähriger Arbeit 500 Jahre Presse in der Zentralschweiz aufgearbeitet

Umfassend wie niemand zuvor hat Max Huber die Presselandschaft der Zentralschweiz beleuchtet. Dass er dies im Grossen wie im Kleinen tut, verleiht seinem Buch «Unter Druck» den Status eines Standardwerks.

Mit dem vielfach passenden Titel «Unter Druck» ist dieser Tage der Stadtluzerner Max Huber mit seinem neuesten Buch an die Öffentlichkeit getreten. Es ist viel mehr als ein Buch – es ist fast so etwas wie ein Vermächtnis des Autors und ein Standardwerk für Print-Enthusiasten.

Zeitungsfreunde gibt es viele. Und nicht erst heute, was Huber in seiner akribischen Arbeit «Die Presse in der Zentralschweiz – Von den Anfängen bis zur Gegenwart » eindrücklich belegt. Fast 20 Jahre hat der gebürtige Wiggertaler an diesem Mammutwerk gearbeitet. Huber, der sich Ende April als langjähriger Archivar im Staatsarchiv Luzern in die Pensionierung verabschieden wird, hat nicht weniger als 500 Jahre Zeitungsgeschichte zusammengefasst. Das Buch zählt 613 Seiten und wiegt 1,5 Kilogramm.

Dem Autor gelingt dabei der Spagat, sowohl in die Tiefe, wie auch in die Breite vorzustossen, ohne sich dabei zu verlieren. Wenn hier einer vom Hundertsten ins Tausendste kommt, geschieht dies nicht auf Kosten der Lesefreundlichkeit; immer bietet Hubers konsequent angewandte thematische Systematik den nötigen Halt, um sich in diesem «Wälzer» zurechtzufinden.

Anfänge des Buchdrucks

Im Zentrum stehen die Zeitungsund Zeitschriftenpresse in den sechs Zentralschweizer Kantonen Luzern, Zug, Schwyz, Uri, Nid- und Obwalden seit ihrer Entstehung. Der Schwerpunkt der reich bebilderten Untersuchung liegt auf publizistischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten.

Der Autor schlägt einen grossen Bogen über 500 Jahre Presse: Er setzt an bei den Anfängen des Buchdrucks und der Genese der frühen Zeitungen und Zeitschriften im frühneuzeitlichen Luzern und schildert die Entwicklung über die Ausbreitung und Instrumentalisierung der Presse in den weltanschaulichen Kämpfen des 19. und 20. Jahrhunderts bis hin zum Aufstieg und Niedergang der grossen Annoncenfirmen, zum Vormarsch auswärtiger Medienkonzerne und zur Krise der gedruckten Presse, insbesondere der Tageszeitungen, im Zeitalter der Digitalisierung.

Zwölf Jahre vor dem EA

Einer der Vorzüge des Buches ist dessen Gliederungsstruktur, welche ein gezieltes Herauspicken der gewünschten Informationen nach Zeitungstiteln, Personen und Ortschaften erlaubt – zum Beispiel zum Stichwort Einsiedeln, dem der Autor eigene Kapitel widmet, womit die Bedeutung Einsiedelns auch als Pressestandort betont wird.

Huber verweist darauf, dass es in Einsiedeln seit 1818 ausserordentlicherweise zwei Buchdruckereien gab, wobei sich diejenige von Johann Josef Eberle (1796–1867, der Vater von Josefine Anselmier-Eberle – siehe Kasten), schon im April 1847 mit dem Erzähler aus der Urschweiz an den Zeitungsdruck gewagt hatte. Ab Dezember 1847 gab Eberle nun selber die Neue Schwyzer Zeitung als freisinniges Blatt heraus. Dem Redaktions- Bureau gehörte unter anderem der Einsiedler Landschreiber Dominik Steinauer (1817– 1866) an. Das Blatt konnte sich allerdings nicht wunschgemäss verbreiten, sodass bereits im September 1849 die Herausgabe eingestellt wurde.

Es dauerte zehn Jahre, bis Einsiedeln wieder eine Zeitung erhielt: Im November 1859 gründete Marianus Benziger (1791– 1875) den Einsiedler Anzeiger. Auch hier gab es einige einschneidende Besitzerwechsel, doch stets blieb das Aktionariat in Einsiedler Händen. 2009 konnte der EA sodann als unabhängige, selbstständige Unternehmung das 150-Jahr-Jubiläum feiern. Aktuell ist der Anzeiger stolze 164 Jahre alt. Selbstredend räumt Max Huber der heute einzigen Einsiedler Lokalzeitung gebührend Platz ein; in derselben Rubrik Presseplatz Einsiedeln werden ebenso die zwischenzeitliche EA-Besitzerin Marie Lienert-Schnyder (1870–1930) thematisiert oder die Neue Einsiedler Zeitung, die sich als liberales Gegengewicht zum lange Zeit katholisch-konservativen Einsiedler Anzeiger definierte. Die Neue Einsiedler Zeitung erschien von 1907 bis 1995, wenngleich die letzten Jahre nicht mehr unter dem eigenen Namen (EA 67/14).

Die Geschichte des Einsiedler Anzeigers ist bereits ausführlich dokumentiert, unter anderem in der Jubiläumsausgabe 150 Jahre Einsiedler Anzeiger vom 3. Dezember 2009. Deshalb und auch aus Platzgründen soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Geschichte unserer Lokalzeitung eingegangen werden, dafür auf weitere, eher unbekannte Begebenheiten aus 500 Jahren Pressegeschichte Zentralschweiz.

Auch in Unteriberg Unter anderem am Beispiel der Ortschaft Unteriberg lässt sich aufzeigen, dass der Kanton Schwyz «seiner kleinräumigen geografischen und politischen Struktur entsprechend seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über ein vielfältiges dezentrales Pressesystem verfügte » (Huber). Das Fehlen eines Leitmediums verwundert deshalb nicht.

Der Autor erinnert daran, dass auch das obere Sihltal 1919 vorübergehend eine Zeitungsdruckerei erhielt. Am 30. November 1919 erschien dort wöchentlich (!) ein katholisches Familienblatt unter dem Titel St.Wendelins-Blatt. Es wurde als St.Wendels-Blatt ab Oktober 1924 in Schwyz gedruckt und bereits 1925 eingestellt.

Nachdem dem Sihltaler-Bote 1926 nur gerade ein fünfmonatiges Überleben beschieden war, versuchte es ein J. Federer 1927 mit dem Sihltaler Anzeiger. Federer liess das Blatt ab November 1927 im normalen Zeitungsformat erscheinen, doch gin-gen Verlag und Druck des katholisch- konservativ ausgerichteten Lokalblatts schon im Juni 1928 an die Druckerei Theiler in Wollerau. Dort blieb der Titel, wenngleich in verkleinertem Format, doch eine beachtlich lange Zeit erhalten: 1972 wurde das Erscheinen eingestellt mit dem Vermerk, dass der lediglich in geringer Auflage produzierte Sihltaler an der «Kosten-Krankheit» eingehe und somit «ebenfalls ein Opfer des allgemeinen Zeitungssterbens » werde. Das wurde offensichtlich vor 50 Jahren schon so geschrieben. Huber erwähnt zahlreiche weitere Neugründungen, um lakonisch zu bilanzieren: «Mit Ausnahme der Rigi-Post erlebte keiner der nach 1900 entstandenen Pressetitel das Jahr 2000.» «Eher noch auf Papier …» Abgeschlossen wird der redaktionelle Teil mit einem Epilog des Autors, in welchem er unter dem Titel «Zeitungsdruck und -verlag – ein vierhundertjähriges Verhältnis vor der Auflösung? » über die Zukunft der Medienbranche sinniert. Wie lange es noch gedruckte Zeitungen geben werde, sei eine Frage, «die sich nicht nur Publizisten und Zukunftsforscherinnen, sondern (…) auch die Marketingfachleute der Druck- und der Papierbranche stellen», schreibt er.

In einem Gespräch mit Stephan Weber vom Willisauer Bote ist er punkto Zukunftsaussichten bei den Lokalblättern und Qualitätszeitungen optimistischer. «Diese dürften eher noch auf Papier weitergehen», prognostiziert Huber.

«Unter Druck». Die Presse in der Zentralschweiz. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Autor Max Huber. 613 Seiten, ISBN 978-3-79654674-7, Verlag Schwabe

Foto: Stephan Weber

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