Sind Eltern heutzutage weniger belastbar?

Durchschnittlich gibt es in jeder Schulklasse ein Kind, das zu Hause regelmässig körperlich bestraft wird

Immer mehr Mütter und Väter suchen sich Hilfe in Erziehungsfragen.

Hohe Anforderungen im Beruf, an sich selbst, an die Partnerschaft, und der Anspruch, gute Eltern zu sein – ein ganz schön grosser Rucksack, welchen Mütter und Väter je nach Lebenssituation zu tragen haben.

Wird der Weg zu steinig oder tauchen Fragen auf, steht Claudia Furrer zur Seite: Während der letzten vier Jahre haben sich die Anzahl der Beratungsstunden sowie auch die Zahl der ratsuchenden Eltern verdoppelt. Das Angebot von Chindernetz Kanton Schwyz wird rege genutzt. Genaue Zahlen werden seitens Chindernetz jedoch nicht kommuniziert. Claudia Furrer erklärt sich diese Zunahme unter anderem durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Umgang mit Emotionen ist essenziell «Die Themen, mit denen Eltern zu uns kommen, haben sich nicht wirklich verändert. Oft geht es um Streitereien unter Geschwistern, Konflikte im Umgang mit Mediennutzung oder um Hausaufgaben.» Die Frage, ob Eltern heute weniger belastbar seien, kann Claudia Furrer nicht mit Ja oder Nein beantworten. «Ich kann diesbezüglich nur Hypothesen aufstellen, kann mir aber gut vorstellen, dass die zunehmende Vielfalt der Themen, der die Familien ausgesetzt sind, in der Tendenz eine grössere Belastung darstellen.» Nicht zuletzt habe sich das Familienbild während der letzten Jahrzehnte stark verändert. Die Anforderungen seien komplexer: «Eine gute Eltern-Kind-Beziehung wird von vielen Eltern angestrebt.» Claudia Furrer ist überzeugt, dass Eltern viel dazu beitragen können, wie Kinder lernen, mit Emotionen umzugehen. «Wenn in der Familie ein respektvoller Umgang gepflegt wird, können starke Emotionen besprochen und den Kindern gewaltfreie Handlungsweisen aufgezeigt werden.» Es sei wichtig, dass zu Hause eigene Grenzen formuliert würden und diese nicht aus einer Hilflosigkeit heraus mit Gewalt durchgesetzt würden: Als Eltern könne man viel vorleben, wie man miteinander umgehe. «Als Eltern hat man einen Einfluss und trägt eine Teilverantwortung, doch letztendlich liegt das Handeln in der Verantwortung des Kindes.» Im Kanton Schwyz haben lediglich Eltern aus den Gemeinden Steinen, Lauerz, Steinerberg, Wangen und aus dem Bezirk Küssnacht Zugang zu einer kostenlosen Erziehungsberatung der Anlaufstelle Chindernetz Kanton Schwyz.

Je nach Gemeinde tragen die Eltern die Kosten «Wir sind bemüht, mit anderen Gemeinden ebenfalls Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. » Denn ohne Vereinbarung würden die Kosten zulasten der Eltern und Erziehungsberechtigten gehen. Der Blick in die Statistik zeigt, dass sich zahlenmässig nur selten Eltern aus Gemeinden, welche die Beratungskosten nicht übernehmen, anmelden.

Erst seit Kurzem bietet der Kanton Glarus beispielsweise, wie viele weitere Kantone, Eltern eine Gratis-Beziehungsberatung an. «Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche bei psychischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsfragen frühzeitig erfasst und behandelt werden können», betont der Glarner Regierungsrat.

Gewalt gehört in vielen Familien zum Alltag

Erziehungsberaterin Claudia Furrer würde ein entsprechendes Vorgehen der Schwyzer Regierung «sehr begrüssen». Im Gesetz wird die Erziehungsberatung mit einer «Kann»-Formulierung erwähnt, und somit ist dies für den Kanton Schwyz nicht verpflichtend. «Ich bin überzeugt, dass alle Familien Unterstützung in der Begleitung ihrer Kinder verdienen», so Furrer.

Durchschnittlich gibt es etwa in jeder Schulklasse ein Kind, das zu Hause regelmässig körperlich bestraft wird: Dies zeigt eine Studie im Auftrag von Kinderschutz Schweiz. Über vier Prozent der Elternteile gaben an, regelmässig körperliche Gewalt anzuwenden.

Der deutlich am häufigsten genannte Anlass für körperliche Gewaltanwendung war, dass das Kind den Vater oder die Mutter geärgert, genervt oder provoziert habe. Jedes vierte Kind erfährt regelmässig psychische Gewalt.