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«Die Kolumne soll Raum bieten, Kritisches anzusprechen»

«Die Kolumne soll Raum bieten,  Kritisches anzusprechen» «Die Kolumne soll Raum bieten,  Kritisches anzusprechen»

Heute startet eine Kolumne im EA – verfasst von der Pfarrei Einsiedeln. Pater Basil Höfliger, Leiter der Pfarrei, und Albert Schönbächler, Präsident der Kirchgemeinde Einsiedeln, stehen Red und Antwort: «Mit dieser neuen Kolumne will der Kirchenrat über aktuelle Schwerpunkte und Anlässe in der Pfarrei berichten.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommt es zur kirchlichen Publikation im Einsiedler Anzeiger?

Albert Schönbächler: Ich rege mich auf, dass die katholische Kirche immer wieder eine sehr schlechte Presse hat und negativ über sie geschrieben wird. Kürzlich zum Beispiel die Presse zur Absage der Portugiesenwallfahrt: Sie las sich so, dass das Kloster Einsiedeln die Pilger nicht mehr willkommen heissen will. Erst in der Richtigstellung des Klosters konnte man vernehmen, dass gesetzliche Sicherheitsaspekte die Gründe für eine etappierte Portugiesenwallfahrt darstellten. Wir goutieren diese negative Berichterstattung nicht und wollen ein Gegengewicht geben.

Pater Basil Höfliger: Den Kommentar im EA zum Verhaltenskodex im Bistum Chur fand ich etwas unmotiviert. Schliesslich war der Zwist um den Kodex nur eine Randnotiz an der Sitzung des Kantonskirchenrats. Es gibt diese negativen News in unserer Kirche. Uns geht es darum, aufzuzeigen, was daneben an Positivem geschieht, was die Pfarrei täglich macht, welche Angebote sie zur Verfügung stellt – wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Ist der angestrebte Aufbau einer Stelle als Kommunikationsverantwortlicher der Kirchgemeinde auf Eis gelegt? Albert Schönbächler: Wir überdenken diese Art unserer durchaus vielfältigen Medienarbeit seit geraumer Zeit. Im Kirchenrat wird eine offene Diskussion darüber geführt. Wir haben auch bereits eine Person im Auge, die für diese Stelle in Frage kommen könnte. Noch ist allerdings nichts spruchreif. Pater Basil Höfliger: Manches ist in Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Pfarrei Einsiedeln wegen der Corona-Pandemie auf Eis gelegt worden. Zumindest, was die Gottesdienstordnung betrifft, konnte einiges realisiert werden. Nun wollen wir aber an Fahrt aufnehmen und Projekte an die Hand nehmen, die liegengeblieben sind. Wir möchten besser darauf hinweisen, was in unserer Pfarrei bereits gut läuft. Wir merken, dass wir in der Kommunikation Nachholbedarf haben und wir aktiver auf die Menschen zugehen müssen.

Welche Ziele verfolgt die Kolumne?

Albert Schönbächler: «Tu Gutes und sprich darüber»: Mit diesen Worten könnte man das Motto dieser Kolumne umschreiben. Dabei sollen durchaus auch kritische Themen und Zeitgeistiges Raum finden dürfen. Wir wollen auch für kritische Leute da sein oder für Menschen, die nicht regelmässig mit uns in Kontakt stehen.

Erreicht man mit dem Pfarreiblatt das Publikum nicht? Pater Basil Höfliger: Der Platz, der uns zur Verfügung steht, um über Themen aus der Pfarrei zu berichten, ist einerseits auf etwa eine Seite beschränkt im Pfarreiblatt. Andererseits wollen wir mit unserer Kolumne im Einsiedler Anzeiger durchaus auch ein kirchenfernes Publikum erreichen. Viele setzen Kirche einfach mit Gottesdiensten gleich und ha-ben keine Kenntnis davon, was in unserer Pfarrei alles läuft. Dies wollen wir in der Kolumne beleuchten.

Die Zahl der Kirchenaustritte nimmt zu. Soll mit der Kolumne die Austrittswelle gestoppt werden? Albert Schönbächler: Ich hege kaum die Illusion, dass mit einer solchen Kolumne eine Austrittswelle gestoppt werden könnte. Die Frage stellt sich vielmehr, ob es überhaupt eine Austrittswelle gibt. In absoluten Zahlen gerechnet ist die Zahl der Mitglieder in der Kirchgemeinde Einsiedeln in den vergangenen Jahren recht stabil geblieben.

Trifft das Motto «Tu Gutes und rede darüber» auf die Kolumne zu? Pater Basil Höfliger: In der Tat. Es geht bei der Kolumne nicht zuletzt darum, über das Gute zu berichten, das in unserer Pfarrei von vielen Menschen geleistet wird: Wir begleiten Senioren im Altersheim und besuchen sie zu Hause, engagieren uns in der Jugend-, Familien- und Vereinsarbeit und halten Sakramentsvorbereitung im Schulunterricht. Wir begleiten Menschen bei der Taufe ihrer Kinder, beim Abschied von lieben Angehörigen und in anderen schwierigen Situationen. Daneben soll die Kolumne auch Prozesse begleiten, welche die Pfarrei und die Kirchgemeinde beschäftigen. Albert Schönbächler: Wenn all die sozialen Tätigkeiten nicht mehr von der Kirche ausgeübt würden, müsste die öffentliche Hand einspringen und diese Dienste übernehmen. Der Staat hätte an die Stelle der Kirche zu treten. Die sozialen Tätigkeiten der Seelsorge sind elementar wichtig für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

In welcher Art sollen sich die Texte im EA und im Pfarreiblatt unterscheiden? Pater Basil Höfliger: Die Themenpalette ist im EA breiter ausgerichtet und richtet sich gleichzeitig an grössere Kreise. Vorstellbar wäre etwa, dass Gastschreiber über ihre Erfahrungen in unserer Pfarrei berichten oder was ihnen der Glaube bedeutet. Der Frauenverein könnte mit seinem ganzen Netzwerk in den Fokus rücken. Es bestünde die Möglichkeit, Kirchgenossenschaften vorzustellen, deren Struktur und Kulturgut unter die Lupe zu nehmen. Oder in einem Text aufzuzeigen, dass das Kloster und die Pfarrei nicht ein und dasselbe sind, wie oft angenommen wird.

Wie wird aus Ihrer Sicht die Kirche in den Medien abgebildet?

Albert Schönbächler: «Leider sehr einseitig und mehrheitlich negativ. Immer noch wird über sexuelle Übergriffe in der katholischen Kirche berichtet, die vor fünfzig oder hundert Jahren stattgefunden haben – mit einer vom heutigen Zeitgeist geprägten Brille. Gleichzeitig klammern die Medien aus, dass sexueller Missbrauch auch in Kinderheimen, Sportvereinen und Familien geschieht. Nur der Kirche allein all diese Schuld zuzuweisen, ist unfair. Erst recht angesichts der Tatsache, dass sich vielleicht ein Prozent der Geist-lichen dieser Vergehen schul-dig macht, derweil sich 99 Prozent der Priester korrekt und im Dienst des Nächsten einsetzen. Pater Basil Höfliger: Gleichzeitig wird häufig über Reformstau, Machtstrukturen und die Rolle der Frau in der katholischen Kirche berichtet. Das sind Themen, die angegangen werden müssen, bei denen wir als Pfarrei aber wenig beitragen können. Das Gute in der Kirche wird über all dem gern vergessen. Die Medien berichten lieber über die Grabenkämpfe im Bistum Chur, die unser Pfarreileben kaum tangieren und die die Leute in der Pfarrei Einsiedeln wenig interessieren.

Das Kloster Einsiedeln ist unzufrieden über die Berichterstattung im EA über die Absage der Portugiesenwallfahrt. Wäre es nicht am Kloster gelegen, darüber zu informieren? Albert Schönbächler: Das ist eine gute Frage: Aber Sie müssen diese Frage dem Kloster stellen, nicht der Kirchgemeinde Einsiedeln. Sie zeigt bezeichnend auf, dass die Leute das Kloster und die Pfarrei nicht auseinanderhalten können. Es sind aber zwei verschiedene Institutionen, die nichts direkt miteinander zu tun haben. Naturgemäss ist eine gute Medienarbeit in der heutigen Zeit wichtig. Deswegen wollen wir auch eine Stelle als Kommunikationsverantwortlicher der Kirchgemeinde schaffen.

Was steht in den ersten Texten auf dem Programm? Albert Schönbächler: Vikar Steffen Michel schildert seine Eindrücke nach hundert Tagen als Priester in unserer Pfarrei. Zudem befindet sich die Überarbeitung des Projekts Einsiedlerhof (Stand Baueingabe) durch die Bauherren kurz vor dem Abschluss. Die letzten Details werden im Juni bearbeitet, auf dass die Baueingabe im Juli eingereicht werden kann. Pater Basil Höfliger: Weitere Themen sind die Neuausrichtung beim Taufsakrament, dank der wir mehr gemeinsame Begegnungen der Eltern möglich machen wollen, und die Aufgabenbereiche der Diakonie, bei der die versteckte Armut in unserer Gesellschaft eine Rolle spielt. Auch wie wir Menschen in unserer Pfarrei willkommen heissen, ist ein Thema. Die weiteren Kolumnen werden auch wieder mit neuen aktuellen und interessanten Themen gefüllt sein. Wäre es sinnvoll, wenn in die-ser Kolumne der Verhaltenskodex, der Zölibat oder die Rolle der Frau in der Kirche thematisiert würden? Pater Basil Höfliger: Das sind Themen, die denkbar sind und momentan in der Gesamtkirche auch diskutiert werden. Wir fokussieren aber mehr auf Themen, die uns vor Ort beschäftigen und weniger mit Theologie zu tun haben. Die Kolumne soll durchaus Raum bieten, Kritisches anzusprechen. Hauptsache ist, dass die Texte einen Bezug zum Pfarreileben haben, zum Wirken der Kirchgemeinde. So könnte der Verhaltenskodex zum Thema werden, weil er ja von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pfarrei unterschrieben werden muss und sich diese naturgemäss fragen, zu was dieser Kodex verpflichten will.

Könnte sich die Kolumne in Richtung «Wort zum Sonntag» entwickeln? Albert Schönbächler: Definitiv nicht: Die Kolumne soll keineswegs eine Predigt im Sonntagsgottesdienst ersetzen. Mit dieser neuen Kolumne will der Kirchenrat vielmehr über aktuelle Schwerpunkte und Anlässe in der Pfarrei berichten. Gerne darf die Kolumne Themen aufgreifen, die den Leuten unter den Nägeln brennen.

«Ich rege mich auf, dass die katholische Kirche immer wieder eine sehr schlechte Presse hat.»

Albert Schönbächler Präsident der Kirchgemeinde Einsiedeln «Wir möchten besser darauf hinweisen, was in unserer Pfarrei bereits gut läuft.»

Pater Basil Höfliger Leiter der Pfarrei

«Wir haben in der Kommunikation Nachholbedarf und wollen aktiver auf die Leute zugehen.»

Pater Basil Höfliger

Pater Basil Höfliger (links), Leiter der Pfarrei, und Albert Schönbächler, Präsident der Kirchgemeinde Einsiedeln, stellen die neue Kolumne im EA vor.

Foto: Magnus Leibundgut

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