Veröffentlicht am

«Cha doch nüd immer im Zimmer sitzä!»

«Cha doch nüd immer im Zimmer sitzä!» «Cha doch nüd immer im Zimmer sitzä!»

16.00 bis 17.00 Uhr: Der Nachmittagskaffee im Altersheim ist in vollem Gange – Text und Fotos: Angela Suter

Die Nachmittagskaffees gibt es in allen Altersheimen unserer Region. In der Langrüti zu Besuch war Angela Suter.

Ich darf mich auf den Stammplatz von Herrn Huser setzen, der an diesem Nachmittag später kommt. Es sind immer etwa die gleichen Personen am Stammtisch. Herr Boss-art zum Beispiel liebt seinen Platz hinter dem Tisch, von dort hat er die perfekte Übersicht und kommt daher auch gerne schon früh. Frau Lacher sitzt an diesem Tag zuerst bei den Altersturnerinnen. Und jemand gesellt sich heute neu dazu: Herr Kälin ist erst seit drei Tagen im Altersheim und wird von Heimleiter Markus Forster an den Stammtisch gebracht. Er wird herzlich begrüsst: «Willkommen! Wenn man schon ein kleines Zimmer hat, braucht es dafür einen grösseren Tisch.» Oft schliesst sich der Kreis und man trifft Bekannte von früher wieder am runden Tisch.

Ich darf der Runde zuhören und merke schnell, hier weiss man immer etwas zu berichten. «Wir erzählen, was uns in den Sinn kommt, jedem halt etwas anderes», wird mir erklärt. Mir wird erzählt, wer man ist, wie lange man schon da ist, und schnell bin ich integriert (man kennt natürlich auch meine Grosseltern «s’Mouler Räbers» oder die musikalischen Martys). Es ist eine Freude, dem urchigen Einsiedler Dialekt zuzuhören. Viele kennen sich von früher. Aber es sind auch «Fremde» am Tisch, einige zwar auch schon lange in Einsiedeln, aber: «Ich staune immer wieder, wen ihr alles kennt!» «Wiso bisch dä du dou?» Spannend auch zu erfahren, wie unterschiedlich die Gründe zum Eintritt ins Altersheim sind. Frau Schönbächlers Gesundheitszustand hat sich nach einer Corona- Infektion verschlechtert, sodass sie nicht mehr alleine zu Hause leben konnte. Solche unverhofften Eintritte sind schwierig, kommen aber sehr häufig vor. Frau Gischig hat hingegen Nägel mit Köpfen gemacht: «Ich hatte eine schlechte Wohnsituation und habe mich dann mit 65 entschieden, ins Altersheim zu ziehen – und es nie bereut!» Herr Kälin ist nur hier, weil seine Frau vor vier Jahren verstarb, doch mit seinen 83 Jahren zählt auch er zu den älteren am Tisch. 15 Jahre älter und damit die älteste Bewohnerin ist Frau Hens-ler. Sie stattet heute dem Stammtisch einen Besuch ab. «Ich bin jetzt 98 und nur wegen einem zweiten Oberschenkelhalsbruch im 2015 hier, der mich ins Altersheim brachte», erzählt sie und wird kurz darauf von ihrem Besuch abgeholt. Frau Bachmann sitzt am Nebentisch: «Ich geniesse es hier und gehe viel ins Kaffee. Ich muss nicht mehr kochen und kann mich einfach hinsetzen!» Auch einer anderen Dame gefällts: «Mir war noch keine Stunde langweilig, hier ist es wie in einem 1.-Klass-Hotel!» In einem Punkt sind die Cafeteria- Gäste sich einig: «Wir haben es toll hier und es wird uns gut geschaut!» Man erkundigt sich beim Zusammensitzen, wie es den Mitbewohnern geht, man kennt schliesslich die Leiden der anderen: «Wie gehts dir heute?» – «Gut genug!» Platz für einen Jass hat’s am Stammtisch nicht, dafür sind andere Tische da, an dem sich auch mal spontan eine Gruppe zusammenfindet. Getrunken wird oft das gleiche, das Personal kennt die Vorlieben der meisten Gäste. Die alkoholfreien Getränke sind übrigens für alle Bewohner kostenlos. Es wird viel Coca-Cola, Most und Kaffee getrunken. Aber natürlich auch Chrüter, Cognac oder ein Glas Wein. Manchmal auch nichts – schliesslich ist man im Alter nicht mehr so durstig.

«Äs lauft immer öppis!» Esther Keller, heute in der Cafeteria im Einsatz, steckt mit ihrer lebensfrohen Art die Bewohner an: «Sie schätzen unseren Dienst sehr und ich komme am Abend erfüllt von meiner Arbeit nach Hause – ein tolles Gefühl!» Zum Abschluss ihres Einsatzes gibts nach dem Abendessen das allabendliche Lottospiel in der Cafeteria, das sehr geschätzt wird. Heute sind zwei Dinge anders als üblich, bestätigt Heimleiter Markus Forster: «Natürlich, dass die Terrasse aufgrund des schönen Wetters so belebt ist! Aber auch, dass nicht sehr viele Angehörige hier sind, wohl aufgrund des Sommerwetters und der Ferienzeit. Normalerweise haben wir viel mehr Besuch.» Aber das macht nichts, die Bewohner sind gerne unter sich. Es läuft immer etwas! Viele sind auch noch sehr aktiv: Basteln, Kochen, Turnen, Spielenachmittage, Gedächtnistraining, Jassen, Hochbeete bepflanzen, Männer- und Frauenstammtisch – das Angebot in der Langrüti ist sehr vielseitig und täglich wird den 100 Bewohnern etwas geboten. Aber auch die persönliche Bewegung wird gross geschrieben: «Ich mache täglich einen Spaziergang. Ich laufe für mich, so wie es halt gerade so passt.» Und neben all den Bewohnern, die die Geselligkeit suchen, gibt auch die Gäste, die lieber alleine an einem Tisch sitzen und beobachten – das ändert sich ins Alter nicht mehr und findet hier ebenfalls seinen Platz. Und natürlich gibt es noch den anderen Teil der Bewohner, dessen Gesundheitszustand einen Besuch in der Cafeteria leider kaum noch (oder nur mit Unterstützung) ermöglicht. So widerspiegelt der Dorfplatz, wie die Cafeteria auch genannt wird, die reale Gesellschaft in einem Dorf.

Der Stammtisch lebt … Zwei Stunden nach meiner Ankunft zeigt er sich verändert. Frau Lacher (pink) und Herr Huser (ganz rechts) sind auch noch eingetroffen. Einige sind auch bereits wieder gegangen. Und eine der guten Feen der Cafeteria, Esther Keller (hellgrün), zeigt sich im Kreise ihrer Stammgäste.

Immer die Gleichen sitzen am Nachmittag in der Langrüti am Stammtisch. Heute sind es (von links) Herr Kälin, Frau Gischig (verdeckt), Herr Kälin (von hinten), Herr Bossart, Frau Schönbächler und Herr Marty. Jeder hat seinen Stammplatz und von hier aus kann man das Geschehen rundherum gut beobachten.

Die Altersturnerinnen (und wenige -turner) stärken sich mit einem Schwatz und einem erfrischenden Getränk nach ihrer Turnstunde, die sogar aufgrund des regen Interesses in zwei Gruppen aufgeteilt wurde. Nachdem alle Glieder bewegt worden sind, darf man schliesslich auch wieder etwas geniessen …

Herr Zehnder und Frau Marty (auf der Bank) haben sich im Altersheim kennengelernt und geniessen seither viel Zeit miteinander: «Wir haben es wunderschön zusammen und er ist ein wunderbarer Freund!» Den ganzen Tag verbringen sie gemeinsam, bis sie sich dann am Abend wieder in ihre eigenen Zimmer begeben. Fotos: Angela Suter

Esther Keller und Priska Schuler sorgen während meines Besuchs für die Gäste – und vor allem für gute Stimmung!

Herr Kälin ist neu, Heimleiter Markus Forster begleitet ihn an den Stammtisch.

Share
LATEST NEWS