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Markus Niederberger 2.5.1936 – 19.11.2022

NEKROLOGE

Am 2. Mai 1936 kam Markus Niederberger in Küssnacht auf die Welt. Als er 13 Jahre alt war, ist er mit seiner Familie ins Willerzell gezogen, hat in Einsiedeln die Schule abgeschlossen und dann eine Lehre als Buchhalter gemacht. Mit Zahlen arbeiten – das hat er bis wenige Wochen vor seinem Tod gemacht. Dabei ist ihm seine korrekte und genaue Art entgegengekommen.

Am 2. Oktober 1961 heiratete Markus Maria, eine Schwester des späteren Regierungsrates Oskar Kälin. Marias Hand hat er 60 Jahre nicht mehr losgelassen. Miteinander haben sie in Schindellegi ein Daheim für ihre Familie aufgebaut. Nacheinander durfte er seine Kinder Marianne, Marlis und Mark in die Arme schliessen. Ihnen und später seinen Grosskindern war er ein fürsorglicher Dädi. Sie erlebten ihn als einen geduldigen Mann, der zuhören konnte und geholfen hat, wo immer er gebraucht wurde. Obwohl das Daheim der Familie immer in Schindellegi war, ist Markus viel in Willerzell gewesen. Dort haben seine Eltern nämlich das Restaurant und Hotel Löwen mit Laden geführt, und dort hatte er ein Büro, machte Buchhaltungen und half daneben im Laden und im Restaurant mit – besonders in der Küche – einfach dort, wo es nötig war.

Er war ein Multitalent. Nach dem Tod seines Vaters mach-te die Mutter das Wirtepatent. Sie war froh, dass Markus sie weiterhin tatkräftig unterstützte. Nachdem seine Mutter den Betrieb in Willerzell verpachtet hat-te, konzentrierte sich Markus in seinem Büro zu Hause auf die Buchhaltungen. Dafür beschaffte er sich schon früh einen Computer und blieb immer à jour. So ging es bis vor wenigen Wochen, als die Kräfte stark nachliessen und Markus von der Gerbe, wo er und Maria jetzt wohnten, ins Spital Einsiedeln musste, wo er verstarb.

Markus Niederberger ist eng mit meiner Kindheit in Willerzell verbunden. Mein Blick schweift zurück in den Anfang der 1950er-Jahre. Willerzell war ein verträumtes Dorf am See, im Mittelpunkt die alles überragende Kirche, daneben das Schulhaus, das Restaurant Schlüssel und die Gaststätte mit dem in der Nacht geheimnisvoll blau schimmernden Schriftzug «Löwen » auf dem Balkon, nicht zu vergessen das gar nicht so grosse, sondern eher etwas geduckte «Grosshus» gegenüber dem Löwen. Hauptverkehrsmittel waren die beiden Füsse und das Velo. Ein Auto hatte nur der Schlüsselwirt. Ansonsten erinnere ich mich an zwei Töff- und einen Vespa-Besitzer. Der Briefträger kam mit dem Fahrrad, die Milch wurde in silberglänzenden Kannen vom Fuhrmann Fuchs morgens und abends mit dem Pferdefuhrwerk nach Einsiedeln in die Molkerei transportiert. Das silbrig grau klitzekleine Postauto hatte drei Kurse, am Vormittag um 9 Uhr, mittags und abends. Hochzeitscars ka-men am Wochenende über den Viadukt zum Festessen im Gasthaus Löwen. Kinder spannten ab dem Mirli, damals noch ein altes Haus, das bald abgerissen wurde, Blumengebinde über die Strasse, was die Busse veranlasste zu halten, worauf Feuersteine aus dem Fenster geworfen wurden. Damals gab es einen Küster, Herr Gräzer, der neben der Post wohnte und jeweils zur Kirche eilte und an Seilen die Glocken zum Läuten brachte.

Unter den Jugendlichen – Lehrer-Blasius und Lehrer-Joseph, Schlüssel-Paul, Schlüssel- Walter und -Arthur, Grosshus- Meiri und Else, Gräzer Vreni und Pius, Kasper-Meiri, «Heller Wiesel» und anderen – stach Markus, acht Jahre älter als ich, hervor. Dank seiner Wesensart und seinem gewinnenden Aussehen war er eine eigentliche Lichtgestalt. Seine Liebenswürdigkeit war einmalig, seine Hilfsbereitschaft unübertrefflich. Einmal hatte ich das Velo an einen Randstein gefahren – Markus reparierte es auf der Stelle, sodass meine Eltern von dem Malheur nichts mitbekamen. Im Sommer luden Markus und sein Bruder Meiri Willerzeller Kinder oft in die kleine Hütte des Löwens am Seeufer ein. Nach meiner Erinnerung habe ich dort zum ersten Mal angefangen zu schwimmen. Im Winter wanderte Markus jeweils mit einer Kinderschar durch den zum Teil recht ho-hen Schnee zur Grosshus-Hütte weit oben auf dem Hügel hinter dem Gut von Hans Fuchs, der in jener Zeit zur Freude von Willerzellern in den Nationalrat gewählt wurde.

Als er im Jahr 1957 einige Monate in England zum Sprachlernen weilte, schickte er mir eine Karte. Nach meiner Rückkehr von meinem sechsjährigen Ostasienaufenthalt lud er mich in den Löwen ein und bekundete grosses Interesse an meinen Erlebnissen und Eindrücken.

In der letzten Zeit habe ich ihn und seine Frau Marie einige Male im Klostergarten zum Mittagessen eingeladen. Wir schwelgten in alten Erinnerungen. Markus war von einmaliger Herzensgüte und grenzenloser Weltoffenheit. Jedes Mal, wenn er mir in den Sinn kommt, freue ich mich voller Dankbarkeit darüber, ihn von meiner Kindheit an als Freund gehabt zu haben.

Harro von Senger (Willerzell)

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