«Schritt für Schritt vorwärtsschauen»
Skirennfahrer Urs Kryenbühl will im Weltcup wieder Fuss fassen
Nach seinem schweren Sturz im Europacup-Super- G von Saalbach-Hinterglemm vom 27. Januar dieses Jahres kann der Unteriberger Skirennfahrer auf einen positiven Genesungsverlauf zurückblicken.
KONRAD SCHULER
Am 25. und 26. Januar hat der Speedathlet in Saalbach-Hinterglemm in den beiden Europacupabfahrten je einen sechsten und zweiten Platz herausgefahren. Am 27. Januar war er im Super-G mit Bestzeiten unterwegs. «Ich kam zwei Schwünge vor dem Ziel über eine Welle leicht von der Linie ab. Ich spürte, dass es für das korrekte Passieren des Tores sehr eng werden würde. Ich versuchte alles, um im Rennen zu bleiben. Leider verkantete mein Innenski kurz vor dem Tor und ich hatte mit rund 80 Kilo-meter pro Stunde eingefädelt», schilderte er in seinem Jahresrückblick die folgenschwere Situation von damals. «Dabei zog ich mir eine Symphysensprengung zu und riss mir das hintere Kreuzband sowie das Innenband am linken Knie», so der Athlet weiter.
Einen Tag später, am 28. Januar, notabene an seinem 28. Geburtstag, wurde er in der Klinik Hirslanden in Zürich operiert.
Neuen Konditionstrainer gefunden Auf seiner Homepage sind die Schritte zurück bis im Sommer aufgelistet. Beim ersten kleinen Schritt sei es um das Therapieren und Behandeln des Narbengewebes im Knie und der Hüfte gegangen. «Dabei unterstützten mich mein Schwiegervater und Naturarzt Sepp Marty sowie der Physiotherapeut Wytze Bakker», führt er dort aus.
Beim zweiten Schritt sei es darum gegangen, mit einem strukturierten Aufbau in Unteriberg und Magglingen zu starten. «Mit Laura Herr, Physiotherapeutin von Swiss-Ski, stiess jemand weiteres in mein Reha-Team hinzu », ist nachzulesen. Beim Schritt drei sei es da-rum gegangen, den Aufbau der verlorengegangenen Muskelmasse voranzutreiben.
Da er gewusst habe, dass sein jahrelanger Konditionstrainer Jürgen Loacker per Ende Oktober aufhören würde, sei er auf die Suche nach einem neuen Konditionstrainer gegangen. «Mit Ramon Zürcher, Propta Training & Coaching an der Zürichstrasse in Einsiedeln, habe ich jemanden gefunden, der sehr motiviert ist und es super macht», freut er sich.
Er sei nun nicht mehr gezwungen, auf den Kerenzerberg zu fahren, sondern könne in Unteriberg und Einsiedeln einen grossen Teil seines Konditionstrainings absolvieren.
Es sei eine coole Gruppe zusammen in Einsiedeln. Weltcupkollege Thomas Tumler, Alessio Miggiano vom NLZ Mitte und ein paar Schwinger seien mit von der Partie. «Es gefällt mir dort sehr, sehr gut», lässt er sich vernehmen.
«Genesungsverlauf sehr gut» Der gesamte Genesungsverlauf sei grundsätzlich sehr gut gewesen. Die meiste Zeit habe er in Unteriberg verbracht. Das Konditionstraining sei begleitet gewesen von Physiotherapie und Mentaltraining. So arbeite er im Bereich Mentaltraining nach wie vor mit Mentalcoach und Freund Christian Birri zusammen. «Ich habe stets gut auf den Körper gehört. So kam insgesamt ein Super-Heilungsverlauf zustande », führt Kryenbühl aus. Zu Beginn habe man ihm gesagt, dass er etwa Ende August wieder auf den Schnee komme. «Das habe ich damals als unrealistisch angesehen. Ich habe nicht geglaubt, dass ich so rasch wieder fit sein werde. Mit der Entwicklung sei dieses Ziel aber realistischer und schlussendlich Tatsache geworden», schaut er zurück. Der erste Skitag erfolgte nämlich am 1. September in Saas Fee. «Psychisch noch Baustellen»
Zu seinem jetzigen Gesundheitszustand befragt, kommen klare Antworten. «Körperlich fühle ich mich sehr gut. Im psychischen Bereich gibt es noch die eine oder andere Baustelle», gibt er unumwunden zu Protokoll. Es gelte nun, das ganze Trauma Schritt für Schritt zu verarbeiten, auch mit begleitendem Mental-training. «Ich habe aber ein gutes Gefühl an der ganzen Sache », versprüht er Optimismus. Es sei nun angezeigt, bei jedem Training etwas Kleines zu lernen und umzusetzen und wieder Vertrauen zu finden.
Er sei im gleichen Team wie im Vorwinter, er habe die gleichen Trainer und mit Manfred Gahr auch den gleichen Servicemann. «Für mich ist es sicher gut, dass sich nicht viel geändert hat in meinem Umfeld», fasst er zusammen.
Urs Kryenbühl ist aktuell im B-Kader von Swiss-Ski eingeteilt und trainiert in der Speedgruppe Weltcup 1A.
Da die beiden Abfahrten in Zermatt/Cervinia vom 29. und 30. Oktober wegen Schneemangel und Sicherheitsbedenken ersatzlos gestrichen wurden, hat Urs Kryenbühl nun noch weitere drei bis vier Wochen Zeit, sich auf die ersten Speedrennen vorzubereiten. Voraussichtlich findet sein erstes Rennen am 25. November in Lake Louise statt. Er denkt, dass er etwa um den zehnten November herum nach Übersee fliegt.
Cheftrainer ist wie letztes Jahr Reto Nydegger. Trainiert wird er beispielsweise auch erneut von Willi Dettling, der in Oberiberg wohnt.
«Wieder im Weltcup Fuss fassen» Für ihn sei es eher gut, dass die Rennen in Zermatt/Cervinia abgesagt worden seien. So bekomme er etwas mehr Zeit. Natürlich wäre er aber auch gerne gefahren, vor allem um zu schauen, wo er im Vergleich stehe.
«Mein hohes, ambitioniertes Ziel ist es, im Weltcup wieder Fuss zu fassen. Gleichzeitig weiss ich, dass ich nun Schritt für Schritt vorwärtsschauen muss. Eventuell sei halt auch ein zwischenzeitlicher Schritt in den Europacup zu machen, einfach um Selbstvertrauen zu tan-ken und wieder hineinzuwachsen », führt er zur aktuellen Situation an. Die Teilnahme an den Weltmeisterschaften im Februar wäre in erster Linie ein Zückerchen. Es wäre sicher cool, wenn er das miterleben dürfte. «Aber für mich stehen andere Sachen im Fokus, schön eines nach dem anderen», so seine Schlussfolgerung.
Am 1. September erlebte Urs Kryenbühl in Saas Fee seinen ersten Skitag nach seinem Sturz vom 27. Januar.
Fotos: zvg.