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«Menschen jeden Alters können sich bei uns melden»

«Menschen jeden Alters können sich bei uns melden» «Menschen jeden Alters können sich bei uns melden»

Die Schwyzer Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung ist nicht nur für Schüler da. Die neue Amtsleiterin Janina Baruth betont, dass man mit der Aus- und Weiterbildung nie so richtig fertig sei. Das duale Bildungssystem sei hier eine grosse Hilfe, könne aber auch verwirrend sein.

PATRIZIA BAUMGARTNER

Sie sind seit dem 1. Mai Vorsteherin des Schwyzer Amts für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB). Was heisst das, was sind Ihre Haupttätigkeiten?

Das sind vor allem strategische Themen – zusammengefasst: Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung dauerhaft fit für die Zukunft zu machen. Dazu Weitblick zu zeigen und Visionen zu entwickeln und gemeinsam mit meinem Team umzusetzen. Grundsätzlich habe ich die organisatorische, personelle, fachliche und finanzielle Führungsverantwortung über das Amt. Mit mir arbeiten 26 Leute an drei Standorten der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Wir sind in Pfäffikon, Goldau und Einsiedeln präsent. Mein Hauptarbeitsplatz ist in Pfäffikon. Haben Sie auch Kontakte über den Kanton Schwyz hinaus? Ja, die Pflege der Zusammenarbeit mit anderen Kantonen, anderen Ämtern des Kantons Schwyz, der Wirtschaft und den Bildungsinstitutionen gehört zu meinen Aufgaben. Hinzu kommt die Mitarbeit in diversen fachbezogenen Projekten sowie in kantonalen, regionalen und nationalen Gremien der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.

Was hat Sie dazu bewogen, vom Kanton Zürich nach Schwyz zu wechseln? Es war die Möglichkeit, die Position als Amtsleiterin der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung im Kanton Schwyz übernehmen zu dürfen. Denn ich wünschte mir eine Stelle, in der ich gestalten kann, und die meine Begeisterung für Bildung und mein starkes Interesse für Politik und Wirtschaft miteinander verbindet. Zudem beflügelt mich die Vorstellung, dass jeder Mensch das Beste aus sich selbst herausholen kann. Völlig unabhängig von seiner Ausgangslage.

Wo waren Sie vorher tätig?

In einer leitenden Position in der Weiterbildung beim Migros Genossenschaftsbund – und zwar bei der Direktion der Klubschulen, als Leiterin Produktmanagement und Mitglied Direktionsleitung. Wir haben nationale Produkte und Strategien entwickelt. Ich war acht Jahre dort tätig und habe unter anderem auch eine Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin gemacht und selber unterrichtet. Ich wünschte mir zunehmend eine Position, die Politik, Wirtschaft und Bildung noch mehr miteinander verbindet.

Wie erleben Sie Land und Leute als gebürtige Deutsche?

Ich wusste schon nach einem Wochenend-Trip nach Zürich im Jahr 2001, dass ich einmal hier in der Schweiz leben möchte. Ich wohne bereits seit 18 Jahren in der Schweiz und bin begeistert von Land und Leuten. Mein Mann ist Schweizer – auch ein grosser Teil meines Freundeskreises. Mit grosser Freude und Dankbarkeit habe ich im Jahr 2018 meinen Schweizer Pass entgegennehmen dürfen. Auch in meinem neuen Job lebe ich mich gut ein. Es ist spannend, herausfordernd und intensiv. Jeden Tag lerne ich etwas Neues. Ich fühle mich wohl und ich wurde auch sehr offen und freundlich empfangen – das hat natürlich sehr geholfen. Zudem erlebe ich den Kanton Schwyz als bodenständig, aber dennoch innovativ, pragmatisch und direkt. Das gefällt mir sehr gut. Sie wohnen in Zürich. Könnten Sie sich auch vorstellen, in den Kanton Schwyz zu ziehen? Als ich meinen Mann kennengelernt habe, wohnte er in Lachen. Wir hatten viel im Kanton Schwyz unternommen – und irgendwann stellte sich die Frage: Wohin ziehen wir gemeinsam? Nach Zürich, wo ich lebte, oder in den Kanton Schwyz? Es wurde erst-mal Zürich. Was mittelfristig sein wird, halten wir offen. Zurück zur kantonalen Berufs-, Studien und Laufbahnberatung. Ist diese obligatorisch für Schülerinnen und Schüler? In der zweiten Oberstufe wird ein Besuch an einem der Beratungs- und Informationszentren des Kantons Schwyz (BIZ) als Schulklasse durchgeführt. Danach ist die Berufsberatung freiwillig. Wir erleichtern jedoch den Zugang, indem wir auch an die Schulen gehen und dort Sprechstunden anbieten sowie den direkten Kontakt zu Lehrpersonen suchen. Wir drängen uns nicht auf, aber bieten den Zugang so niederschwellig wie möglich. Das Angebot der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung ist aber nicht nur für Schüler, sondern auch für Erwachsene gedacht?

Man kann sich in jedem Alter bei uns melden. Wie der Name unseres Amts sagt, bieten wir neben der Berufs- und Studienberatung auch Laufbahnberatungen an – und viele Erwachsene nehmen dieses Angebot wahr. Dies wird durch das nationale Projekt «viamia – die Laufbahnberatung ü40» noch gestärkt. Wir sind für alle Schwyzerinnen und Schwyzer da und unterstützen gerne in unterschiedlichen Lebensphasen und Situationen.

Was kostet das?

Unsere Laufbahnberatung ist im Kanton Schwyz seit Anfang dieses Jahres kostenfrei. So erleichtern wir den Zugang – auch für die Erwachsenen. Es gibt heute Berufe und Ausbildungen in Hülle und Fülle. Dazu stehen einem durch das duale Ausbildungssystem sehr viele Türen offen. Wie sehen Sie das? Das Leben ist lang, und man ist nie fertig. Wir haben so viele Möglichkeiten, und das ist grossartig, kann aber auch verwirrend sein. Die Durchlässigkeit des Bildungssystems und die duale Berufsbildung sind essenzielle Erfolgsfaktoren der Schweizer Wirtschaft. Manche Jugendliche werden erst später reif und entdecken ihren Wunschberuf zu einem anderen Zeitpunkt. Das Besondere des Schweizer Bildungssystems liegt darin, dass ein Wechsel immer möglich ist. Schauen Sie ins Ausland, zum Beispiel nach Italien, Frankreich oder England. In einigen Regionen liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über dreissig Prozent. Eine Lehre sorgt für eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Unser System bietet den Jugendlichen eine Ausbildung auf ho-hem Niveau und anschliessend einen direkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Dass es die Möglichkeit gibt, nach einer Lehre bis zum Doktorat zu gehen, ist sehr fortschrittlich. Wie steht es mit Themen wie Gender oder typischen Frauenund Männerberufen? Das Bewusstsein dafür ist heute grösser. Man versucht, Frau-en zu ermutigen, zum Beispiel in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) Berufe zu ergreifen. Das ist auch ein kulturelles Thema – viele dieser MINT-Berufe sind zum Beispiel in Osteuropa auch von Frauen hochfrequentiert. Es ist spannend, über die Landesgrenzen hinauszuschauen. Aber klar, es gibt schon noch diese Männer- oder Frauenberufe. Das ergibt Druck auf beiden Seiten: Beispielsweise an den Swiss Skills präsentieren sich die Jungs bei den handwerklichen Berufen und die Mädchen in Pflege- oder Kreativberufen. Jugendliche in diesem Alter sind oft mitten im Findungsprozess. Man muss stark sein, um sich als Junge zu den Coiffeuren zu gesellen, leider auch heute noch … Es spielen viele Faktoren eine Rolle bei der Entstehung eines Berufswunsches. Wir an der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung zeigen übrigens gerne und völlig neutral auf, welche möglichen Wege es gibt. Was ist das Wichtigste am eigenen Beruf? Wie findet man das?

Mein Tipp ist: Finden Sie heraus, wofür Sie richtig brennen, was Sie antreibt, sodass Sie bei dem Gedanken daran schon Bäume ausreissen könnten. Und damit meine ich nicht, dass Sie einen Beruf nennen sollen. Sondern die Inhalte, die Werte, die Tätigkeiten und das Umfeld. Stellen Sie sich Fragen wie: Wünsche ich mir ein Team oder eine Kollegin, mit der ich gemeinsam etwas auf die Beine stellen kann? Blühe ich auf, wenn ich dazu beigetragen habe, dass es anderen gut geht? Stehe ich gerne im Rampenlicht? Bin ich gerne allein und vergesse die Zeit, wenn ich mich richtig in etwas vertiefen kann? Will ich direkt ein Ergebnis sehen oder es sogar anfassen können? Früher verbrachte man das ganze Leben im gleichen Beruf. Heute sollte man den Job alle paar Jahre wechseln? Woher dieser Wandel? Da ist individuell. Wenn ein Mensch sein gesamtes Berufsleben in einem Unternehmen bleiben möchte, scheint die Person dort glücklich zu sein, was grossartig ist. Ich halte es aller-dings für sehr wichtig, sich immer weiterzubilden. Völlig unabhängig davon, ob ich vier oder vierzig Jahre in einem Unternehmen tätig bin. Auf die Weiterbildung und das lebenslange Lernen kommt es an. Nicht auf die Jobwechsel. Ständige Veränderungen des Umfelds führen übrigens unter Umständen auch zu Veränderung der persönlichen Interessen und Werte. Das kann wiederum den Wunsch nach einer Neuorientierung auslösen. Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung unterstützt und begleitet Personen dabei. Sie steht einem nicht nur als «Kickoff- Veranstaltung» zu Beginn der beruflichen Karriere zur Seite. Warum gibt es heute viel mehr Burnouts als früher? Dieser Eindruck trügt nicht. Es gibt Zahlen vom Amt für Statistik, die das belegen. Zeitgleich steigt übrigens auch das Angebot an Coaches, Therapien und so weiter in diesem Zusammenhang. Über das «Warum » machen sich seit Jahren viele Fachpersonen Gedanken. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass es vor allem die Schnelligkeit der Veränderungen ist, welche die Menschen verunsichert. Aber auch die Menge an Informationen, die permanent auf allen Kanälen auf uns einprasselt. Das muss unser Gehirn verarbeiten und einordnen können, das kostet Energie. Was uns fehlt, ist Entspannung. Und die wünsche ich uns allen. Zum Schluss: Wie war Ihr eigener Bildungsweg? Konnten Sie auch von Berufsberatung profitieren?

Nein, ich hätte das aber gerne gehabt. Das war damals noch nicht so verbreitet. Ich bin jedoch sicher, es hätte mich in meinem Prozess unterstützt. Ich habe Abitur gemacht und bin danach nicht an eine Universität gegangen, sondern habe eine Lehre als Industriekauffrau in Angriff genommen. Die Lehre konnte ich bei Universal Music machen und wollte dann damals auch nicht mehr gehen, denn es hat mir zur damaligen Zeit sehr gut in der Musikbranche gefallen. Deshalb habe ich berufsbegleitend studiert, mich immer weitergebildet und so meine Laufbahn gestaltet.

Janina Baruth ist ein Fan des Schweizer Bildungssystems: «Dass es die Möglichkeit gibt, nach einer Lehre bis zum Doktorat zu gehen, ist sehr fortschrittlich.

Foto: zvg

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