«Vermehrte Trockenheit belastet Fichten und Buchen stark»
Der 51-jährige Kreisförster Beat Fuchs steht Red und Antwort zum Gedeihen des Waldes vom Ybrig bis Alpthal, von Rothenthurm bis Einsiedeln: «Klimawandel und Wildverbiss setzen den Wald unter Druck.» Sehnlichst hoffen die Förster auf Regen nach einem rekordmässig trockenen Monat März.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie wirkt sich die derzeitige Trockenheit auf den Wald im Einsiedler Forstkreis 2 aus? Im Kanton Schwyz galt bis an-hin in Sachen Waldbrand die Stufe 3 (erhebliche Gefahr). Ein vorsichtiger Umgang mit Feuer ist angesagt: Waldbesucher dürfen ein Grillfeuer nur in bestehenden Feuerstellen entfachen. Ein Feuer muss immer beobachtet, ein Funkenwurf sofort gelöscht werden. Aber die Wetterlage wechselt ja nun. Die herrschende Trockenheit machte sich in den Wäldern unterschiedlich bemerkbar: Während es an einem Sonnenhang beispielsweise in der Region Weisstannen (Euthal) vollends trocken war, liegt etwa in Alpthal meist noch Schnee. Da herrschte keine Waldbrandgefahr. Wenn nun aber die Flora zu spriessen beginnt, brauchen die Pflanzen ausreichend Wasser.
Rechnen Sie aufgrund der aktuellen Witterungslage heuer mit einer Borkenkäferplage? Zum Glück für die Waldbäume war der letzte Sommer feucht und eher kühl: Das hat den Buchdrucker kräftig ausgebremst. Erste Bäume, die Wintersturmschäden aufweisen, sind bereits gefällt und entrindet worden, damit sie nicht vom Buchdrucker befallen werden. Noch bin ich nicht besorgt we-gen des Borkenkäfers. Er liebt zwar milde, trockene Witterung. Aber von einem rekordmässig trockenen März kann man nicht auf das ganze Jahr schliessen. Gibt es bereits Beobachtungen, dass sich der Borkenkäfer breit macht im Klosterdorf? Bis anhin war es dem Borkenkäfer insbesondere über Nacht zu kühl. Das kann sich dann aber im April und Mai schnell ändern. Bei warmen und trockenen Bedingungen legen Borkenkäfer in geschwächten Rottannen (Fichten) ihre Eier ab. In schönen, milden Jahren reicht es für drei Generationen. Herrscht eher eine feucht-kühle Witterung vor, kommt es nur zu zwei Generationen, was die Lage entspannt. Trocken-heisse Witterung schwächt die Bäume generell. So werden sie anfälliger für Insektenbefall. Kann der Borkenkäfer chemisch oder biologisch bekämpft werden?
Der Einsatz von chemischen Mitteln ist im Wald generell verboten und würde auch die gesamte restliche Umwelt belasten. Hingegen sind gewisse Schlupfwespen oder auch der Ameisenbuntkäfer natürliche Feinde der Borkenkäfer: Diese Insekten verfolgen den Buchdrucker in den befallenen Bäumen und bekämpfen ihn auf natürliche Weise. Deshalb muss man aufpassen, dass man das Holz, in dem sich Schlupfwespe und Ameisenbuntkäfer befinden, nicht abräumt, nachdem die Borkenkäfer bereits ausgeflogen sind.
Führt die Gefahr durch Borkenkäfer dazu, dass Förster aufgerufen sind, die Wälder aufzuräumen, um den Käferbefall reduzieren zu können? Der Buchdrucker befällt Stämme geschwächter, aber noch lebender Bäume, nicht Äste, die im Wald herumliegen. Den Wald aufzuräumen bringt also reichlich wenig in Sachen Borkenkäferbekämpfung. Das Einzige, was nützt: Einen vom Käfer befallenen Baum soll man fällen und entrinden, damit sich die Käferlarven nicht entwickeln und vermehren können. Themenwechsel: Werden Fichte und Buche längerfristig durch andere Baumarten ersetzt? Vermehrte Trockenheit belastet Fichten und je nachdem auch Buchen stark. An sich können sich Bäume durchaus an veränderte Bedingungen anpassen. Dies allerdings über Tausende Jahre und viele Baumgenerationen hinweg. Der Klimawandel kommt diesmal aber so schnell, dass die Natur keine Zeit hat, sich so kurzfristig anzupassen. In höheren Lagen bedeuten die veränderten Umstände für die Fichten noch wenig Probleme. Auch die Buche verjüngt sich natürlich, also ohne aktives Pflanzen von jungen Bäumchen, sehr gut. Sie bekommt aber insbesondere auf Kuppenlagen mit wenig Wasserzufuhr Probleme. Anders entwickelt sich die Situation in tiefer gelegenen Gebieten: Hier muss man damit rechnen, dass sich der Fichtenanteil wegen des Klimawandels deutlich reduziert. Da wird es vorkommen, dass die Fichte mit anderen Baumarten (zum Beispiel Eichen) ersetzt wird, die Hitze und Trockenheit besser ertragen können.
Gibt es Bestrebungen, die Biodiversität im Kanton Schwyz zu stärken? Diese Bestrebungen gibt es schon lange – nicht nur im Kanton Schwyz: So werden vermehrt Alt- und Totholz stehen gelassen, Waldränder aufgelichtet und Lebensräume aufgewertet. Gut strukturierte und artenreiche Wälder sind nämlich deutlich klimafitter. Um zu erforschen, welche Baumarten auch in Zukunft gut gedeihen werden, startet die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ein grosses Projekt. Können Sie mehr über dieses Projekt erzählen? Es wird wärmer und im Sommer trockener. Dies hat Auswirkungen auf das künftige Vorkommen von Baumarten auf ihren heutigen Wuchsorten. Auf vielen Waldstandorten werden Mitte oder Ende des 21. Jahrhunderts andere Baumarten besser wachsen als diejenigen, die heute dort gedeihen. Während ein Teil der zukunftsfähigen Baumarten heute bereits vorhanden sind, fehlen andere noch ganz. In Zusammenarbeit mit den Kantonen und Waldbesitzern werden auf schweizweit 59 Testflächen zukunftsfähige Baumarten erprobt. Insgesamt rund 55’000 Bäumchen sollen über mehrere Jahrzehnte beobachtet werden und Informationen zur Eignung der Baumarten im Klimawandel liefern. Auch im Kanton Schwyz entstehen zwei solcher Flächen, nämlich in Feusisberg (Friesisschwand) und Schwyz. Welche Baumarten stehen im Fokus? Die zu erprobenden Baumarten wurden unter Einbezug der Einschätzungen von Experten und Kantonsvertretern ausgewählt. Das Baumartenset besteht aus neun fixen Arten, die auf allen Testflächen gepflanzt werden: Weisstanne, Bergahorn, Buche, Lärche, Fichte, Föhre, Douglasie, Traubeneiche und Winterlinde. Je nach Eignung des Standortes kommen weitere Arten aus dem Ergänzungsset hinzu, so zum Beispiel Spitzahorn, Nuss- und Kirschbaum, Stieleiche, Elsbeere, aber auch einige exotischere Arten wie Atlaszeder, Baumhasel, Zerreiche. Wer weiss, vielleicht werden diese in Zukunft auch bei uns eine wichtigere Rolle spielen.
Zurück zur Biodiversität: Wie steht es grundsätzlich um diese im Kanton Schwyz? Die Natur im Kanton Schwyz gestaltet sich sehr vielfältig. Wir können von einer grossen Biodiversität sprechen, die hierzulande vorhanden ist. Sie ist jedoch von Wald zu Wald sehr unterschiedlich und schliesst selbstverständlich nebst Baumarten auch alle weiteren Pflanzen, Flechten, Tiere, Insekten oder Pilze mit ein. Dass wir im Kanton Schwyz auf kleinem Raum sehr vielfältige Landschaftsbilder haben, hat auch mit den facettenreichen geologischen Bedingungen, den Bergen und den Seen zu tun. Im inneren Kantonsteil, auf kalkhaltigen steilen Hängen, gedeihen ganz andere Pflanzengemeinschaften als im Flyschgebiet (Alpthal und Ybrig) mit feucht-nassen Böden. Der Raum Einsiedeln und Höfe leitet bereits zur mittelländischen Molasse über. Naturgemäss ist die Biodiversität an den Ufern des Zürichsees eine ganz andere als an der Waldgrenze im Ybrig. Mit dem Vernetzen von Wäldern versuchen wir die Ausbreitung der verschiedenen Arten dennoch besser zu ermöglichen.
Werden dabei gewisse Baumarten speziell gefördert? Die Vielfalt unter den Baumarten ist im Flachland sehr gross, nimmt aber im Gebirge stark ab. Mit Blick auf die Zukunft werden vermehrt Laubhölzer berücksichtigt, an warmen Standorten auch die Eiche. Fichten und Buchen werden nicht explizit gefördert: Diese werden auch auf natürliche Weise in nächster Zukunft eine bedeutende Stellung behalten. Die Weisstanne hinge-gen versuchen wir an vielen Orten zu schützen.
Wie stark ist die Eschenwelke in den Wäldern von Einsiedeln, Ybrig, Alpthal und Rothenthurm verbreitet? Leider ist gegen den Pilz nicht nur bei uns sondern generell kein Kraut gewachsen: Die Eschenwelke ist unverändert hoch akut. Die Forschung versucht zwar rauszufinden, weshalb einzelne Exemplare resistent sind gegen den Pilz, um diese dann gezielt zu verbreiten. Wahrscheinlich aber wird dies in absehbarer Zeit noch nicht funktionieren. An gefährlichen Orten, wo dürre Äste oder ganze Bäume Personen treffen könnten, werden auch vorsorglich Bäume entfernt. Es kann aber nicht erwartet werden, dass dies überall und lückenlos passiert.
Wie ist der Stand der Dinge beim Wildverbiss in den hiesigen Wäldern?
Auch dies ist sehr regionenabhängig. An (zu) vielen Orten ist der Wildverbiss aber seit Langem ein ernsthaftes Problem. In erster Linie mag das Wild Laubbäume und die Weisstanne. Nur im Notfall werden auch Fichten angegangen. Insbesondere die Zahl der Hirsche ist unnatürlich hoch, obwohl die Jäger gut und viel schiessen. Aber die Einwanderung von Graubünden übers Glarnerland und von Uri in den Kanton Schwyz kompensiert den jährlichen Abschuss, so dass die Bestände weiterhin hoch bleiben. Auch wenn die Tiere für uns meist unsichtbar bleiben, ihre Menge beeinflusst den Schutzwald und die Biodiversität stark. Es ist unmöglich, alle Bäumchen einzuhagen und zu schützen. Es geht nur mit einem ausgewogenen Gleichgewicht.
Welche Rolle spielt der verstärkte Besucheraufmarsch in den Wäldern? Viele Leute in den Wäldern, das hat naturgemäss Auswirkungen: Wenn Sportler das Wild in den Wäldern aufscheuchen, wird dieses gestresst, braucht mehr Energie und frisst entsprechend mehr. Hinzu kommt das Übel, dass beispielsweise übermütige Biker illegal Bäumchen fällen, um Trails zu bauen. Das gefällt den Waldeigentümern verständlicherweise gar nicht. Wir haben derweil hier in Einsiedeln ein gutes Auskommen mit der IG Meinrad-Trails: Dieser Verein legt Wert auf einen nachhaltigen Umgang mit dem Wald, vertritt den Gedanken für gegenseitige Toleranz auf Wanderwegen und engagiert sich für Planung, Projektrealisierung, Unterhalt und wenn nötig auch allfälligem Rückbau von Bike-Strecken. Diese Zusammenarbeit freut uns sehr. Und zum Schluss noch eine Frage zu den Zecken: Ist heuer aufgrund der milden Witterung mit einer verstärkten Zeckenplage zu rechnen? Nur aufgrund der letzten trockenen Wochen muss sicher nicht von einer Zeckenplage ausgegangen werden. Diese sind eh auf dem Vormarsch. Längst liegt auch der Bezirk Einsiedeln in ihrem Ausbreitungsgebiet. Ich weiss nicht, seit wann sich diese kleinen Spinnentiere im Klosterdorf wohl fühlen. Früher war es ihnen noch zu kalt am Sihlsee. Wer sich an Waldrändern aufhält oder durch Gebüsch streift, sollte lange Hosen und ein langärmliges Shirt tragen. Weisse Kleider empfehlen sich: Auf diesen erkennt man die dunklen Tierchen besonders gut, bevor sie einem unter die Kleider krabbeln.
«Den Wald aufzuräumen bringt wenig in Sachen Borkenkäferbekämpfung. » «Der Klimawandel kommt so schnell, dass sich die Natur so kurzfristig nicht anpassen kann.» «Gegen den Pilz ist kein Kraut gewachsen – die Eschenwelke ist hoch akut.» «Die Zahl der Hirsche ist unnatürlich hoch – obwohl die Jäger gut und viel schiessen.» «Hinzu kommt das Übel, dass übermütige Biker illegal Bäumchen fällen, um Trails zu bauen.» Zecken sind auf dem Vormarsch – früher war es ihnen noch zu kalt am Sihlsee.
Besichtigung eines Holzschlags im Klosterwald in Einsiedeln – Kreisförster Beat Fuchs on work: «Holzschläge sind nicht nur für die Holzgewinnung gut: Sie fördern auch den natürlichen Jungwuchs und die Biodiversität.» Foto: zvg