«Fünfer und Weggli gibt es nicht»
Für Mitte-Nationalrat Alois Gmür wird im neuen Vertrag der Umweltschutz zu stark gewichtet
Für ihn ist die neue Etzelwerk-Konzession nicht perfekt. Dennoch wird Alois Gmür dem Vertrag zustimmen.
VICTOR KÄLIN
Es ist zwar schon einige Zeit her, doch im August 2021 waren Sie der Ansicht, dass der «alte Vertrag besser ist als der neue». Was hat Sie damals zu dieser Aussage bewogen? Vor allem das Problem der Verlandung im südlichen Seeteil ist wegen der Aufnahmen im Schutzperimeter des Bundes gegenüber dem alten Vertrag nicht befriedigend gelöst. Der hintere Teil des Sees wird sich längerfristig verändern mit negativen Folgen für die Anwohner, den Tourismus und das Landschaftsbild.
Das Nachgeben um 5 Zentimeter bei der Staukote in Trockenperioden wird dieses Problem im hinteren Seeteil noch verschärfen. Bilder, wie es zukünftig aussehen könnte, beweisen dies. Leider sind zu dieser Problematik keine Bilder in der Botschaft. Für mich wird der Umweltschutz gegenüber dem alten Vertrag zu stark gewichtet und geht auf Kosten der Energieproduktion. Gut ein Jahr später liegt der definitive Vertrag vor. In der Botschaft zur Bezirksgemeinde benötigt die Etzelwerk-Konzession eindrückliche 90 Seiten! Wie fällt Ihre Bewertung jetzt aus? Der Vertrag beinhaltet relativ viel Platz für die Belange der Umweltschutzorganisationen. Die Forderung meiner Interpellation, die Nutzung des Wassers zusätzlich mit einem Bau eines zweiten Stollens zu optimieren, ist immerhin im Vertrag drin. Auf Verlangen der Konzedenten können diese frühestens nach 15 Jahren eine Prüfung verlangen. Wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, kann dies umgesetzt werden.
Wieweit haben sich Ihre damaligen Befürchtungen bewahrheitet – und wo hat man sie beseitigt, oder mindestens entschärft?
Auf die Wuhren, respektive zukünftig auf den Bezirk, werden grosse Kosten für den Ausbau der Fliessgewässer und die Renaturierung zukommen. Das ist ein bitterer Wermutstropfen, den es wegen der Übernahme des Viadukts zu schlucken gilt. Da der Bezirk die Aufgaben der örtlichen Wuhren um den See übernimmt, werden diese finanziell entlastet. Im alten Vertrag hat die Etzelwerk AG einen grossen Teil dieser Kosten getragen. Übernähme der Bezirk diese Finanzierung nicht, hätten die Wuhrkorporationen, respektive die Bevölkerung um den Sihlsee dies nicht akzeptieren können. Das ist eine wichtige finanzielle Entschärfung. Als Nationalrat haben Sie im März 2021 eine Interpellation eingereicht für einen «Sihlsee als Speicher für erneuerbare Energien». Um die Energiegewinnung optimieren zu können, schlugen Sie einen zweiten Pumpstollen Zürichsee–Sihlsee vor. Der Bundesrat wollte allerdings die unternehmerische Freiheit der SBB nicht beschneiden und erklärte sich für nicht zuständig. Angesichts der aktuellen Energiedebatte muss Sie die bundesrätliche Antwort heute fast noch mehr fuxen als vor einem Jahr … Grundsätzlich ist nach heutiger Energiesituation ein Ausbau der Speicherkapazität des Sihlsees gefragter denn je. Mit einem zweiten Stollen, in dem man mit alternativer Energie die Pumpen antreibt, könnte Wasser vom Zürichsee in den Sihlsee gepumpt werden. Es wäre eine Kapazitätssteigerung, die in der heutigen Zeit dringend nötig wäre und umweltfreundlich ist. Gleichzeitig könnte damit auch die für den hinteren Seeteil nachteilige Staukote entschärft werden. Neben der Wirtschaftlichkeit sollte in dieser Angelegenheit auch die Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle spielen. Immerhin schaffte es mit Paragraf 49 eine «Entwicklungsklausel » in den Konzessionsvertrag. Gemäss dieser sind die SBB verpflichtet, Massnahmen zur Steigerung der Energieproduktion zu prüfen. Allerdings erst auf Ve r l a n gen der Konzedenten und früh estens 15 Jahre nach dem Ink rafttreten des Vertrags. Es handelt sich aber lediglich um eine Prüfung; zu einem Ausbau können die SBB nicht gezwungen werden. Bringt das etwas im Hinblick auf die von Ihnen angeregte höhere Produktion? Es ist ein Erfolg, dass die Konzedenten dies wenigstens nach 15 Jahren verlangen können. Aufgrund der Entwicklung im Energiebereich könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass es früher wirtschaftlich interessant wird, die Speicherkapazität zu erhöhen. Die Politik müsste auch interessiert sein, die Versorgungssicherheit in unserem Land mit allen Möglichkeiten zu erhöhen, um damit die Auslandabhängigkeit zu verringern.
Wenn Sie den gesamten Vertrag betrachten: Wo hätten Sie eine andere Lösung gesehen?
Die Staukote dürfte nicht unter schritten werden und vom Bezirk Einsiedeln dürften keine Pumpkonzessionsgebühren für Kompensationspumpen verlangt werden können.
In welchen Punkten haben die Einsiedler gut verhandelt?
Die Problematik des Viadukts wurde elegant gelöst und die Gratis- und Vorzugsenergie ist für den Bezirk Einsiedeln vorteilhaft gelöst.
Wo schaute zu wenig heraus?
Bei der Staukote hätte man nicht nachgeben dürfen. Ein Teil der Kosten für die Bachverbauungen und die Renaturierung hätten von der Konzessionsnehmerin mitgetragen werden sollen. Die Verlandung des hinteren Seeteils ist nicht geregelt. Gegenüber dem alten Vertrag erhält Einsiedeln weniger Wasserzins, dafür mehr Gratis- und Selbstkostenenergie. Die Auswirkungen zu beziffern ist fast wie Kaffeesatz-Lesen. Dennoch: Denken Sie, dass der Bezirk hier auf die richtigen Karten gesetzt hat?
Die aktuelle Entwicklung mit den steigenden Strompreisen ist der Beweis, dass der Bezirk auf die richtigen Karten gesetzt hat. Wie fällt Ihre Einschätzung zum Wuhrwesen aus? Der Bezirk beabsichtigt, die Kosten für Unterhalt und Sanierung der öffentlichen Gewässer zu übernehmen …
Im Wuhrwesen übernimmt der Bezirk grosse Kosten. Hier hat die SBB viel zu ihren Gunsten herausgeholt.
Wenn Sie den neuen Vertrag gewichten: überwiegen die Vorteile oder die Nachteile?
Im Energiebereich haben wir eine Entwicklung, die uns täglich überrascht. Was heute vorteilhaft erscheint, ist morgen überholt. Wie werden Sie die Vorlage in der Öffentlichkeit vertreten – kämpfen Sie dagegen an oder empfehlen Sie ein Ja? Oder ziehen Sie es vor, einfach zu schweigen? Es wurde lange und hart verhandelt. In Verhandlungen muss man geben und nehmen. Das Resultat kann ich akzeptieren. Für mich ist es wichtig, dass eine Entwicklung der besseren Ausnutzung der Wasserkraft möglich bleibt. Ich stimme dem Vertrag zu.
Und was denken Sie, machen die Einsiedler und Einsiedlerinnen am Abstimmungssonntag, 27. November? Ich prognostiziere ein Ja. Man hat in den Verhandlungen nicht alles, aber doch vieles erreicht. Den Fünfer und das Weggli gibt es nicht.
«Gegenüber dem alten Vertrag wird für mich der Umweltschutz zu stark gewichtet. Das geht auf Kosten der Produktion.» «Nach heutiger Energiesituation ist ein Ausbau der Speicherkapazität des Sihlsees gefragter denn je.» «In Verhandlungen muss man geben und nehmen.»
KONZESSION
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«Man hat in den Verhandlungen nicht alles, aber doch vieles erreicht. Den Fünfer und das Weggli gibt es nicht», sagt Alois Gmür. Er wird dem Vertrag zustimmen.
«Das Nachgeben bei der Staukote in Trockenperioden wird die Probleme im hinteren Seeteil noch verschärfen. Bilder, wie es zukünftig aussehen könnte, beweisen dies.» Alois Gmürs aktuelle Aussage und eine Aufnahme aus dem Jahr 2020.
Fotos: Archiv EA