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«Ökologisieren und dafür mehr importieren – das geht nicht»

«Ökologisieren und dafür mehr importieren – das geht nicht» «Ökologisieren und dafür mehr importieren – das geht nicht»

Franz Philipp, Bauernsekretär bei der Bauernvereinigung des Kantons Schwyz, steht Red und Antwort zur Entwicklung in der Landwirtschaft: «Sollte der Krieg in der Ukraine andauern, könnte ich mir eine Intensivierung der Landwirtschaft durchaus vorstellen.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Mit welchen Schwierigkeiten hat die Landwirtschaft derzeit zu kämpfen? In den vergangenen Tagen war es die Wettersituation, die vor allem den Obstbauern im Talgebiet Sorge bereitete. Die ersten Obstbäume sind bereits in der Blüte, weshalb Nächte mit Frost eine grosse Gefahr darstellen. Bereits blühende Kirschbäume versucht man, vor Frost zu schützen. Das kann mit Kerzen und Fackeln geschehen, die damit die Temperatur bei den Bäumen leicht anheben und dadurch einen möglichen Schaden abwenden können. Nur die Landwirtschaft ist der Natur ausgesetzt: Darin unterscheidet sie sich insbesondere von der übrigen Wirtschaft.

«Die ersten Obstbäume sind bereits in der Blüte. Nächte mit Frost sind eine grosse Gefahr.»

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die Landwirtschaft aus? In der Schweiz haben die Produktionskosten bereits vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine angezogen. Nun sind es vor allem die Kosten der Energieträger, die zu einer Verteuerung führen. In diesem Jahr wird es weltweit zu einer Verknappung von Getreide und Ölsaaten kommen, da in der Ukraine die Aussaaten nur teilweise gemacht werden konnten und ein erheblicher Teil des Weltmarktes aus diesem Land stammt. Dabei fehlte es nicht zuletzt an Treibstoff zur Bestellung der Äcker, da dieser von der Armee eingezogen wurde. Die globale Versorgung mit Lebensmitteln dürfte prekär werden.

«Die Produktionskosten haben in der Schweiz bereits vor dem Krieg angezogen.»

Wie kommen Bauern zum Pflanzendünger, der bis anhin aus Russland importiert worden ist? Der Krieg wird zu einem Preisanstieg beim Dünger führen. Für dieses Jahr haben wir aber sicher noch genügend Düngemittel zur Verfügung. Theoretisch könnte die Schweiz Stickstoff- Dünger auch selber herstellen. Allerdings ist deren Produktion sehr teuer, weil dafür fossile Brennstoffe benötigt werden. Anders sieht es beim Phosphor aus, bei dem wir keine Vorkommnisse haben. Eine grössere Bedeutung erhalten deshalb unsere Hofdünger, Mist und Gülle. Diese gilt es ideal einzusetzen, um die Nährstoffe den Pflanzen bedarfsgerecht zur Verfügung stellen zu können.

«Die globale Versorgung mit Lebensmitteln dürfte prekär werden.»

Können Landwirte den Weizen aus der Ukraine ersetzen mit eigenem Anbau?

Die Schweiz bezieht kaum Weizen aus der Ukraine. Unser Land kauft Weizen und Soja vorwiegend aus dem EU-Raum. Grundsätzlich ist es möglich, im Talgebiet die Weizenfläche noch weiter auszudehnen. Sollten die Preise steigen, wird der Anbau für die Produzenten wieder interessanter. Allerdings gilt es natürlich die Fruchtfolge zu beach-ten, um nicht Getreidekrankheiten zu provozieren. In unserer Region sehe ich jedoch nur wenig Potenzial für den Ackerbau. Dinkel könnte noch vermehrt angepflanzt werden, da dieser recht robust ist. Allerdings begünstigen die vielen Niederschläge ganz klar das Graswachstum und damit die Lebensmittelproduktion aus der Viehwirtschaft. Fehlt es der Landwirtschaft angesichts des Ukraine-Krieges bereits an Futterkomponenten wie Getreide oder Soja?

Die Futterkomponenten sind noch in ausreichenden Mengen vorhanden. Allerdings steigen deren Preise an und führen ebenfalls zu einer Verteuerung der Produktionskosten. Wird dank der Krise die lokale Lebensmittelproduktion angetrieben?

Bisher noch nicht. Weltweit bestehen noch grosse Lagerbestände an Reis und Getreide. Auch in der Schweiz müssen die Pflichtlager aktuell noch nicht geöffnet werden. Sollte der Krieg andauern, könnte ich mir persönlich eine Intensivierung der Landwirtschaft aber durchaus vorstellen. Verantwortungslos wäre aus meiner Sicht, wenn der Bund sein Ansinnen durchboxen würde, wonach 3,5 Prozent der offenen Ackerfläche ökologisch bewirtschaftet werden müssten – unabhängig davon, wie viele Biodiversitätsflächen der Ackerfläche angrenzend sind. Ökologisieren und dafür mehr importieren – das geht nicht. Auch wir in der Schweiz sind verpflichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten.

«Sollten die Preise steigen, wird der Anbau für die Produzenten wieder interessanter.»

Wäre denkbar, zukünftig Weizen im Unterland anzubauen?

Die Aussaaten bei Getreide und Ölsaaten sind bereits erfolgt. Bei den Hackfrüchten können Flächen noch erhöht werden. Allerdings ist für mich weniger zentral, was produziert wird. Wichtig scheint mir, dass das produziert wird, was der Markt verlangt. Es macht beispielsweise keinen Sinn, weniger tierische Lebensmittel in der Schweiz herzustellen und dafür mehr zu importieren. Den Nutztieren ist damit nicht geholfen, da wir im Tierwohlbereich führend sind und unser Tierschutzgesetz auf dem höchsten Stand ist.

«Wichtig scheint mir, dass das produziert wird, was der Markt verlangt.»

Wie können sich Landwirte gegen den Verlust von Kulturland wehren? Noch immer verlieren wir pro Sekunde gegen einen Quadratmeter Kulturland an Bautätigkeiten und zusätzlich an ökologische Forderungen. Die Bauernvereinigung selber wehrt sich gegen den Kulturlandverlust auf politischer Ebene, verlangt eine verdichtete Bauweise und unterstützt die betroffenen Landwirte bei Einsprachen gegenüber überdimensionierten Gewässerräumen oder Pufferzonen. Bezüglich den Biodiversitätsflächen vertreten wird die Haltung, dass diese quantitativ ausreichen aber teilweise deren Qualität noch erhöht werden kann. Auf welche Art und Weise würde sich ein Embargo gegen Russland auf die Schwyzer Landwirtschaft auswirken?

Ich gehe davon aus, dass dies nochmals zu einer deutlichen Verteuerung der Energiepreise führen würde. Fraglich ist jedoch, wie sich die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) verhalten wird. Ist die Landwirtschaft bereit, auf emissionsfreie, erneuerbare Energieträger umzusteigen? Aktuell hätte die Landwirtschaft aufgrund der grossflächigen Scheunendächer noch Potenzial für Photovoltaikanlagen. Aller-dings war der Betrieb in den vergangenen Jahren nur bei einem hohen Eigenbedarf rentabel. Bei Biogasanlagen wäre das Potential ebenfalls vorhanden. Aller-dings fehlt es hier ebenfalls an der Wirtschaftlichkeit. Steigen die Energiepreise, könnte dies zu einem Anschub dieser Technologien in der Landwirtschaft führen.

«Es braucht höhere Milchpreise. Die Anzahl der Milchproduzenten ist abnehmend.»

Bedeuten überhandnehmende Krankheiten eine Gefahr für die Landwirtschaft? Die Globalisierung führt dazu, dass vermehrt Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge wie etwa die Kirschessigfliege in die Schweiz eingeführt werden. Aber auch Tierseuchen werden schneller verbreitet. Aktuell ist es die Afrikanische Schweinepest, die uns Sorgen bereitet. Diese Krankheit ist in den meis-ten Fällen für Schweine und Wildschweine tödlich und hochansteckend. Wir hoffen natürlich, dass die Schweiz von dieser Seuche verschont bleibt.

«Aktuell ist es die Afrikanische Schweinepest, die uns Sorgen bereitet.»

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Schwyzer Landwirtschaft aus?

Was wir vermehrt erkennen, sind Wetterkapriolen, einhergehend mit Starkniederschlägen. Feuchte oder trockene Jahre gab es jedoch schon immer. Für die Schwyzer Landwirtschaft sind trockene Jahre meist weniger einschneidend als sehr nasse Jahre. In nassen Jahren verlieren wir viel Futter, das auf den Weiden in den Boden zertrampelt wird. Was wir jedoch noch nicht erkennen können, sind höhere Erträge aufgrund der wärmeren Temperaturen. Wie schätzen Sie das Bauernsterben im Kanton Schwyz bzw. im Bezirk Einsiedeln ein? In der Regel sprechen wir von einem jährlichen Verlust von einem bis eineinhalb Prozent an Bauernbetrieben, die aufgegeben werden. Ich würde von einer sozialverträglichen Situation sprechen, da die Betriebe hauptsächlich beim Generationenwechsel aufgegeben werden.

«Auch im Bereich des Strukturwandels sehe ich keine Verschärfungen.»

Bräuchte es einen Systemwechsel beim Milchpreis?

Vor allem braucht es höhere Milchpreise. Die Anzahl der Milchproduzenten ist abnehmend. Dabei wäre die Milchproduktion die effizienteste Art, aus Gras hochwertige Lebensmittel für unsere Bevölkerung herzustellen. Die Schweiz ist aufgrund der hohen Niederschläge und der Topografie für die Milchproduktion absolut prädestiniert. Die Verarbeiter sind gut beraten, einen fairen Milchpreis zu bezahlen. Denn wer einmal aus der Milchproduktion ausgestiegen ist, wird aufgrund der hohen Investitionskosten nicht mehr einsteigen. Wie entwickelt sich die Landwirtschaft in der Region Einsiedeln, im Ybrig und in Rothenthurm?

Im Kanton Schwyz und insbesondere im Bezirk Einsiedeln werden sich die Hauptbetriebszweige mittelfristig kaum ändern. Die Viehwirtschaft ist dominie-rend und dürfte dies auch bleiben. Auch im Bereich des Strukturwandels sehe ich keine Verschärfungen. Allerdings gelten diese Aussagen nur, wenn die politische Situation sich nicht fundamental verändert. Initiativen, die eine Extensivierung unserer Landwirtschaft anstreben, wie etwa die im vergangenen Jahr abgelehnten Agrarinitiativen oder die kommende Tierhaltungsinitiative, würden die Situation komplett verändern.

Franz Philipp, Bauernsekretär bei der Bauernvereinigung des Kantons Schwyz: «Die Globalisierung führt dazu, dass vermehrt Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge wie etwa die Kirschessigfliege in die Schweiz eingeführt werden. Aber auch Tierseuchen werden schneller verbreitet. » Foto: zvg

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