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«Noten alleine werden nicht mehr ausschlaggebend sein»

«Noten alleine werden nicht mehr ausschlaggebend sein» «Noten alleine werden nicht mehr ausschlaggebend sein»

Auf das nächste Schuljahr hin wechseln erste Schwyzer Volksschulen auf ein gesamtheitliches Beurteilungssystem, wie vom Erziehungsrat vorgegeben. Tanja Grimaudo Meyer, Vorsteherin Amt für Volksschulen und Sport, erklärt das Ziel und den Stand der Umsetzung.

Warum wird an den Volksschulen das neue Reglement eingeführt? Was gab den Anstoss dazu? Die Einführung des Lehrplans 21 verlangt von den Lehrpersonen, dass sie kompetenzorientiert unterrichten. Weiter sind die Schülerinnen und Schüler gemäss Lehrplan 21 formativ, also bezüglich ihres Lernprozesses, zu beurteilen, summativ, das heisst bezüglich ihrer Leistung, und prognostisch bezüglich ihres künftigen Lernens und der Schullaufbahn. Das bestehende Promotionsreglement aus dem Jahr 2006 deckte diese Forderungen nicht mehr ab. Somit gibt es kein neues Promotionsreglement, vielmehr ein neues Beurteilungsreglement. Was sind die Vorteile zum bisherigen System?

Mit dem neuen Beurteilungsreglement wird die Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund gestellt. Es macht, wie erwähnt, Aussagen zu allen drei verlangten Beurteilungsarten. Die Schülerinnen und Schüler werden ganzheitlich beurteilt. Dadurch kann ein umfassenderes Bild über das Lernverhalten und Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler generiert werden. Wo liegen die Unterschiede?

Das bisherige Promotionsreglement beschreibt in erster Linie, wie mit Schülerinnen und Schülern umzugehen ist, die den Anforderungen in der Schule nicht entsprechen. Es ist somit für eine Minderheit konzipiert. Das neue Beurteilungsreglement stellt die Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund und ist somit für alle unterstützend. Was bringt das System den Lehrerinnen und Lehrern? Neu ist, dass die Lehrpersonen jährlich ein Standortgespräch mit den Erziehungsberechtigten und Schülerinnen und Schülern führen. In den Zyklen eins (erstes und zweites Kindergartenjahr, erste und zweite Primarklasse) und zwei (dritte bis sechste Primarklasse) wird es Jahreszeugnisse geben, im Zyklus drei (erste bis dritte Klasse der Sekundarstufe I) weiterhin Semesterzeugnisse.

Künftig ist kein fixer Notendurchschnitt mehr nötig, um den Übertritt zu schaffen. Wie viel Gewicht erhält das Lehrerurteil?

Lehrpersonen sind ausgewiesene Fachpersonen für das Lehren und Lernen. Sie können sehr gut beurteilen, wie die Schülerinnen und Schüler zu fördern sind. Das neue Beurteilungsreglement baut auf dem Expertenwissen der Lehrpersonen auf. Die Lehrpersonen nehmen eine Gesamtbeurteilung der Schülerinnen und Schüler vor. Diese Gesamtbeurteilung umfasst deutlich mehr als nur einen Notendurchschnitt.

Was heisst das konkret?

Nach wie vor wird es in der Schule summative Bewertungen geben. Diese können in Form von Noten, aber auch in anderer Form erfolgen, zum Beispiel mittels Prädikaten, Wortrückmeldungen, Farbcodes et cetera. Die Noten alleine werden künftig nicht mehr ausschlaggebend sein für einen Schullaufbahnentscheid, das heisst, ob ein Kind die Klasse repetieren muss oder überspringen kann, ob es in die Sekundarstufe wechselt oder innerhalb der Sekundarstufe das Profil wechselt. Vielmehr sind die Noten Bestandteil einer Gesamtbeurteilung.

Wo stehen die Schwyzer Schulen in der Vorbereitung? Die Lehrpersonen im Kanton absolvieren im laufenden Schuljahr drei Weiterbildungshalbtage zum neuen Beurteilungsreglement. Zwischen den Weiterbildungshalbtagen sind die Teams angehalten, sich vertieft mit dem Gehörten auseinanderzusetzen. Zudem ist für die Lehrpersonen eine Handreichung erstellt worden, in der die pädagogischen Hintergründe festgehalten sind. Gibt es noch Stolpersteine?

Ein Wechsel eines Systems ist per se herausfordernd. Lehrpersonen müssen einige ihnen vertraute Wege verlassen. Andere Lehrpersonen sehen den Wechsel auf das neue Beurteilungsreglement als längst überfällig an. Ebenfalls bedeutet das neue Beurteilungsreglement auch für die Erziehungsberechtigten eine Änderung: Das System, das die meisten Erziehungsberechtigten aus eigener Erfahrung kennen, wird geändert. Wie begleitet Ihr Amt die Volksschulstandorte bei der Umsetzung?

In Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Schwyz entwickelte unser Amt die Weiterbildungen für die Lehrpersonen. Ein vom Kanton Schwyz finanziertes elektronisches Tool unterstützt die Lehrpersonen in der Umsetzung des Beurteilungsreglements. In Zusammenarbeit mit den Schulstandorten bietet der Kanton Schwyz für Erziehungsberechtigte Informationsanlässe an. Zudem stellt er weitere Informationsmaterialien für Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte zur Verfügung.

Der Aufwand für Lehrpersonen steigt. Deshalb steht die Forderung nach einer Entlastungslektion im Raum. Einen entsprechenden Bericht zur Ressourcierung hat Ihr Amt zuhanden des Erziehungsrats erstellt. Was sind die Ergebnisse? Eine Änderung wird in der Einführungsphase verständlicherweise als Mehrbelastung wahrgenommen und beansprucht Zeit. Das Amt für Volksschulen und Sport ist überzeugt, dass die engagierten Schwyzer Lehrpersonen die Umsetzung professionell vornehmen werden. Das neue Beurteilungsreglement ist nicht eine «Neuerfindung». Es gibt Kantone, zum Beispiel Zürich und Glarus, in denen vergleichbare Beurteilungsreglemente schon seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt und von der Lehrerschaft gut angenommen werden. Der erwähnte Bericht ist dem Erziehungsrat vorgestellt worden und wurde in das noch laufende Projekt «Lehrpersonenmangel/Attraktivierung Lehrberuf» eingebettet. Sind derzeit alle Volksschulen im Kanton Schwyz auf Kurs? Ja, die Schulen sind auf Kurs. Der Schwyzer Erziehungsrat hat den Schulen freigestellt, ob sie das neue Beurteilungsreglement auf das Schuljahr 2023/24 oder auf das Schuljahr 2024/25 einführen. Er stellt damit die Qualität der Umsetzung in den Vordergrund.

3. Februar 2023 | Nummer 9 | 15

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