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Bis vor zehn Jahren inexistent auf der Landkarte

Bis vor zehn Jahren inexistent auf der Landkarte Bis vor zehn Jahren inexistent auf der Landkarte

Die Festung Etzel Ost auf dem Weg zwischen St. Meinrad und Hochetzel ist ein lehrreiches Museum

Traumhafte Aussicht nach Süden und Osten, 1,6 Meter dicke Mauern, rundum Fels, eine schwere Stahltüre als Eingang, Luft und Licht dringen nur durch schmale Scharten ein, im Innern in eine Zeit vor 80 Jahren versetzt – seit zehn Jahren das Reich von Johann Furrer.

MARLIES MATHIS

Es ist schon etwas unheimlich, wenn sich die schwere Stahltür der Festung an schönster Lage am Waldrand des Südhangs am Etzel, oberhalb des St. Mein-rads, öffnet.

Zum Glück hat es drinnen Licht, und der Besucher sieht sogleich, dass es tief in den Berg hineingeht. Bereits nach wenigen Metern erhält er auf zahlreichen Plakaten an der Beton-wand einen detaillierten Einblick in die Geschichte und den Bau dieser Anlage. Diese Anga-ben ergänzt Johann Furrer sachlich und ausführlich mit profundem Wissen. Noch spannender ist es jedoch, die vielen Gänge und Räume mit ihren grösstenteils originalen Einrichtungen zu erkunden. Für die Generationen, welche die Kriegsjahre nicht miterlebt haben, öffnet sich dabei eine ganz unbekannte Welt.

Innert Kürze erstellt

Die Festung Etzel Ost ist eine kombinierte Kampf- und Kommandoposten- Anlage aus dem Zweiten Weltkrieg und bildet einen Teil der Réduit-Sperre St. Meinrad-Etzel. Sie wurde in den Jahren 1941/42 durch das Militär in nur acht Monaten Bauzeit erstellt und bis 1993 genutzt. Der Aushub wurde durch ein heute noch existierendes, ortsansässiges Baugeschäft in Handarbeit vorgenommen. Mit Pressluftbohrern wurden Löcher gebohrt und es wurde mit Dynamit gesprengt. Den Schutt karrte man von Hand weg. Nach dem Erstellen der Stollen durfte die Anlage jedoch von keinem Zivilisten mehr betreten werden. Sie wurde dann durch die Soldaten betoniert, innen ausgebaut und Ende Mai 1942 fertiggestellt.

Die Festung wurde für 120 Soldaten ausgelegt, hatte aber nur 65 Betten, da der Dienst in Schichten erfolgte. Eine Gruppe war im Einsatz, eine andere konnte schlafen, und eine weitere war in Bereitschaft oder am Essen. Nach einiger Zeit ver-lor man allerdings das Zeitgefühl. Ob es Tag oder Nacht war, war nicht einfach auszumachen, ebenso war es mit dem Wetter. Auch von einem Gewitter draussen war und ist durch die meterdicken Betonwände und Felsen drinnen nichts zu hören.

Im Konzept der Armeereform 95 war für Befestigungsanlagen mit Wurzeln im Zweiten Weltkrieg kein Bedarf mehr. Deshalb wurde die Anlage 1993 desarmiert, das heisst, Waffen, Munition und Ausrüstung wurden entfernt, und 1994 an eine Privatperson verkauft, die sie als Lager nutzte. 2013 stand die Festung wieder zum Verkauf, weil sie der damalige Besitzer altershalber in neue Hände geben wollte.

Aus purem Zufall Wie kommt man aber überhaupt auf die Idee, eine Festung zu kaufen und sie mit viel Aufwand, Ausdauer und Leidenschaft in den Originalzustand zu verset-zen, um sie so für die Nachwelt zu erhalten?

Nach rund zwei Stunden wieder draussen vor dem Eingang des Gebäudes mit der Hausnummer 19 am Etzelsüdhang, bei herrlich warmem Herbstwetter und traumhafter Aussicht, erzählt der heutige Besitzer, Johann Furrer, wie er zu diesem Bauwerk gekommen ist. «Es ist purer Zufall gewesen. In meiner Dienstzeit beim Militär als Übermittlungsgerätemechaniker habe ich nie eine Festung von innen gesehen. Ich las zufällig im Internet, dass diese Festung zu verkaufen sei. Da ich die Gegend um Einsiedeln schon gut kannte, entschloss ich mich, das Bauwerk zu besichtigen. Einmal drinnen, war ich total begeistert und wollte es unbedingt kaufen. Das war dann aber nicht so einfach. Neben mir waren noch 35 Personen an der Besichtigung, von denen zwei ebenfalls zum Kauf entschlossen waren. Der Verkäufer hob darauf den Kaufpreis an und ich habe schliesslich den Zuschlag bekommen.

Um die Anlage besser zu fin-den, habe ich eine offizielle Adresse beantragt. Sie zu erhalten, war gar nicht so einfach. Die Festung wurde ursprünglich schnell und unbürokratisch ohne Baugenehmigung im Notrecht zum Schutz des Landes vom Militär gebaut und aus Geheimhaltungsgründen auf keiner Karte eingetragen. Also musste die Festung zuerst vom Geometer vermessen und im Katasterplan eintragen werden, um dann eine Hausnummer zu erhalten», erklärt der 63-jährige Sammler.

Beweggründe für das Erstehen und das originale Einrichten dieser Anlage sind für ihn, die Festung Etzel Ost als militärisches Kulturgut für die Nach-welt zu erhalten und sie als Festungsmuseum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sodass nebst älteren Semestern auch jüngere Generationen in diese Zeit eintauchen können. Ihm bereiten aber auch das Arbeiten in dieser Festung, das Sammeln der militärischen Objekte und das Führen von Personen durch die Anlage sehr viel Freude!

Militärische Schätze jeglicher Art Im Innern des 125 Meter langen Korridors mit seinen zahlreichen Seitengängen fühlt man sich um Jahrzehnte und in ein Leben als Militärdienstangehörige(r) zurückversetzt. Nach dem Passieren der Gasschleuse wird der Kommandoposten erreicht, wo sich die Militärgrade in der Anzahl Betten, respektive des Komforts pro Raum niederschlagen. Die Toilettenanlagen wurden erst 1974 an die Kanalisation angeschlossen. Zwei WC’s sind noch im Originalzustand von 1942 zu sehen und machen einem dank-bar den Komfort von heute wieder bewusst.

Zurück im Hauptgang zweigen Seitengänge zu weiteren Räumen und den vier Maschinengewehrständen ab. Es ist fast unglaublich, was sich da an Räumen, Einrichtungen, Werkzeugen, Geräten, Waffen, Hilfsmitteln, Materialien, ja selbst Notvorrat von damals alles entdecken lässt! Beeindruckend sind beispielsweise zwei bes-tens ausgerüstete Kampfstände mit einem raffinierten Schiesspanorama und originalen Maschinengewehren. Anschaulich und ausführlich werden alle Funktionen, Sinn und Zweck von simplen, aber effizienten Tricks, wie beispielsweise des Kühlens eines heissen Gewehrlaufs oder das Schiessen bei Nacht und Nebel erklärt.

Interessant waren auch die Aufgaben der Aussen-Beobachtungsposten. Sie gaben zuerst über Funk ihre Beobachtungen durch. Gleichzeitig wurden zu ihnen Feldtelefonleitungen verlegt und wurde danach aufs Telefon umgestellt, damit sie nicht geortet oder abgehört werden konnten. Alle Festungen der Sperre St. Meinrad-Etzel waren miteinander mit fest verlegten Militärtelefonleitungen verbunden. Zu weiteren Festungen konnte über das zivile PTT-Telefonnetz Verbindung aufgenommen werden.

Ein unerschöpfliches Reich

Spannend, ja fast etwas abschreckend ist auch das Sanitätszimmer mit originalgetreuer Einrichtung wie Sterilisationsgeräte, Gipsschere, riesige Nadeln und Knochensäge.

Aber auch der Reparaturplatz mit Werkzeugen, unzähligen Ersatzteilen, Testgeräten, detaillierten Beschreibungen und Reglementen oder der Ersatzteilschrank mit den Sicherungen und Lampen, welche alle ihre militärische Ordnung in einer individuellen Aussparung ha-ben, beeindrucken den Betrachter tief. Selbst der eigentliche Vorgänger des heutigen Handys, ein Handsprechfunkgerät, findet sich nebst eines Kurbelapparats zur manuellen Stromerzeugung für die Feldsoldaten im Funkraum.

Im Unterkunftstrakt, der gleichzeitig Küche, Aufenthaltsund Schlafraum für die Soldaten ist, lassen einen riesige Konservendosen aus vergangenen Zeiten, Schwingbesen und Kellen so gross wie Ruder erstaunen. Es gibt in diesem unterirdischen Reich noch so viel mehr zu sehen und zu entdecken, und es ist alles tadellos instandgehalten und so in Szene gesetzt, wie es im Zweiten Weltkrieg fürs Schweizer Militär im Einsatz war. Um all das zu erreichen und das inzwischen seit 2019 für die Öffentlichkeit zugängliche Museum einzurichten, wurden in den letzten Jahren durch Johann Furrer und zehn freiwillige Helfer unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet, Hut ab!

Der einmalige Schatz mit der Hausnummer 19 ist nun ja auch zu finden, und wer ihn gerne noch heuer besuchen möchte, hat an diesem Wochenende, 19. und 20. November, letzte Gelegenheit dazu, nachher hat die Festung Etzel Ost mit ihrem Museum Winterruhe.

Weitere Infos unter www.bexi.ch

Was steckt alles hinter dieser massiven Stahltüre der Festung Etzel Ost? Marlies Mathis warf einen Blick dahinter.

Johann Furrer mit einer Gamelle aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Fotos: Marlies Mathis

Tadellose militärische Ordnung im Unterkunftstrakt.

Der Notvorrat in riesigen Konservendosen war jahrelang haltbar.

Bei diesem Anblick werden die komfortablen Toiletten von heute doch wieder sehr geschätzt.

Froh war, wer sich nicht ins Sanitätszimmer von damals begeben musste!

Blick in eine militärische Werkzeugrolle, in der jedes Ding seinen genau definierten Platz hatte.

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