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Über 8000 Liter Blut verarbeitet

Über 8000 Liter Blut verarbeitet Über 8000 Liter Blut verarbeitet

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es in Einsiedeln kein Blutspendezentrum mehr

Seit 1974 konnte am Spital Einsiedeln sporadisch Blut gespendet werden. Am 1. Februar 2000 übernahm Gerda Kuriger die Leitung des Blutspendezentrums und seither waren regelmässige Entnahmen möglich. Nun ist Schluss.

ANGELA SUTER

«Es ist uns ein Anliegen, Ihnen mitzuteilen, dass wir Ihr Blut nach wie vor benötigen und wir deshalb hoffen, weiterhin mit Ihrer Blutspende rechnen zu können. Die benötigten Blutbeutel fürs AMEOS Spital Einsiedeln werden ab dem 1. Januar 2023 vom Zürcher Blutspendedienst (ZHBSD) bezogen. Ihre Spende kommt also nach wie vor unserer Region zugute», mit diesen Worten gelangte die Spitaldirektion Ende Dezember an die rund 350 Blutspenderinnen und Blutspender aus der Region Einsiedeln.

Verschiedene Faktoren führten dazu, dass das Blutspendezentrum in Einsiedeln nicht aufrechterhalten werden konnte. Einerseits waren das die immer grösser werdenden Auflagen und kostspieligen Inspektionen, die regelmässig anstanden. Andererseits gab es auch einen personellen Wechsel: Die langjährige Leiterin Gerda Kuriger wurde pensioniert. Gerne hätte die 64-Jährige in einem Kleinpensum zumindest eine Entnahmestelle in Einsiedeln betrieben. Doch die-ser Lösungsvorschlag kam für den ZHBSD nicht infrage, obwohl sich AMEOS sehr dafür einsetzte. Für so ein kleines Laborteam wie das in Einsiedeln wäre der Aufwand zum Weiterbetrieb zu gross gewesen. So entschied man sich schweren Herzens, das Blutspendezentrum aufzugeben.

Gerda Kuriger wird ab dem 1. Februar 20 Prozent an der Entnahmestelle in Lachen arbeiten. Das zeigt, wie sehr sie mit ihrem Beruf verbunden ist. Wie es dann in Lachen wird, lässt sie sich überraschen: «Ich nehme es vorzu, wie es sich halt ergibt!» Doch zuerst schwelgte sie mit dem Einsiedler Anzeiger in Erinnerungen an 23 wunderbare Jahre mit schönen Begegnungen. Bis zu 20 Spender pro Abend

Die Ausbildung zur Arztgehilfin, heute MPA, machte Gerda Kuriger 1976 bis 1978 am Notspital in Einsiedeln. Sie blieb dem Spitallabor noch ein Jahr treu, bevor es sie für ein Jahr ins Labor nach Burgdorf zog.

Anschliessend reiste sie durch die Welt, bis sie 1985 wieder in Einsiedeln sesshaft wurde, zwei Kinder bekam und heiratete. Sie arbeitete Teilzeit in einer Hausarztpraxis und schloss 1998 die Ausbildung zur Medizinischen Masseurin ab. Dieses zweite Standbein übte die Einsiedlerin über 20 Jahre in einer eigenen Praxis aus und heute ist sie noch stundenweise für ein Hotel tätig.

2000 wollte sie wieder als MPA einsteigen, doch leider waren die Anforderungen gestiegen und sie konnte nicht ins Labor zurück. Aber es ergab sich eine andere Möglichkeit: «Mir wurde angeboten, das Blutspendezentrum zu übernehmen und aufzubauen. Denn das Spital Einsiedeln wollte weniger vom ZHBSD abhängig sein.» Die Blutspende-Entnahme kannte Gerda Kuriger schon von ihrer Arbeit im Labor, sie habe es aber nie besonders gerne getan. Das habe sich aber schnell geändert und die Arbeit im Blutspendezentrum gefiel ihr schlussendlich sehr. Sie führte die Abendspenden ein und so liess sich die Arbeitszeit gut als alleinerziehende Mutter vereinbaren: «Ich konnte mir die Zeit relativ flexibel einteilen und war sehr selbstständig unterwegs. Den Kontakt mit den Spendern habe ich sehr geschätzt.» Auch der Teamzusammenhalt im Labor war ausserordentlich gut, in all den Jahren war die Zusammenarbeit immer sehr kollegial und zu einigen wird Gerda Kuriger weiterhin freundschaftlichen Kontakt halten: «Ich freute mich wahnsinnig darüber, dass ich an meinem letzten Arbeitstag mit einem Abschiedsapéro und unzähligen Geschenken überrascht wurde.» Rund 800 Entnahmen à 450 Milliliter von rund 350 Blutspendern pro Jahr wurden in Einsiedeln durch Gerda Kuriger durchgeführt. So kamen in den letzten 23 Jahren rund 8200 Liter Blut zusammen. Hinzu kamen aus der Region die regelmässig durchgeführten Blutspendeanlässe der verschiedenen Samaritervereine der Region, die weiterhin angeboten werden.

Doch diese Angebote seien nicht mit dem Blutspendezentrum vergleichbar, meint Gerda Kuriger: «Es wurde wahnsinnig geschätzt, dass ich mich immer telefonisch gemeldet habe. So war es halt viel persönlicher. Und die Blutspender kamen sehr fleissig.» Auch die Geschenkeauswahl war sehr beliebt. Dazu gibt es eine lustige Anekdote aus früheren Tagen: «Josef Schönbächler, früherer Verwalter der Stiftung Krankenhaus Maria zum finstern Wald, fand es nicht sehr optimal, wenn die Spender mit Weinflaschen aus dem Krankenhaus liefen. Doch er strich nicht die Weine von der Geschenkeliste, sondern führte stattdessen eine Apothekertasche ein, damit man den Wein versteckt nach Hause nehmen konnte!» Von A bis Z alles in Einsiedeln

Gerda Kuriger betreute die Spender und deren kostbares Blut von Anfang bis zum Schluss. Neben dem telefonischen Aufbieten gehörte natürlich die komplette Spenderbetreuung zu ihren Aufgaben: den Fragebogen kontrollieren, die Spendertauglichkeit kontrollieren, sprich Hämoglobinwert und Blutdruck messen, die eigentliche Spende und anschliessend die Spenderüberwachung. Damit war ihre Arbeit aber noch nicht getan. Gleichentags – daher arbeitete Gerda Kuriger jeweils bis tief in die Nacht – musste auch die Endproduktion durchgeführt werden. Das beinhaltete die Filtration des Blutes, wo die weissen Blutkörperchen entfernt wurden. Anschliessend wurde es gekühlt zentrifugiert, damit sich die roten Blutkörperchen absetzten. Das Plasma wurde daraufhin entfernt, schockgefroren, gesammelt und später an einen Plasmaabnehmer verkauft. Die roten Blutkörperchen wurden zu einem Erythrozytenkonzentrat, welches zu rund 80 Prozent direkt am Spital Einsiedeln verwendet wurde. Zuerst ging es aber für alle Produkte in Quarantäne. Erst wenn die Labortests abgeschlossen waren, wurden die aus der Spende hergestellten Blutpräparate freigegeben.

Viele schöne Erinnerungen Viele Spender durfte Gerda Kuriger bis 75-Jährig – bis zum Ende der Blutspendelaufbahn – begleiten. Ein früherer Spender kam alle drei Monate. Wenn sie vergass ihn aufzubieten, meldete er sich selber und erreichte so 150 Blutspenden! Unzählige Spender begleiteten die 64-Jährige seit vielen Jahren. Alle, die sie persönlich über das Ende des Blutspendezentrums informieren konnte, bedauerten das sehr. Besonders in Erinnerung bleibt ihr ein spezielles Ereignis. Bei einem Spender erwischte sie eine Arterie – ein sogenannter «Glückstreffer». Sie merk-te den Fehler rasch, denn das Blut lief viel zu rasch. Sie versuchte ruhig zu bleiben, um den Spender nicht auch noch zu verunsichern. Mittels eines Druckverbandes konnte die Blutung dann glücklicherweise gestoppt werden. Und der Spender kam weiterhin gerne – Gerda Kuriger nahm einfach fortan den anderen Arm … «Die grösste Konstante in meinem Leben war das Blutspenden », lacht die leidenschaftliche Tänzerin und erinnert sich an einen schönen Lebensabschnitt zurück. Nun wird sie es vermehrt geniessen, Ski und E-Bike zu fahren, zu stricken und ihre vier Enkel öfter in Bern zu besuchen. Sie freut sich schon auf den Senioren-Line- Dance-Kurs, für welchen sie sich angemeldet hat. Schon immer gerne restaurierte sie Möbel und vielleicht wird sie auch mit Malen beginnen, denn: «Ich habe zur Pensionierung einen Malkasten erhalten.» Nicht zuletzt wird sie sich der Ordnung auf ihrem Computer, insbesondere der Fotos, widmen: «Eines ist klar, mir wird es sicher nicht langweilig!»

Gerda Kuriger mit ihren letzten drei Blutspendern am 21. Dezember 2022 an ihrem langjährigen Arbeitsplatz. Von links: Armin Kälin, Frank Birchler und Michael Loser. Unten rechts: Eine Archivaufnahme aus dem Jahr 2002 zeigt Gerda Kuriger bei der Arbeit.

Fotos: zvg

«Es wurde wahnsinnig geschätzt, dass ich mich immer telefonisch gemeldet habe. So war es halt viel persönlicher. Und die Blutspender kamen sehr fleissig.»

Gerda Kuriger

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