«Eine Freude einem Dorf vorzustehen, das lebt!»
Am 15. Mai wählte Unteriberg einen neuen Gemeindepräsidenten. Ruedi Keller trat am 1. Juli sein Amt an. Mit dem Einsiedler Anzeiger zog er nach den ersten 100 Tagen Bilanz.
ANGELA SUTER
Herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl. Haben Sie sich – trotz Sommerpause – schon in Ihr Amt eingearbeitet? Oh ja, da gab es einiges zu tun. Mich erreichen fast täglich Telefonate, da ich bei unzähligen Pendenzen und schönen Aufgaben als Gemeindepräsident beteiligt bin! Ich versuche, bei allen Kommissionen reinzuschauen und mir ein Bild zu machen. Nachdem Edy Marty bekanntgab, dass er nicht mehr als Gemeindepräsident zur Verfügung steht, hat die SVP Ybrig Sie nominiert. Weshalb haben Sie sich zur Verfügung gestellt? Ich wollte, dass wieder jemand Jüngeres dieses Amt ausführt. Ich war schon früh politisch interessiert und wurde dann von der SVP – ja sogar von ausserhalb der Partei – angefragt, ob ich kandidiere. Die Kampfwahl gegen Hanspeter Hohl entschieden Sie am 15. Mai im ersten Wahlgang klar für sich. Wie haben Sie die-sen Wahlsonntag erlebt? Ich durfte ja bei der Wahl nicht selber mitzählen. Als mir dann das Resultat mitgeteilt wurde, fiel mir ein Stein vom Herzen. Draussen vor dem Gemeindehaus kamen Personen vom benachbarten Festanlass, um sich beim Aushängekasten über den Wahlausgang zu informieren. Hatten sie denn Zweifel vor Ihrer Nomination? Sagen wir es so: Zum einen wusste ich, dass es im Ybrig mindestens gleich gute, wenn nicht sogar bessere Alternativen zu mir gegeben hätte (von denen sich aber niemand zur Verfügung stellte). Zum andern ist der Name Keller vielleicht auch mit einigen Vorurteilen behaftet. Aber an dieser Stelle kann ich ruhig sagen, dass wir Kellers uns im Ybrig wohlfühlen und auch immer nur das Beste für unsere Region wollen. Zusammen mit dem Umstand, dass mein Urgrossvater («Schachä Franz») schon Gemeindepräsident war, waren diese Bedenken schnell verflogen.
(schmuntzelt)
2018 wurden Sie in den Gemeinderat gewählt und hatten die Ressorts Liegenschaften, Sicherheit, Friedhof und Markt. Gefiel Ihnen diese Arbeit? Ja in der Tat, schliesslich war dieses Ressort meinem beruflichen Hintergrund am nächsten. In die-sen Ressort war ich auch schon nah am Volk. Dadurch konnte ich mit unseren Gewerblern oder unseren Vereinen einige Projekte und Anlässe auf die Beine stellen. Nach Ihrer Wahl wurde der Gemeinderat neu konstituiert, Mike Schatt hat ihr bisheriges Ressort übernommen. Wie hat sich das Team eingespielt? Mike Schatt hat sich sehr gut eingebracht mit grosser Eigeninitiative. Die anderen Räte konnten ihre Ressorts behalten, kennen ihre Baustellen und werden an diese – zusammen mit der Verwaltung und den Kommissionen – herangehen.
Welche Aufgabe bereitete Ihnen bisher als Gemeindepräsident am meisten Freude? Welche weniger?
Es ist wunderbar, wenn man so viele schöne Ereignisse erleben darf, wie zum Beispiel die Älplerchilbi oder den 100. Geburtstag von Frau Laager. Es ist mir eine wahre Freude, einem so tollen Dorf vorzustehen – einem Dorf das lebt! Ich freue mich darauf, kantonale Politiker kennenzulernen, um ihnen aufzuzeigen, dass man trotz konservativer Einstellung fortschrittlich sein kann und wir deshalb für unsere Bevölkerung und unseren Tourismus geeignete Zufahrtsstrassen brauchen, wie es ja bis ins Euthal schon bestens geklappt hat. Weniger schön ist es, wenn man manchmal einem Bürger etwas nicht ermöglichen kann – aber es gibt halt Gesetze, die es einzuhalten gilt.
Welches sind die grossen Themen, die Sie in naher Zukunft als Gemeindepräsident von Unteriberg beschäftigen? Da ist sicher die Zukunft des Hallenbads ein grosses Thema. Aber auch die Einzonung von Wohnraum im Nidlau, wo eine neue Bauzone geschaffen wird. Ebenfalls der alte Kindergarten, dieser stammt aus dem Jahr 1875 – was soll daraus werden? Und nicht zuletzt der Finanzhaushalt. Mit jedem Projekt, das kommt, laden wir uns wieder einen Rucksack auf … Gibt es Pendenzen, die Sie von Ihrem Vorgänger übernommen haben? Edy Marty konnte viele Projekte abschliessen. Aber die Bereinigung des Wegrodels ist noch pendent. Wir werden diese Angelegenheit weiterverfolgen und zu gegebener Zeit abschliessen. Als Gemeindepräsident können Sie in vielen Kommissionen Einfluss nehmen. In welche Rich-tung möchten Sie die Gemeinde Unteriberg weiterentwickeln? Anfang November haben wir im Gemeinderat eine ganztägige Zusammenkunft eingeplant, an welcher wir uns genau diese Fragen stellen: Wohin geht es mit Unteriberg, was sind die Visionen für unser Dorf? Im normalen Tagesgeschäft gehen solche Überlegungen sonst nämlich unter.
Grundsätzlich bin ich mit der Entwicklung unserer Gemeinde sehr zufrieden. Sicherlich braucht jedes Dorf einen gesunden Zuwachs, um zu bestehen. Auch in Unteriberg gab es nicht eine grosse Auswahl für die Gemeinderatswahlen. Immer weniger stellen sich für ein solches Amt zur Verfügung. In Schübelbach gibt es erste Vollamt-Stellen. Ist das auch ein Thema für Unteriberg? Nein, das ist kein Thema. Das Bedürfnis ist bei uns nicht da. Ich glaube auch, dass die Weitsicht fehlt, wenn man nicht mehr im Berufsleben steht. Und es bedeutet auch eine gewisse Abhängigkeit: Was passiert, wenn man nicht mehr gewählt wird?
Es ist machbar, wenn man berufstätig ist. Wir haben gute Leute auf der Verwaltung und da-her muss man als Gemeinderat oder auch Gemeindepräsident nicht immer vor Ort sein. Mein Vorgänger war pensioniert und sehr flexibel. Ich muss schon etwas schauen, wie ich mein Amt mit meiner Arbeit unter einen Hut bringe. Aber dank dem Verständnis in meinem ganzem Umfeld (beruflich sowie privat) klappt es ganz gut. Unteriberg ist eine SVP-Hochburg. Nachdem Ihr Vorgänger parteilos war, sind Sie wieder ein SVP-Gemeindepräsident. Was bedeutet das für das Dorf? Ich bin der Überzeugung, dass auf der Gemeindeebene der persönliche Gedanke viel mehr zählt als das Parteigut. Beim Dunnschtigs-Jass haben die beiden Gemeinden Unter- und Oberiberg gezeigt, dass es sehr gut miteinander geht. Ist das ein Zeichen zur Wiedervereinigung? In der Tat hat der Anlass super geklappt! Wir arbeiten ja jetzt schon zusammen, beispielsweise bei der Feuerwehr, da funktioniert es sehr gut. Aber in den nächsten Jahren wird eine Wiedervereinigung kein Thema sein. Und wie schätzen Sie die Beziehung mit Einsiedeln ein? Auch mit Einsiedeln arbeiten wir gut zusammen, bei der ARA in Euthal und bei der gemeinsamen Kehrrichtentsorgung funktioniert die Zusammenarbeit seit Jahren gut. Auch hoffe ich, dass wir anstehende Projekte, die uns beide betreffen, zusammen zum Abschluss bringen können. Die Restaurants in Unteriberg werden spärlicher, jüngst schloss mit dem Restaurant Horat ein weiteres Lokal. Was bedeutet das für Unteriberg und haben Sie eine Idee, wie man diesem Problem entgegenwirken könnte?
Ein Dorf braucht Restaurants, Einkausmöglichkeiten und Vereine. Wir sind dankbar, dass fast alle Restaurants, die noch offen haben, ihre Sache wirklich super machen. Ich ärgere mich heute noch darüber, wie wir zwei Jahre lang unseren Wirten das Leben schwer gemacht haben. Ich danke denen, die durchgehalten haben und begrüsse jeden neuen Pächter. Denn ist einer innovativ, wird er es leicht haben, erfolgreich zu sein – das beweisen andere Wirte im Dorf.
Ihr Vorgänger war knapp 70, Sie sind mit 34 Jahren halb so alt und einer der jüngsten Gemeindepräsidenten. Sehen Sie das als Vorteil? Sowohl als auch. Manchmal sieht man als «Jugendlicher» weniger Hindernisse und hat natürlich weniger Lebenserfahrung als jemand Älteres. Dafür schätze ich mich als risikofreudiger ein und gehe deshalb vielleicht vermehrt den direkten Weg. Aus meiner Sicht ebenfalls ein Vorteil ist es, wenn man mit beiden Beinen im Berufsleben steht. Denn viele Anliegen unserer Bürger kann man nur objektiv beurteilen, wenn man in der gleichen Situation ist. Das heisst aber nicht, dass mir unsere Pensionierten nicht am Herz liegen. Im Gegenteil: Was sie für uns erschaffen ha-ben, dafür werde ich ihnen immer dankbar sein. Und deshalb werde ich mich auch weiterhin mit voller Kraft dafür einsetzen, dass sie bei uns einen schönen Lebensabend verbringen können.
Sie sind ein Familienvater. Empfinden Sie Unteriberg als attraktiv für Familien? Meiner Meinung nach ist Unteriberg das beste Beispiel für Familienfreundlichkeit. Wir haben Spielgruppen aller Art, unser Kindergarten ist über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt und unsere Schule ist umgänglich und unkompliziert. Wir ha-ben sogar eine Kita, für diejenigen, die darauf angewiesen sind. Die Jugendlichen haben etliche Varianten sich zu entfalten ob Sport, Kultur oder Musik. Die Väter und Mütter können hier arbeiten gehen oder pendeln mit mässigem Zeitaufwand zum Arbeitsplatz. Und wir haben unzählige Möglichkeiten, in denen man sich aktiv am Dorfleben beteiligen und Kontakte knüpfen kann. Wie Sie sehen: Familienfreundlichkeit pur. Vor Ihrer Wahl gab es ein anonymes Flugblatt mit Vorwürfen gegen Sie. Daraufhin haben Sie Anzeige wegen Ehrverletzung gegen Unbekannt eingereicht. Möchten Sie Stellung dazu nehmen?
Das habe ich abgehakt. Auch wenn das Verfahren noch läuft. Eventuell hat der Verfasser irgendwann doch noch den «Charakter», sich direkt bei mir zu melden. Und dann habe ich noch eine Bitte für die Zukunft: Wenn jemand Probleme mit mir oder unserer Verwaltung hat, soll er sich direkt bei mir melden! Kommen wir zur Gretchenfrage, ihr Vorgänger ist schliesslich Kirchgemeindepräsident: Wie haben Sie es mit der Religion? Ich bin auch Römisch-katholisch, aber vielleicht nicht ganz so oft in der Kirche anzutreffen, wie mein Vorgänger. Aber dass die Kirche gerade in schwierigen Zeiten eine Stütze sein kann, sieht man immer wieder. Ich möchte Herrn Pfarrer Graf meinen grossen Dank aussprechen: Er getraut sich, etwas zu sagen und bezieht Stellung. Dadurch lässt er die Leute Dinge hinterfragen und ist deshalb eine wichtige Stütze für unser Dorf! Sehen wir in die Zukunft: Sind Sie in 10 Jahren noch im Amt und welche Ziele haben Sie erreicht?
Solange es mir Freude macht und der Ybriger Bürger mit mir zufrieden ist, mache ich gerne weiter. Mein Ziel ist es, dass jeder unserer Bürgerinnen und Bürger überall sagen können: Hierfür werden wir unseren Kindern weiterhin ein unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen. Ebenso unseren Schülern den nötigen Unterricht vermitteln und soweit als möglich eine Portion Schlauheit mit auf den Weg geben. Und unseren Familien die Möglichkeit bieten, ihre Kinder so gross zu ziehen, wie sie es für richtig halten.
Unseren Gewerbetreibenden möchten wir Raum schaffen, damit sie ihn ihrer jeweiligen Branche Spitze werden oder bleiben können. Wir werden jedem Verein die grösstmögliche Unterstützung bieten, damit sie bestehen oder sogar wachsen können. Und nicht zuletzt unseren Eltern und Grosseltern zeigen, dass sie uns auf einen guten Weg gebracht haben und sie in Ruhe das Leben geniessen können bei uns im Ybrig.
«Ich freue mich über jeden neuen Bürger, wenn er sich in unser Dorfleben integrieren kann und wie wir Ybriger Zufriedenheit als eines der obersten Gebote sieht.» «Solange beide Dorfleben und auch die Verwaltung noch funktionieren, werden sicher beide Gemeinden eigenständig bleiben.» «Ich wohne am schönsten und besten Ort der Welt.»
Gemeindepräsident Ruedi Keller ist seit 100 Tagen im Amt. Foto: Angela Suter