Seit einem Monat werden Willerzell und Egg unterirdisch entwässert
Nicht mehr unter dem Viadukt, sondern auf dem Seegrund verläuft die neue Druckleitung, über welche Willerzell und Egg entwässert werden.
VICTOR KÄLIN
1978 wurde die Einsiedler Abwasser- Reinigungs-Anlage ARA Rabennest eröffnet. In den Jahren danach wurde mehr oder weniger das ganze Bezirksgebiet daran angeschlossen. Die Siedlungsentwässerung der Viertel Willerzell und Egg erfolgte mit einer Druckleitung, welche am Willerzeller Viadukt angehängt war. Angeschlossen sind die Viertel im sogenannten Mischsystem, bei dem Meteorwasser und Abwasser gemeinsam abgeführt werden. 37 Jahre erfüllte diese Leitung ihre Aufgabe – bis zum 30. Juni dieses Jahres: An diesem Tag erfolgte die Umstellung auf eine neue Leitung. Eine, welche auf dem Seegrund verläuft. Die erste ihrer Art im Sihlsee.
Teure Übergangslösung
Als Klärmeister der ARA Einsiedeln war Michael Diem Vertreter der Bauherrschaft Bezirk Einsiedeln. Der 32-Jährige begleitete das Projekt von Anfang an. Und am Anfang stand eine komplett andere Lösung, wie Diem erzählt.
Auslöser war die Sanierung des Sihlsee-Viadukts. Da die Druckleitung den Bauarbeiten in die Quere kam, suchte der Bezirk eine Ersatzlösung; die Bauzeit beträgt immerhin 15 Monate. In Frage kam eine provisorische Leitung, welche wahrscheinlich am Baugerüst der Brücke hätte aufgehängt werden müssen. «Eine umständliche und letztlich teure Angelegenheit », rechnet Diem zusammen: Das Provisorium sowie die neue Druckleitung hätten den Bezirk rund 1,1 Millionen Franken gekostet.
Günstigere Definitivlösung
Die Einsiedler suchten nach einer Alternative und wurden am Walensee fündig: Dort ruht eine rund 8,8 Kilometer lange Leitung auf dem Seegrund. «Wir schauten uns vor Ort um und rechneten auf unsere Verhältnisse hoch: Mit rund 700’000 Franken kommt eine Seeleitung günstiger.» Und hat erst noch den Effekt einer Win-Win-Lösung für Bezirk und SBB als Besitzerin des Viadukts: Leitung und Viadukt sind getrennt und somit unabhängig.
Was von langer Hand geplant war, wurde in den Monaten Mai und Juni umgesetzt. Beauftragt wurde die Firma Willy Stäubli Ing. AG, eine auf Wasserbau spezialisierte Firma aus Horgen. Sie baute im Chalch (Gross) die Leitung in fünf Teilen soweit zusammen, um diese auf der Höhe des Willerzeller Viadukts durch eine schwimmende Plattform (Ponton) versenken zu können. Die Länge der Seeleitung misst 1,4 Kilometer und verbindet die beiden bereits bestehenden Pumpwerke «Mirli» auf der Willerzeller und «Birchli» im Erlenmoos auf der Einsiedler Seite.
Da der Sihlsee ein Stausee mit stark schwankendem Pegelstand ist, musste die neue Leitung aus Sicherungsgründen im Uferbereich auf einer Länge von je 180 Metern unterirdisch verlegt werden. Vom Ufer aus wurde horizontal in Richtung Seemitte gebohrt und anschliessend die Leitung vom See aus eingezogen. Der Rest der Leitung – rund 1000 Meter – liegt auf dem Seegrund. Es waren Taucher nötig, um die Teile zusammenzuschrauben (zu flanschen).
Maximal 20 Höhenmeter
Der maximale Höhenunterschied zwischen den Pumpstationen und dem Seegrund beträgt gut 20 Meter. Verwendet wurde ein Kunststoffrohr mit einem Durchmesser von 160 Millimetern aussen und 131 Millimetern innen. «Die Kapazität genügt für die nächsten Generationen », ist Diem sicher. Bevor am 30. Juni die Umstellung erfolgen konnte, musste die Dichtheitsprüfung bestanden werden. Alle Beteiligten haben perfekte Arbeit geleistet. Und so fliesst das Mischwasser seit gut einem Monat unsichtbar über dem Seegrund von Richtung Ost nach West. «Alles funktioniert bis-her einwandfrei», kann Michael Diem ein erstes Fazit ziehen. «Von der Idee bis zur Umsetzung ist alles gut gekommen. Ich hoffe », schmunzelt der Klärwerkfachmann, «dass die Leitung 80 Jahre hält und ich nie wieder damit zu tun habe.» Und selbst finanziell sieht es gut aus: «Obwohl die Schlussabrechnung noch nicht vorliegt, sollte der Kostenvoranschlag ausreichen.»
Auf der Willerzeller Seite wird im «Mirli» mit einem Horizontalbohrgerät das Loch für die Druckleitung vorangetrieben.
Im Kontrollschacht im «Mirli» erfolgt auf der Willerzeller Seite der landseitige Zusammenschluss.
Im Längsprofil die Situation im Birchli: Blau markiert der Seespiegel, grün der Terrainverlauf und rot der Uferteil der Seeleitung, welche bis zur Pumpstation Birchli führt (links).
Plan: Bezirk Einsiedeln
Die Aufnahme zeigt den Einzug der Druckleitung auf der Birchli-Seite.
Der rote Strich über den See markiert den ungefähren Verlauf der Seeleitung vom Erlenmoos im «Birchli» (links) ins «Mirli» (rechts); rot eingefärbt ist (in etwa) das Einzugsgebiet, welches über die Seeleitung entwässert wird.
Visualisierung: Lukas Schumacher
Leitungsverlegung auf dem See vom 11. Mai 2022: Der grösste Teil der Druckleitung befindet sich bereits unter der Wasseroberfläche; lediglich 200 Meter sind noch sichtbar.
Fotos: Michael Diem
Die Seeleitung ist 1,4 Kilometer lang und verbindet das Willerzeller «Mirli» mit dem «Birchli» auf der anderen Seeseite.