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Aktivitäten für Körper und Seele

Aktivitäten für Körper und Seele Aktivitäten für Körper und Seele

Der Kulturverein «Dialog» in Einsiedeln kümmert sich um Geflüchtete aus der Ukraine

Noch immer tobt der Krieg in der Ukraine mit ungewissem Ausgang und noch immer halten sich viele Geflüchtete in der Region Einsiedeln auf. Der Verein «Dialog» unterstützt diese Menschen seit Kriegsbeginn und hilft ihnen, sich in der Fremde nicht ganz so fremd zu fühlen.

GINA GRABER

Der Einsiedler Anzeiger hat sich wieder einmal mit Irina Bilyavska Camenzind getroffen, die den Kulturverein «Dialog» präsidiert. Sie stammt selbst aus der Westukraine und engagiert sich unermüdlich für ihre Landsleute, die den Kriegswirren entflohen und nach Einsiedeln gekommen sind.

Irina Bilyavskas Enthusiasmus ist ungebrochen, fast atemlos berichtet sie von den vielfältigen Tätigkeiten des Vereins «Dialog». Einsiedeln ist seit 2005 ihre zweite Heimat und sie weiss, wie es ist, sich in einer völlig fremden Umgebung zurechtfinden zu müssen. Die sprachgewandte Linguistin und Sozialwissenschaftlerin hat sich in den vergangenen 17 Jahren ein breites Netzwerk aufgebaut. Zusammen mit engagierten Gleichgesinnten war es deshalb innert kürzester Zeit möglich, ukrainische Geflüchtete hier in der Region mit Rat und Tat zu unterstützen.

Das Heimweh nagt

Trotzdem war und ist die Betreuung dieser Menschen eine grosse Aufgabe für den Kulturverein «Dialog». Es sind vor allem Mütter mit Kindern, die hier Zuflucht gesucht haben. Aber auch ältere Frauen und einige Männer halten sich hier auf. Teilweise ha-ben sie durch massive Bombenangriffe ihr Heim und ihren ganzen Besitz verloren. Und trotz allem, was sie durchgemacht haben, möchten die meisten so rasch als möglich nach Hause. Das Heimweh nagt, die Sorge um die Verwandten und Bekannten daheim auch.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer geben sich auch gegenseitig Halt, sind in einer regionalen Whatsapp-Gruppe vernetzt. Irina Bilyavska erzählt, dass morgens oft eine kurze Nachricht die Runde macht: «Jak ty? Zhyva? Zhyvyy? », auf Deutsch: «Wie gehts? Bist du am Leben?» Das gemeinsame Schicksal wird durch die-sen Zusammenhalt erträglicher. «Die Geflüchteten befinden sich in einer emotionalen Schaukel, es geht auf und ab und hin und her», veranschaulicht sie das Befinden ihrer Landsleute.

Geflüchtete aus der Ostukraine In der ersten Flüchtlingswelle, gleich nach Ausbruch des Krieges Ende Februar, erreichten viele Menschen aus Grossstädten wie Kiew die Schweiz. Oft handelte es sich um gebildete, weltund sprachgewandte Personen, die sich rasch einigermassen zurechtfanden. In der Folge flüchteten mehr und mehr Menschen aus der Ostukraine, die kein Englisch sprechen und noch nie über die Grenzen ihres grossen Landes hinausgekommen waren.

Hilfe im Alltag, gemeinsame Gebete Allen Geflüchteten bietet der Verein «Dialog» einerseits Hilfe im Alltag, bei der Einschulung der Kinder, beim Kontakt mit den Behörden. Andererseits organisiert er Anlässe, kreative Kurse und Ausflüge, um ihnen Beschäftigung, Gemeinsamkeit und Zerstreuung zu bieten. Die ukrainischen Frau-en treffen sich jeweils mittwochs in einer Singgruppe in der reformierten Kirche und zweimal pro Woche in einem Tanzkurs. Diesen bietet die Tanzschule von Andrii Matviienko an, der ursprünglich selbst aus Kiew stammt.

«Alle diese Kurse sind gut für Körper und Seele», betont Irina Bilyavska. Sie schaffen eine unschätzbar wichtige Atmosphäre von Menschlichkeit und Geborgenheit. Zu diesem Gefühl tragen auch die gemeinsamen Gebete mit den Einheimischen bei. Jeden Mittwochabend trifft man sich um sieben Uhr für Friedensgebete in der reformierten Kirche und jeden Freitagabend um sechs Uhr in der Klosterkirche vor der Gnadenkapelle zum Rosenkranzgebet.

Spenden von und für Jung und Alt Vor allem für Kinder ist die Flucht vor dem Krieg schwierig zu verarbeiten. Umso wichtiger sind alle die Aktivitäten, die durch Spenden realisiert werden konnten. Eine Kuchenaktion von einheimischen Kindern zugunsten ihrer ukrainischen Gspändli und eine finanzielle Zuwendung des Detaillistenvereins Einsiedeln-Ybrig (DVEY) ermöglichten unter anderem einen Pizza-Workshop im Restaurant Klostergarten sowie eine sportliche Ferienwoche für Kids. Auch beim gemeinsamen Malen und Basteln mit Yvonne Stojanovic können die geflüchteten Kinder die Kriegserlebnisse und das Heimweh ein bisschen vergessen. Darüber ist Irina Bilyavska erleichtert: «Die Kinder malen nun keine schwarzen Raketen und Bomben mehr, wie sie es am Anfang taten.» Es gibt auch die stillen Projekte, von denen vor allem die älteren Ukrainerinnen profitieren. Sie sind am wenigsten integriert und ziehen sich in ihrem Kummer in die Einsamkeit zurück. Um die Altersgruppe «60+» kümmert sich eine weitere engagierte Frau aus Irina Bilyavskas Netzwerk: Die ukrainische Seniorinnen und Senioren tref-fen sich regelmässig bei Melanie Adachi-Föllmi zu Hause zum Kaffee und zum Plaudern auf Deutsch; sie begleitet sie auch auf den Wochenmarkt oder zu einem Rundgang durchs Dorf.

Projekt für die Adventszeit Die Adventszeit naht: Die lichtvolle Vorweihnachtszeit ist den Ukrainerinnen und Ukrainern unbekannt. Ihr orthodoxes Weihnachtsfest feiern sie erst am 6./7. Januar in einem viel bescheideneren Rahmen als wir. Der Verein «Dialog» hat sich ein besonders stimmungsvolles Projekt ausgedacht und wird die ukrainischen Familien mit gemeinsamem Singen, Erzählstunden, Besuchen auf dem Weihnachtsmarkt und vor allem mit einer Einsiedler Bildergeschichte über Frieden und Hoffnung durch den Advent begleiten.

«Die Kinder malen keine schwarzen Raketen und Bomben mehr.»

Irina Bilyavska

Der Chor der ukrainischen Frauen am diesjährigen Völkerfest, am Mikrofon: Irina Bilyavska.

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Die ukrainischen Kinder haben den Pizza-Workshop genossen.

Yvonne Stojanovic (winkend) hat mit den Kindern Räbeliechtli gebastelt und am vergangenen Samstagabend in Einsiedeln einen kleinen Umzug organisiert.

Fotos: zvg/ggm.

Jetzt lachen sie wieder! Unmittelbar nach ihrer Flucht haben die Kinder nur in düsteren Farben gemalt.

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