Erinnerungen ans Bundeslager 1980
Einmal im Leben «muss» ein Pfadfinder ein BuLa erleben – für EA-Redaktor Victor Kälin war dies vor 42 Jahren der Fall
Im Goms hat die Pfadi das grösste Zeltlager der Schweiz organisiert. Dass ein Bundeslager ein einmaliges Erlebnis ist, weiss auch unser Autor.
VICTOR KÄLIN V/O WICKI *
Das Bundeslager 1980 fand vom 19. Juli bis 3. August statt. Anders als heuer im Goms wurden die 22’000 gemeldeten Pfadfinder und Pfadfinderinnen auf 22 komplett verschiedene Unterlager verteilt. Die Pfadi St. Meinrad Einsiedeln wählte das Thema Musik und landete so in Lenk (im Obersimmental). Die Einsiedler teilten sich mit rund 1000 anderen Pfadi den Platz. Obwohl 1980 Buben- und Mädchenpfadi Schweiz erstmals gemeinsam das Bundeslager verbrachten, gabs bei den Einsiedlern nur «Männer»: Die hiesige Mädchenpfadi wurde erst 1984 gegründet.
* Ich war damals 18 Jahre alt, «angefressener» Pfädler und in der Funktion eines Leiters tätig. Schon Jahre vor meiner Tätigkeit beim Einsiedler Anzeiger war Schreiben meine Passion – und diese liess mich auch im Lager nicht los. Meine Notizen verfestigten sich nach dem BuLa zu einem bebilderten und illustrierten Tagebuch, das seither mehr oder weniger ein Dornröschendasein fristet. Doch auf das aktuelle Bundeslager hin habe ich es aufgeweckt, respektive im Keller aufgestöbert. Der folgende Bericht beruht im Wesentlichen auf diesen Aufzeichnungen.
Ein Sturm, wie selten gesehen Die Pfadi Einsiedeln war mit 36 Pfädlern und 18 (!) Leitern auf dem Lagerplatz Lenk eine der grösseren Abteilungen. Abteilungsleiter war Alois Gmür (v/o Spund), Lagerleiter Thomas Grätzer (v/o Pavian). Pater Notker Bärtsch war unser Präses und Urs Engeler (v/o Asterix) unser Oberkoch.
Am Samstag, 19. Juli, ging es los. Je länger die Fahrt dauerte, umso mehr Pfädler waren im Extrazug. Im Hauptbahnhof Bern erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt, als alle Abteilungen ihre Fahnen zum Fenster hinaus hielten und ihre Lieder und Rufe erschallten. Gänsehaut! Auf dem Platz erfolgte sofort der Lageraufbau. Die Leiter bevorzugten in der herrlichen Nacht, unter dem freien Himmelszelt zu schlafen, statt sich in den Zelten zu verkriechen. Unter dem Sternendach lässt sich’s so schön träumen. Das hätte übrigens den Pfädlern auch gut getan, denn bis spät in die Nacht hinein hörte man sie noch lachen.
Am Sonntag schlossen wir den Lagerbau ab und um 16.30 Uhr gabs die erste Lagermesse. Danach ging es turbulent weiter: Ein Sturm brach los, wie wir ihn selten erlebt hatten. In unserer Küche knickte eine ganze Stangenserie, doch die Zeltkonstruktion selbst hielt stand. Alle Vorbauten wurden weggefegt und Dauerregen setzte ein. Doch unserer Abteilung erging es noch gut: Bis auf ganz wenige Ausnahmen hatten wir Einsiedler im Unterlager noch Feuer (Tagesmenü: Bratwurst und Tomatensalat). Andere Abteilungen waren noch nicht einmal mit dem Aufstellen fertig, als der Sturm sie überraschte. Einige Lager wurden infolge Überschwemmungsgefahr sogar evakuiert. Weil es andauernd regnete, hatten wir bis zu 20 Zentimeter Sumpf und Pflotsch. So wurde die offizielle Eröffnungsfeier verschoben. Gegen 22 Uhr war Nachtruhe. Und es regnete und regnete …
Von Tag zu Tag Montag: Am Abend erfolgte die offizielle Eröffnung des Lagers und mit fröhlichem Musizieren und Singen verbrachten wir die Stunden bis zur Bettruhe. Tagesmenü: Speck und Gummel.
Dienstag: Atelierbetrieb mit Xylophonbau, Volkstänzen, Tongenerator, Musikimprovisation und Rhythmusinstrumenten. Tagesmenü Spaghetti Bolognese und Salat.
Mittwoch: Am Abend zeigten wir einigen erstaunten Lagernachbarn, wie man auf gut einsiedlerisch den Fahnenabzug macht. Hauptmenü: Hamburger und Gumel.
Donnerstag: Heute regierten nicht die Leiter, sondern die Pfadfinder. Angesichts der sengenden Sonne war der Führer-OL «mörderisch». Die Venner, die jüngsten Leiter, luden am Abend die benachbarten Bernerinnen zu einem Musikkonzert ein. Tagesmenü: Geschnetzeltes mit Reis und Vanillepudding.
Freitag: Auf das Wochenende hin machten wir uns sauber. Im Schwimmbad Lenk. Hauptmenü: Spiessli mit Teigwaren.
Samstag: Am Sporttag holte unsere Abteilung einen tollen ersten Rang. Bewertet wurden die Disziplinen Kartoffelschälen, Nageln, Weitspucken und ein Stafettenlauf. Hauptmenü: Hackbeefsteaks und Spiralen. Sonntag: Am Besuchstag erhielten die neuen Pfädler ihre Namen: Sie wurden vor den Augen der Eltern gegautscht. Dazu benötigten wir eine alte Wanne und schönes, kaltes Wasser. Hauptmenü: Koteletten, Stunggis und Erbsli.
Montag: Beim Fähnleinausflug verliessen die Pfädler fähnchenweise das Lager für zwei Tage. Die Leiter machten irgendwie Pause. So gab es auch kein Hauptmenü. Im Grunde genommen gab es überhaupt kein Menü.
Dienstag: Als die Pfädler nach ihrem Ausflug zurück im Lager waren, war mit ihnen nicht mehr viel anzufangen. Schon bald la-gen alle schlafend in ihren Zelten. Hauptmenü: Reis mit Champignonsauce, Erbsli und Rüebli.
Mittwoch: Die «gute Tat» führte uns auf den Hahnenmoospass, wo wir den Bezirksarbeitern beim Bau einer Strasse halfen. Insgesamt waren wir 120 Leute und somit etwa 100 zu viel. Hauptmenü: kein Tagebucheintrag!
Donnerstag: Heute standen die Spezialisten-Prüfungen auf dem Programm. Bis auf einen bestanden alle die kleine Prüfung und nahmen ihre Abzeichen stolz in Besitz. Hauptmenü: kein Tagebucheintrag.
Freitag, 1. August: Am Abend feierte das ganze Unterlager. Das gemeinsame Musizieren, das Musical (mit einigen Einsiedlern) und die Feuerwerkshow waren gleichzeitig auch das Abschiedsfest, denn morgen gings an die Heimreise. Hauptmenü: dem Nationalfeiertag geschuldet gab es frische Weggli und Bürli!
Samstag: Um 10 Uhr übergaben wir den Platz der Unterlagerleitung. Da wir in einen falschen Extrazug hineingelotst wurden, erreichten wir Einsiedeln via Rapperswil, und die Eltern konnten ihre Schützlinge erst eine Stunde später begrüssen …
* EA-Redaktor Victor Kälin wurde auf den Namen Wicki getauft (entlehnt aus der Zeichentrickfilmserie gleichen Namens) und war 18 Jahre alt, als 1980 «sein» Bundeslager in der Lenk stattfand. Von 1985 bis 1990 war er Abteilungsleiter der Pfadi St. Meinrad Einsiedeln.
Auf die Kantone Bern, Freiburg und Waadt (die ehemalige Grafschaft Greyerz) wurden die 22 Unterlager verteilt. Die Einsiedler zelteten bei der Nummer 17 «Musik» in Lenk.
Luftaufnahmen gabs noch nicht, dafür eine Foto ab einer Anhöhe. Sie zeigt den Unterlagerplatz 17 und eingekreist den Lagerplatz der Einsiedler Pfadi.
Das Bundeslager in Tagebuchform: Fein säuberlich hat unser Autor die Geschehnisse des Pfadisommers 1980 minutiös festgehalten.
Fotos: Archiv Victor Kälin
Am Besuchstag unterhielten die Einsiedler Pfädler (hier das besonders musikalische Fähnli Büffel) die Besucher aus der Heimat unter anderem mit Livedarbietungen.