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«Die Lehre ist viel anspruchsvoller geworden»

«Die Lehre ist viel anspruchsvoller geworden» «Die Lehre ist viel anspruchsvoller geworden»

Der Schulleiter Franz Camenzind steht Red und Antwort zur Bedeutung der Berufsmesse Einsiedeln/ Ybrig: «Die berufliche Orientierung soll noch stärker in den Fokus gerückt werden.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie fällt Ihr Blick zurück auf die Berufsmesse Einsiedeln/Ybrig aus? Die grosse Sporthalle war nahezu voll: 300 Jugendliche und 85 Gewerbebetriebe haben an der Berufsmesse Einsiedeln/Ybrig teilgenommen. Das sind ähnliche Zahlen wie bei der Berufsmesse im Jahr 2019, obwohl die Corona- Pandemie heuer die Organisation der Messe erschwert hat. Auch das Budget der Berufsmesse beträgt wiederum rund 10’000 Franken. Für die Schülerinnen und Schüler aus Einsiedeln war die Teilnahme obligatorisch. Wieso ha-ben die Ybriger nicht verbindlich mitgemacht? Eine verbindliche Teilnahme der Jugendlichen aus Unteriberg und Oberiberg war von Grund auf nicht vorgesehen. Auch in Zukunft soll die Messe für die Schülerinnen und Schüler vom Ybrig freiwillig bleiben, auch wenn eine stärkere Zusammenarbeit vorstellbar und wünschenswert wäre. Immerhin sind zwölf Ybriger Schüler an die Messe nach Einsiedeln gekommen, obwohl diese ja coronabedingt sehr kurzfristig organisiert werden musste. Wäre eine Zusammenarbeit mit Rothenthurm denkbar? Einerseits hat Rothenthurm bereits eine eigene Berufsmesse und überdies eine Lehrstellenbörse. Kommt hinzu, dass wir langsam ein Platzproblem bekommen würden, wenn die Messe in Einsiedeln weiter ausgebaut werden würde. In Frage käme allenfalls, dass auch in der Furrenhalle ausgestellt werden würde.

Wie hat sich die Berufsmesse inhaltlich verändert?

Durch die coronabedingte Verschiebung hatten die Jugendlichen ein halbes Jahr mehr Zeit, ihr Dossier zu bearbeiten: Durch eine Vertiefung der Vorbereitung hat sich die Qualität der Arbeit erhöht. Hinzu kommt eine Erweiterung des Einzelauftrags für die Schüler, die überdies am Samstag ein Firmenporträt ihres Betriebes zu erstellen hat-ten. Wir sammeln diese Porträts, anhand derer sich die Betriebe vorstellen können.

Wie fanden Sie die Stimmung?

Es herrschte eine sehr angeregte, überaus vitale und positive Atmosphäre. Jugendliche und Ausbildner zeigten viel Freude an der Berufsmesse Einsiedeln/Ybrig. Es freut mich sehr, dass Schülerinnen und Schüler Betriebe gefunden haben, um dort Schnupperlehren absolvieren zu können. Darin zeigt sich, wie sinnvoll die Berufsmesse ist. Was ist Ihnen positiv aufgefallen?

Besonders freut es mich, dass frühere Schüler von mir nun als Lehr-meister in Aktion treten. Man trifft auf dieser Messe gewissermassen auf die Gegenseite: Wie aus Jugendliche Ausbildner werden. Wo erkennen Sie Optimierungspotenzial bei der Berufsmesse Einsiedeln/Ybrig? Mit Bestimmtheit gibt es immer Sachen, die man verbessern kann. Sobald wir Rückmeldungen seitens der Betriebe, der Schülerund Lehrerschaft haben, gehen wir über die Bücher. Haben sich die Podien in der Furrenhalle bewährt? Vor zweieinhalb Jahren haben die Podien in der grossen Sporthalle stattgefunden: Die Podien sind dann etwas untergegangen im Lärm. Die Furrenhalle hat sich heuer sehr bewährt als neuer Ort für die Podien: Es war naturgemäss ruhiger. Ungestört konnte ein Austausch stattfinden und Fragen gestellt werden.

Soll die Berufsmesse jedes Jahr stattfinden?

Für die Schule wäre das perfekt, wenn jeder Jahrgang drei Mal die Messe besuchen könnte, was möglich wäre, wenn in jedem Jahr eine Berufsmesse stattfinden würde. Aus Sicht der Schule wäre eine Messe alle zwei Jahre auch schon sehr gut. Vermutlich wird das Gewerbe eher eine Berufsmesse alle drei Jahre bevorzugen: Das Gewerbe steckt sehr viel Manpower und Arbeit in die Berufsmesse und muss darüber hinaus ja auch noch die Gewerbeausstellung organisieren. Wie kann das Thema berufliche Orientierung künftig noch stärker gewichtet werden? Die berufliche Orientierung ist eine Schlüsselaufgabe der Sekundarschulen, die an der Schnittstelle zur Wirtschaft agieren und am Netzwerk arbeiten. Die bestehenden personellen Ressourcen sollten gebündelt werden, um eine berufliche Orientierung noch ausbauen zu können. Die Schulen haben bereits das Lift-Projekt und das Time-out Konzept, die sich sehr bewährt haben.

Wie hat sich der Stellenwert der Lehrstelle verändert in den letzten Jahrzehnten? Die Lehre ist viel anspruchsvoller geworden als etwa noch in den 80er-Jahren: Aus dem damaligen Automechaniker ist etwa ein Mechatroniker geworden, weil elektronische Komponenten hinzugekommen sind. Das duale Bildungssystem sorgt für eine hohe Qualität in der Berufsausbildung und eine tiefe Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz. Dieses System schafft ideale Voraussetzungen und bereitet einen guten Boden vor. Allgemein hat das Klassendenken in Sachen Leistungsfähigkeit abgenommen: In den 80er-Jahren war ein grosses Gerangel, wer ins Gymnasium kommt und wer nicht, weil der Stellenwert einer Lehre noch geringer war. Heutzutage machen die besten Schüler und Schülerinnen auch eine Lehre. Wer etwa eine Bank-KV-Ausbildung in Angriff nimmt, hat beste Chancen, später erfolgreich Karriere zu machen – auch ohne den Besuch einer Kantonsschule.

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